Häupl: "Die Freiheitlichen sind weniger arg"

Ende Jänner wird er sein Amt als Wiener SP-Landesparteichef abgeben.
Michael Häupl über die Sozialpolitik von Sebastian Kurz, H.-C. Strache und interne Streitereien.

Sebastian Kurz will die Sozialpartnerschaft zerschlagen, ist Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl überzeugt. Im KURIER-Gespräch nimmt er zu den roten Wahlkampf-Pannen und seiner eigenen Zukunft Stellung.

KURIER: Diese Woche präsentierte die SPÖ ihr Wahlprogramm, das die sozialen Kernthemen wieder in den Mittelpunkt rückt. Inwieweit trägt es Ihre Handschrift?

Michael Häupl: Es gibt, Gott sei Dank, eine ganz breite Übereinstimmung in der Sozialdemokratie, dass man sich auf die Themen konzentriert, die unsere Stärke sind. Zudem ging es darum, die Wirtschaftskompetenz des Bundesparteivorsitzenden einzubringen. Das Programm trägt insofern eine gemeinsame Handschrift, und ich bin sehr zufrieden damit.

Anfang August ist halb Österreich auf Urlaub. Warum präsentiert man ausgerechnet jetzt das Wahlprogramm? Hat man die Sorge, dass es die Wähler nicht rechtzeitig bis zum 15. Oktober fertig lesen können?

Der Grund ist ein pragmantischer: Es gibt bei uns ein Statut, das es notwendig macht, das Programm in einer gewissen zeitlichen Distanz zu beschließen.

"Ich hol mir, was mir zusteht", lautet der Titel des Programms. Das hätte theoretisch Karl-Heinz Grasser seinerzeit auch behaupten können. Gilt jetzt auch in der SPÖ die Devise: Jeder ist sich selbst der Nächste?

Nein. Wenn man nur einmal über den Titel hinausschaut, erkennt man, dass es um Interessen von großen Teilen der Gesellschaft und nicht von jenen Einzelner geht, wie es bei Grasser der Fall war. Die breite Mittelschicht hat nicht vom Aufschwung vor der Wirtschaftskrise 2008 profitiert, sie hat aber in der Krise überproportionale Leistungen erbracht. Jetzt, wo Licht am Ende des Tunnels ist und die Arbeitslosigkeit zurückgeht, ist die Verteilungsgerechtigkeit ein wichtiger Punkt für uns.

Es soll Verbesserungen für die Mindestpensionisten geben. Beim Abbau von Pensionsprivilegien bleibt aber für Wiener Beamten die günstigere Regelung aufrecht. Wie erklären Sie das den Nichtwienern?

Vorweg: Die Wiener Beamten gehen nur die Wiener etwas an. Wir haben die Eckpunkte der seinerzeit unter Schwarz-Blau durchgeführten Pensionsreform auch erfüllt, nur mit einem anderen Zeithorizont und somit wesentlich sozial verträglicher. Es gibt aber keine Pensionsprivilegien, sondern eine Pensionsgerechtigkeit. Wir haben auch nicht vor, das zu ändern.

Eine Erbschaftssteuer für Reiche hat schon einst Werner Faymann versprochen. Warum sollte sie jetzt kommen?

Vor einer Wahl formulieren wir kein Regierungsprogramm, sondern ein Positionsprogramm der SPÖ.

Wäre eine Erbschaftssteuer eine Koalitionsbedingung?

Jetzt geht es erst einmal darum, auf Platz eins zu kommen. Dann ist es am einfachsten Bedingungen zu stellen.

Im Moment deutet viel auf Schwarz-Blau hin. Was würde das für Wien bedeuten?

Es wäre noch ärger als das letzte Mal. Herr Dr. Schüssel hat Distanz zur Sozialpartnerschaft gehabt, war aber ein Kind derselben. Daher war er nicht auf eine Zerschlagung der Sozialpartnerschaft aus. Das ist bei einer neuerlichen schwarz-blauen Regierung anders, Kurz will die Sozialpartnerschaft zerschlagen.

Was würde hingegen eine rot-blaue Koalition für Wien und die Landespartei bedeuten?

Ich gehe nicht von Rot-Blau aus. Aber ich will keine Koalitionsdiskussion führen. Wir haben jetzt die Aufgabe, Schwarz-Blau zu verhindern.

Der natürliche Feind des Wiener Bürgermeisters und damit der SPÖ hieß über die Jahre Heinz-Christian Strache. Hat ihn Kurz nicht längst überholt?

Ich habe weder Strache noch Kurz als Feindbild. Das sind politische Gegner. Herr Strache, der zunehmend zu einem älteren Herren mutiert, ist in Wien nach wie vor ein ernst zu nehmender Gegner. In Wien hat die ÖVP neun Prozent. Da liegt es auf der Hand, mit wem man sich in Wien auseinandersetzt. Aber jetzt sind Nationalratswahlen.

Viele Positionen der ÖVP unterscheiden sich kaum mehr von denen der FPÖ, mit der Sie nicht koalieren wollen. Wie soll da noch eine Zusammenarbeit mit der Kurz-ÖVP möglich sein?

Ich sehe schon Unterschiede, etwa in der Europafrage. Auch wenn Kurz hier populistische Positionen besetzt. Dass die ÖVP bei sozialen Fragen, etwa die Zerstörung der bundesweiten Regelung der Mindestsicherung, überhaupt nicht meine Zustimmung haben kann, liegt auf der Hand. Da sind die Freiheitlichen wahrscheinlich weniger arg.

Wie sehr muss die SPÖ Peter Pilz fürchten?

Gar nicht. Ich glaube nicht, dass viele SPÖ-Wähler dem Pilz zulaufen. Denn es geht um die Zukunft Österreichs, und Peter Pilz wird da keine Rolle spielen.

Im SPÖ-Wahlkampfmanagement tobten zuletzt Grabenkämpfe. Wer ist schuld daran?

Wollen wir nicht übertreiben. Nicht jede Büroquerele ist eine Katastrophe oder ein Grabenkampf.

Aber wer hat im Wahlkampfteam das Sagen? Thomas Drozda, Georg Niedermühlbichler oder Tal Silberstein?

Der Chef ist der Bundesparteivorsitzende. Er hat einen Generalstabschef. Das ist Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Es ist viel einfacher, als es erscheint. Es heißt ja auch Wahlkampf und nicht Wahlschleim. Und ein Wahlkampf erfordert eine sehr durchstrukturierte Organisation.

Genau das hat die SPÖ in den vergangenen Wochen vermissen lassen.

Das ist ein Unfug. In der SPÖ funktioniert das sehr gut. Es kann schon sein, dass es die eine oder andere seltsame Kommunikationsform im Kanzleramt gab. Aber man soll solche Dinge nicht überbewerten.

Sie sind also zufrieden mit der Performance des Wahlkampf-Teams?

Das ist eine andere Geschichte. Im Grunde halte ich es aber für sehr gut, was man im inhaltlichen Bereich gemacht hat. Dass man sich nicht auf die Themenfelder des Herrn Minister Kurz verschleppen hat lassen.

Dennoch: Die ersten Runden im Wahlkampf gingen klar an die ÖVP. Kurz hat sehr stark das Sicherheitsthema gespielt, die SPÖ hatte dem wenig entgegenzusetzen.

Den Teufel werden wir tun. Wir werden nicht seine Themen bespielen. Wenn er meint, er muss die Mittelmeerroute schließen: Tadellos, soll er das tun, er ist dafür zuständig.

Aber gleichzeitig will Verteidigungsminister Doskozil mit Panzern am Brenner auffahren.

Das ist ja nicht wahr.

Warum hat der Verteidigungsminister das dann gesagt?

Hat er nicht. Da sind vier Pandur-Panzer, die in Innsbruck unten in einer Kaserne stehen. Es steht kein einziger Panzer am Brenner.

Jetzt besinnt sich die SPÖ also wieder ihrer Kernthemen. Glauben Sie, dass die SPÖ Kurz auf diese Themenfelder locken kann?

Häupl: "Die Freiheitlichen sind weniger arg"
Interview mit Michael Häupl, Wien am 03.08.2017
Kurz will Kanzler werden. Da frage ich mich schon: Was kann und weiß er? Was sagt er zu Fragen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, der Wissenschaft und Forschung? Außer der Schließung der Mittelmeerroute höre ich von ihm nichts – außer Fälschungen von Studien über die Wiener Kindergärten.

Stichwort Kindergärten. Hat hier die SPÖ nicht zu lange der ÖVP das Feld überlassen?

Wenn man 8000 Kontrollen im Jahr durchführt, sieht man, was sich tatsächlich im überwiegenden Teil abspielt. Ob es für die Stadt Wien hier ein Thema gibt, werden wir mit der nächsten Studie wissen. Wenn dem so ist, haben wir natürlich die Konsequenzen zu ziehen. Ich kann mir das bei dieser Anzahl an Kontrollen aber nicht vorstellen.

Warum ist man das Thema nicht proaktiv angegangen?

Stadtrat Jürgen Czernohorszky geht sehr offensiv und gut mit dem Thema um. Wenn man das nicht hören will, hört man es nicht. Bestimmte Medien wollen das nicht hören, für die ist das Abendland eh schon untergegangen.

Nach der Wahl wollen Sie sich zurückziehen. Gibt es eine Konstellation, bei der Sie doch noch länger bleiben würden?

Nein.

Nicht einmal eine schwarz-blaue Koalition im Bund?

Auch dann nicht.

Immerhin haben Sie da die größten Erfolge gefeiert.

Mag sein.

Auch wenn Sie die Partei bitten würde?

Ich habe mich dafür entschieden und es mit meinen Freunden so vereinbart. Es bleibt dabei.

Wann werden Sie das Amt des Parteichefs zurückgeben?

Keiner will vor Weihnachten einen Landesparteitag machen. Daher werden wir Ende Jänner einen Parteitag machen.

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