Hans Jörg Schelling: "Ich koche ungern nach Rezept"
Seinen Alltag dominieren Zahlenkonstrukte, Budgetsitzungen, strenge EU-Finanzvorgaben oder Not leidende Kredite. Am Wochenende bricht Hans Jörg Schelling gerne aus der Welt der Zahlen aus. Wenn er dann in seine Kochweste schlüpft, schert sich der ÖVP-Finanzminister allerdings herzlich wenig um Genauigkeit.
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Gramm, Stückzahlen oder Zehntelliter sind in Schellings Kochwelt Nebensache. Improvisation ist das Motto seiner Küche. "Ich koche ungern nach Rezepten. Deswegen bereite ich auch kaum Süßspeisen zu."
Ein bewusster Kontrapunkt zum Job? "Ich befürchte, manchmal ist das auch bei den Zahlen so", witzelt der Finanzminister. Denn Kosten für unerwartete Flüchtlingskrisen, Bankenrettungen & Co. lassen sich nicht kalkulieren – auch hier ist man gezwungen zu improvisieren. Wahrscheinlich öfter, als dem Minister lieb ist.
Kurzerhand übernahmen am Wochenende die Männer (Vater und die beiden Söhne) der Familie das Kommando in der Küche. "Vor dem Wochenende machten wir unserer Mutter einen Menüvorschlag. Sie kaufte dann die Zutaten ein und gab uns Tipps", erinnert sich Schelling. Damals lernte er das Handwerk. Seine Routine kann man bei jedem Handgriff in der Küche beobachten. "Kochen ist für mich pure Entspannung. Da bringt mich nichts aus der Ruhe." Den Beweis dafür konnte der ehemalige XXXLutz-Chef dann gleich während des KURIER-Termins liefern.
Den Auftakt machte eine eine aromatisch facettenreiche Karotten-Ingwer-Orangen-Suppe. Das kulinarisches Zwischenspiel bestritt der Minister mit raffiniert marinierten Eierschwammerln und Kartoffelpuffern.
Klar, der Wein darf nicht fehlen. Denn 2009 hat Schelling das Stiftsweingut Herzogenburg übernommen. Wenn seine Zeit als Minister vorüber ist, möchte der gebürtige Vorarlberger dann seinen Traumjob als Winzer endlich ausüben.
Gibt es für einen "alten" Koch-Haudegen, wie Schelling einer ist, überhaupt noch eine Herausforderung am Herd? "Ja, die große Kür sind für mich Saucen. Sie benötigen viel Zeit durch das Einreduzieren, das Zubereiten des Fonds und viel Gefühl beim Verfeinern. Die Saucen erinnern mich an Wein. Am Ende ist die große Frage, ob sie schmecken oder nicht."
Gerade in diesem Kürprogramm ist die improvisierte Küche des Ministers ein Nachteil. "Wenn mir ein Gericht gelingt, dann merke ich mir leider nie die genaue Zubereitung." Dazu liefert Österreichs oberster Budgethüter gleich eine lukullische Anekdote. Als er wieder einmal für rund 40 Personen in einem Wirtshaus kochte, verfeinerte Hobbykoch Schelling den Rindslungenbraten mit einer Rotweinsauce. "Alle waren so begeistert, dass der Wirt die Sauce auf seine Karte einfließen lassen wollte." Die Krux an der Sache: Der Minister konnte dem Wirt die Rezeptur nicht verraten. "Also verbrachten wir den ganzen Sonntagnachmittag damit, so lange Saucen anzusetzen, bis wir alle der Meinung waren: Das ist es."
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