Budget-Verhandlung auf der Zielgeraden
Jetzt kann es relativ schnell gehen oder auf den letzten Metern noch scheitern. So weit liegen die Einschätzungen der Koalitionsverhandler auseinander.
Neben dem Wollen geht es aber auch um das Machbare: Am Samstag wurden im kleinen Kreis intensiv die letzten offenen Budgetfragen verhandelt. Dabei geht es um das Stopfen des Budgetlochs und die Finanzierbarkeit der Projekte aus den Verhandlungsgruppen. Am Verhandlungstisch: Andreas Schieder und SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer, sowie von der ÖVP Finanzministerin Maria Fekter und Staatssekretär Reinhold Lopatka – ein Marathonläufer.
Geldsuche
Wegen des hohen Finanzbedarfs wird der Verkauf von Staatsanteilen (z.B. Post) ebenso überlegt, wie Steuererhöhungen (z.B. Tabaksteuer) oder ein zeitlicher Aufschub von Infrastrukturprojekten. Die SPÖ ist nicht mehr prinzipiell gegen Privatisierungen, nur gegen „dumme“ Privatisierungen.
Vorangegangen war dem samstäglichen Budgetgipfel ein Treffen von Kanzler Werner Faymann mit Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll am Freitagabend. Im Kanzleramt war von einem Routinetreffen die Rede. Dass Pröll ordentlich Druck machte und die sieben offenen Forderungen der ÖVP als harte Koalitionsbedingungen auf den Tisch legte („bewegen uns auf dünnstem Eis“) will man in der SPÖ nicht überbewerten.
„Die sieben Punkte werte ich persönlich eher als Verhandlungstaktik der Volkspartei und nicht als zielführendes Verhandeln“, sagte Kärntens SP-Landeshauptmann Peter Kaiser zum KURIER. „Die Zeit des Hasardierens, des Pokerns ist vorbei. Das ist jetzt nur mehr kontraproduktiv. “ Er glaubt an einen baldigen Abschluss: „Wenn die Grundstimmung passt, werden wir auch in der Sache Lösungen finden.“
Also gut, es dauert halt, bis sich zwei Parteien, die Stimmen verloren haben, die verunsichert sind und sich immer mehr auf ihre Kernwähler konzentrieren, zu einer Regierung zusammenfinden. Und der Prozess des Zusammenfindens wird auch nicht dadurch erleichtert, dass die Macht der schrumpfenden Bundesparteien SPÖ und ÖVP in die starken Bundesländer wandert. Aber die Wähler und Steuerzahler dürfen schon erwarten, dass die Regierung einmal grundsätzlich klärt, wofür sie zuständig ist, was der Staat kann und soll. Wo soll der Bund mehr einheitlich regeln, wo sollen die Länder mehr Kompetenzen bekommen?
Wer etwas über oft unrealistische Erwartungen von Bürgern an die Politik erfahren will, muss nur an einer Telefonstunde mit Landeshauptmann Erwin Pröll teilnehmen. Der eine Anrufer beschwert sich, dass er in der Mödlinger Fußgängerzone kein Geld für die Parkuhren wechseln kann, ein anderer hofft, der Landeschef könne einen rechtskräftigen Bescheid des Verwaltungsgerichtshofs aussetzen. Auch auf soziale Unterstützung für dieses und jenes wird gehofft. Erwin Pröll beschied einer Anruferin ganz klar: „Die Zeiten sind vorbei, wo der Staat für alles sorgen konnte.“
Eine klare Erkenntnis. Aber eine neue Bundesregierung müsste endlich klar sagen, wofür Politik zuständig ist, was in Brüssel, was in Wien und was in den Ländern entschieden wird. Die Verteilung von Kompetenzen bewährt sich dann, wenn sie dem Prinzip der Subsidiarität folgt, aber es müssen endlich die Doppelzuständigkeiten beendet werden, die uns so teuer kommen.
Zuständigkeiten neu ordnen
Manches lässt sich nur europäisch regeln. Gut, dass es die EU gibt. Wer sonst hätte den Banken auf die Finger geklopft, weil sie Zinsen manipulierten. Wer sonst hätte die Macht, sie zu Milliardenzahlungen zu verdonnern?
Die Ziele für unser Bildungswesen müssen zentral im Bund vorgegeben werden. Aber wie soll ein Wiener Beamter wissen, welche Schule in Feldkirch ganztags betrieben werden soll? Dass verschiedene Rechenzentren im Bund und den Ländern ihre eigene IT betreiben, ist absurd. Das kann man zentral steuern.
Wenn alle Unternehmen darauf achten, ihre Kosten in den Griff zu bekommen, warum kann das die öffentliche Hand nicht? Weil sie nicht muss. Weil sie im Zweifel die Steuern erhöht. Und aus dem Hochsteuerland Österreich ein Höchststeuerland machen wird.
Die kalte Progression, die die Steuerzahler jedes Jahr ärmer macht, spüren alle. Davon profitiert nur der Staat, der mehr Steuern erhält, aber trotzdem mit seinem Geld nicht auskommt.
Bundeskanzler Faymann und Landeshauptmann Pröll hatten gestern ein sehr ernsthaftes Gespräch. Den beiden Polit-Profis war klar, dass sich beide Parteien bewegen müssen, dass beide auch Kernwähler enttäuschen werden. Aber alles ist besser, als einfach so weiterzuwurschteln.
Nach der inneren Logik (die es in solchen Fällen allerdings nicht gibt) müsste es diesmal schneller gehen – weil praktisch keine Alternativen zur Großen Koalition bestehen. Zu jener Großen Koalition, deren legendäre „Packelei“ nicht nur durch diese Schnurre belegt ist: Als in den ehemals kaiserlichen WC-Anlagen in Schönbrunn um 1950 eine „rote“ Klofrau beschäftigt wurde, musste auch eine mit schwarzem Parteibuch angeheuert werden.
„Es reicht!“
Kleine Koalitionen verliefen freilich desaströser: Die erste (Rot-Blau) zerbrach 1986, die zweite (Schwarz-Blau) 2003. Beide endeten vorzeitig – und stets unter heftigem Zutun Jörg Haiders. Auch wenn die dritte „Kleine“ (Schwarz-Orange) volle vier Jahre hielt, kommt diese Regierungsform bei Umfragen nicht aufs Siegerstockerl. Der (laut Eigenwerbung) „zu junge, zu intelligente und zu schöne“ Finanzminister Grasser konnte das Nulldefizit nicht halten, die Packelei erreichte neue Höhen und die schwarz-blau-orange Zusammenarbeit führte zu noch mehr Politskandalen als in jeder anderen Konstellation.
Die erste „Große“
Die Geburtsstunde der Großen Koalition hatte 1947 geschlagen, als ein kommunistischer Minister aus Protest gegen einen Gesetzesentwurf die Regierung verließ. Damit blieb das Zusammenspiel zwischen Schwarz und Rot übrig, dessen Frühzeit der Historiker Manfried Rauchensteiner in seinem Standardwerk über die Große Koalition („Die Zwei“, Bundesverlag) in drei Phasen unterteilt:
Phase 1 (Die Gewöhnung): Sie war eine Not- und Zweckgemeinschaft, die das Zusammenleben unter vierfacher Besatzung ermöglichte. ÖVP und SPÖ drohten ständig, die Koalition platzen zu lassen, um mit Kommunisten oder dem „Verband der Unabhängigen“ (VdU = Vorgängerpartei der FPÖ) weiterzuregieren. Doch Bundespräsident Theodor Körner weigerte sich, den VdU in die Regierung aufzunehmen. In dieser Zeit (die bis 1953 dauerte) wurde der Proporz zwischen den Großparteien verankert.
Phase 2 (Die Erfolge): Neben dem Durchbruch in der Außenpolitik (Staatsvertrag und Neutralität) brachten die 1950er-Jahre Sozialpartnerschaft, Wirtschaftswunder und Wohlstand.
Phase 3 (Die Packelei): Ihr verdankt die Große Koalition ihren bis heute angeschlagenen Ruf. „Ab 1959 waren die beiden Parteien praktisch nur noch darauf aus, einander gegenseitig zu belauern und zu kontrollieren“, meint Professor Rauchensteiner, „und sie zeigten wenig Willen zu echter Zusammenarbeit“.
Doch kaum waren die nächsten Wahlen geschlagen, ging der Proporz wieder von vorn los. Kanzler Julius Raab hat ihn wohl am treffendsten definiert: „Proporz is, wenn i ins Gebäude vom Rundfunk kumm und plötzlich überall statt aner Hand zwa Händ schütteln muss.“
Wobei es im historischen Rückblick grotesk (aber menschlich nicht unsympathisch) erscheint, dass die Kontakte zu den politischen Gegnern oft besser waren als innerhalb der eigenen Reihen. So kam es vor, dass der SP-Vizekanzler Schärf den VP-Kanzler Figl gegen seine eigenen Parteifreunde in Schutz nahm. Ebenso legendär wie die Gegensätze zwischen Bundespräsident Renner und seinem Parteifreund Schärf war die gute Achse Renner-Figl oder die Freundschaft des SP-Innenministers Helmer zum VP-Kanzler Raab.
Die Großen Koalitionen legten ihre Bewährungsproben auch später noch ab: 1995 durch den EU-Beitritt und ab 2008, da Österreich im Vergleich zu anderen Ländern mit einem blauen Auge durch die Krise kam.
Klaus & Kreisky
Wir werden wohl noch ein paar Tage oder auch Wochen warten müssen, bis sich die Beiden zusammenraufen. Um irgendwann einmal, vielleicht in ferner Zukunft, doch nur mit einer Toilettenfrau zurechtzukommen.
Das neue Buch von Georg Markus:
Soeben erschienen: Das neue Buch von Georg Markus „Es war ganz anders, Geheimnisse der österreichischen Geschichte“,in dem der Autor nachweist, dass viele Geschichten, die wir aus der Geschichte kennen, durch jüngere und jüngste Erkenntnisse neu geschrieben werden müssen.303 Seiten, zahlreiche Abbildungen,€ 24,95. Amalthea Verlag,Wien. Erhältlich im Buchhandel oder – handsigniert vom Autor– im kurierclub.at
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