Haben die Rechtspopulisten ausgedient?

Haben die Rechtspopulisten ausgedient?
Nach der Wahl in Frankreich sieht EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani eine echte Trendwende. Andere sind da vorsichtiger. Der Front National will sich neu formieren.

Mit dem Brexit und der Wahl Donald Trumps hatten Rechtspopulisten zuletzt auch in Kontinental-Europa Morgenluft gewittert.

Alexander Van der Bellen war im Jänner dann aber der erste, der mit einem dezidiert pro-europäischen Kurs bei einem zur Entscheidungswahl für Europa ausgerufenen Urnengang reüssierte.

Mark Rutte folgte im März in den Niederlanden und nun also Emmanuel Macron in Frankreich. Immer lautete die Wahl für oder gegen Europa, für oder gegen gemeinsame Lösungen der EU-weiten Probleme – von der Migrations- bis zur Währungspolitik. Und immer war der Verlierer am Ende jener Kandidat, der in der politischen Verortungsskala als Rechtspopulist eingestuft wurde.

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Dass mit Frankreich nun auch jenes Land, in dem ein politischer Richtungswechsel die gravierendsten Konsequenzen für das Projekt EU gehabt hätte, auf Kurs Richtung europäischer Integration bleibt, sorgt am Tag nach der Wahl für ein Aufatmen pro-europäischer Politiker.

"Ich bin davon überzeugt: Wir erleben in Europa den Anfang vom Ende der Kräfte am rechten Rand", sagt EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani den Zeitungen der deutschen Funke-Mediengruppe. "Wir müssen sofort damit beginnen, die Europäische Union zu verändern." Es gehe um die Linderung der Arbeitslosigkeit, den Kampf gegen den Terrorismus und die Regulierung der Zuwanderung. Außerdem müssten die Europäer mehr für Afrika tun. "Wir brauchen eine neue Strategie." Macron werde dabei "eine Schlüsselrolle" spielen.

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"Kein Grund zur Entwarnung"

Europaparlamentsvize Alexander Graf Lambsdorff sieht im Interview mit der Welt hingegen "keinen Grund zur Entwarnung". "Die Herausforderungen durch Populisten und Nationalisten bleiben weiter bestehen." Es sei Aufgabe aller Demokraten und aller Partner Frankreichs, Emmanuel Macron dabei zu helfen, dass seine Präsidentschaft zum Erfolg wird.

Auch der Beauftragte der deutschen Regierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit, Staatsminister Michael Roth (SPD), ist skeptisch. "Elf Millionen Französinnen und Franzosen haben für eine bekennende Rechtsextremistin gestimmt", sagte Roth am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". "Mit einer solchen Situation dürfen wir uns in der EU niemals abfinden." Es dürfe nicht zur Normalität werden, dass Nationalisten und Rechtspopulisten "derart starke Ergebnisse erzielen".

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Roth zog jedoch denselben Schluss wie Tajani: Es sei jetzt wichtig, dass ein Politikwechsel eingeleitet werde. "Macron ist eine großartige Chance für Frankreich, für die Europäische Union, aber auch für die deutsch-französische Zusammenarbeit", sagte Roth.

Auch Linken-Chefin Katja Kipping begrüßte die Wahl Macrons, warnte aber zugleich vor einer weiteren sozialen Spaltung in Europa. "Ich freue mich, dass es gelungen ist, die Wahl einer Rechtsextremen wie Marine Le Pen zu verhindern - auch wenn Emmanuel Macron nur das kleinere Übel ist", sagte Kipping der Berliner Zeitung (Montagsausgabe). Es sei allerdings "zu befürchten, dass der Kurs von Macron - Sozialkürzungen, Einschränkungen von Rechten der Beschäftigten, mehr Freihandel - am Ende die soziale Verunsicherung noch verschärft", sagte Kipping der Zeitung. Dies sei "ein guter Boden für rechtspopulistische Propaganda".

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Auch die Delegationsleiterin der Grünen im Europarlament, Ulrike Lunacek, zeigte sich über den Wahlausgang erleichtert. Die "Niederlage für EU-Totengräberin Le Pen ist ein Sieg für das gemeinsame Europa", twitterte sie. Die Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Ska Keller, sprach von einem guten Zeichen für die gesamte EU. Dennoch sei der Sieg Macrons kein Grund zum Feiern, da Le Pen "noch immer viel zu viele Stimmen bekommen" habe.

Front National formiert sich neu

Wie es mit der EU weitergeht? Letztlich werden das nur Wahlen zeigen können. Bereits für den 11. Juni ist in Frankreich der nächste Wahlgang angesagt. Front-National-Chefin Marine Le Pen kündigte bereits an, dafür ihre Partei umbauen zu wollen. Damit will sie den FN zu einer "neuen politischen Kraft" machen und sich den Weg an die Macht ebnen. Denn die Rechtspopulisten stoßen immer noch an eine "Glasdecke".

Dafür soll die Partei zunächst einen neuen Namen bekommen. In den vergangenen Monaten hat Le Pen den Namen kaum noch genutzt, der Wahlkampf war völlig auf ihre Person zugeschnitten. Das wäre der bisher deutlichste Bruch mit dem Erbe ihres Vaters Jean-Marie Le Pen, der die Front National 1972 gründete und den sie 2015 wegen antisemitischer Ausfälle aus der Partei herauswarf.

Der Namenswechsel soll auch symbolisch für eine Öffnung an breitere gesellschaftliche Schichten stehen. Das versuchte Marine Le Pen bisher schon mit ihrer Strategie der "Entteufelung". Die Auswertung der Wahlergebnisse zeigt aber, dass sie weder in Paris noch in anderen größeren Städten und dicht besiedelten Gebieten punkten konnte. Ihre Hochburgen bleiben in den früheren Bergbau-Gebieten im Nordosten des Landes, wo sie teilweise mehr als 50 Prozent holte, und im Südosten.

Klare Verhältnisse in Deutschland

Die nächsten wichtigen Wahlen für Europa stehen dann erst wieder im September an. Dann wird Deutschland über den Regierungskurs von Langzeit-Kanzlerin Angela Merkel abstimmen. Zu einer "Entscheidungswahl" lässt sich der Wahlgang am 24. September aber von keinem Lager glaubhaft hochstilisieren. Die einzige EU-kritische bzw. rechtspopulistische Partei liegt mit der AfD derzeit weit abgeschlagen bei 8 Prozent, die Linke bei 9 Prozent.

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