Griss: "Der U-Ausschuss hat nichts Neues aufgedeckt"

Griss: "Der U-Ausschuss hat nichts Neues aufgedeckt"
Streitgespräch: Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss gegen den grünen "Mister Hypo" Werner Kogler

Ist der Hypo-U-Ausschuss ein Flop? Irmgard Griss ließ diese Woche mit heftiger Kritik gegenüber dem U-Ausschuss aufhorchen und verärgerte damit die Abgeordneten. Der KURIER brachte die Ex-OGH-Präsidentin mit dem grünen „Mister Hypo“ Werner Kogler zu einem Streitgespräch zusammen.

KURIER: Frau Griss, Sie haben in einem "Falter"-Interview das Aus für den Hypo-U-Ausschuss gefordert. Ist das für eine mögliche Bundespräsidentschaftskandidatin nicht ein Bumerang, wenn man eines der wichtigsten parlamentarischen Kontrollinstrumente abdrehen will?

Irmgard Griss: Das habe ich so nie gesagt. Wofür ich eintrete ist, den U-Ausschuss effizienter zu gestalten. Das vermisse ich derzeit. In jenen Bereichen wie etwa der Kärntner Zeit, wo es den Kärntner Untersuchungsausschuss, den Rechnungshofbericht und den Kommissionsbericht gibt, braucht man nicht nochmals alles von null an aufrollen. Der Hypo-Kommissionsbericht hat mehr als 400.000 Euro gekostet. Jetzt hat man diesen Expertenbericht und verwendet ihn nicht als Grundlage. Das ist mir einfach unerklärlich.

Sie fordern das Parlament auf, es solle sich besser den Zukunftsfragen statt der Hypo widmen. Das ist doch eine eindeutige Botschaft, den U-Ausschuss zu beenden. Rudern Sie jetzt zurück?

Griss: Warum soll ich sagen, dass der Hypo-U-Ausschuss überflüssig ist? Mir tut es weh, wenn die Umfragen zeigen, dass die Österreicher mit dem U-Ausschuss unzufrieden sind. Es ist nicht gut für unsere Gesellschaft, wenn die Bürger finden, dass der U-Ausschuss in ein politisches Hickhack ausartet, um die Schuld dem jeweils anderen zuzuschieben. Von dieser Politik haben die Menschen genug. Dieser Eindruck schadet dem Ruf des Parlaments und dagegen trete ich auf.

Herr Kogler, ist die Kritik von Frau Griss gerechtfertigt, dass der Hypo-U-Ausschuss ineffizient arbeitet, nichts Neues zutage bringt?

Werner Kogler: Es ist mit Sicherheit richtig, diese Berichte als Grundlage zu nehmen. Ob das alle Parteien machen, ist eine andere Frage.

Griss: Ich kann Ihnen verraten, warum das nicht passiert: Weil nicht alle gut wegkommen.

Kogler: Aber eines muss man schon klarstellen: Unsere Aufgabe ist es, die Verantwortung der Verantwortungsträger zu klären. Hier spielen Motive und Interessen eine Rolle, die im Griss-Bericht nicht widergegeben werden. Im Griss-Bericht wurden ausschließlich die Missstände im System bewertet. Das passierte allerdings in sehr präziser Form. Aber warum haben wir die Kärntner Phase neu aufgerollt? Auch wenn der Bericht von meinem Kärntner Kollegen Rolf Holub wunderbar ist: Die Kärntner bekamen keine Unterlagen vom Bund. Wir haben diese jetzt. Das macht einen riesigen Unterschied. Wenn man ein mögliches Versagen ermitteln will, dann sollte man die Vorgeschichte kennen. Deswegen haben wir uns die Kärntner Phase angetan.

Hat die Fleißaufgabe neue Erkenntnisse ergeben?

Kogler: Für mich schon. Wir stellen in diesen neuen Akten fest, dass alle Instanzen bis zu den Kreditausschüssen extrem fahrlässig gehandelt haben. Schon in den frühen 2000er-Jahren gab es viele Hinweise, dass die Hypo die Hausbank der Balkanmafia ist. Aber keiner hat hier eingegriffen. Ich habe das in dieser Strenge vor dem U-Ausschuss nicht gesehen, nicht einmal vermutet.

Griss: Aber bitte, Herr Kogler, das steht doch alles im Kommissionsbericht. Der katastrophale Zustand der Bank wird genau beschrieben. Dass Bankenaufsicht, Vorstand, Aufsichtsrat schon vor der Verstaatlichung versagt haben, finden Sie genau so im Bericht. Wir kritisieren auch, dass es kein funktionierendes Risikomanagement gab. Das Einzige, das wir nicht machten: Die Kommission nannte keine Namen, weil das auch nicht die Aufgabe der Kommission war. Wir waren nicht dazu da, um jemanden zu verurteilen. Wer die Schuldigen sind, sollte der U-Ausschuss herausfinden.

Hat der U-Ausschuss schon Schuldige gefunden?

Griss: Aus meiner Sicht hat der U-Ausschuss nichts relevantes Neues aufgedeckt. Daher hoffe ich auf den Abschlussbericht, dass hier der Verfahrensrichter klare Worte findet: Wer hat wofür einzustehen? Etwa warum die Bank 2008 vor der Vergabe des Partizipationskapitals von fast einer Milliarde Euro von den Prüforganen als gesund bezeichnet wurde, obwohl sie schon mehr oder weniger kaputt war.

Ist diese Analyse von Frau Griss nach neun Monaten U-Ausschuss nicht niederschmetternd?

Kogler: Nein, überhaupt nicht. Denn gerade im Fall des leidigen Gutachtens der Nationalbank, wo die Hypo von "fast tot" auf "nicht krank" und dann plötzlich auf "gesund" gestellt wurde, ist es dem U-Ausschuss schon perfekt geglückt, die Verantwortungskette aufzudecken. Es ist deutlich erkennbar, dass diejenigen, die sich in der Nationalbank mit der Hypo beschäftigten, die Bank niemals auf gesund stellen wollten. In der letzten Verhandlungsrunde für das Partizipationskapital gibt es dann in einer Sitzungsunterbrechung einen Anruf von Finanzminister Josef Pröll an seinen obersten Beamten mit dem Auftrag, Steuergeld zu Bedingungen für eine gesunde Bank einzubringen. Im U-Ausschuss hat der Chefverhandler gesagt: "Ohne den Anruf des Ministers hätte ich das nie gemacht." Also bitte, mehr kann der U-Ausschuss nicht herausfinden. Dieses wichtige Detail steht nicht im Rechnungshofbericht und auch nicht im Griss-Bericht. Trotzdem verurteile ich Pröll nicht. Denn mir ist klar, wie angespannt die Situation am ganzen Bankensektor war.

Griss: Selbst wenn die Bank auf "distressed" gestellt worden wäre, hätte das ja nicht bedeutet, dass sie kein Partizipationskapital vom Staat bekommen hätte. Der Unterschied wäre gewesen, dass die Bank einen Restrukturierungsplan hätte erstellen müssen. Der Witz war ja, dass die BayernLB zu diesem Zeitpunkt als "distressed" galt und ausgerechnet die österreichische Tochter, die maßgeblich zum "Distressed"-Testat der BayernLB beitrug, als nicht "distressed" beurteilt wurde.

War das falsche Testat der Kardinalfehler?

Griss: Das war ein großer Fehler. Das ist die Wurzel für vieles, das folgte.

Kogler: Der Restrukturierungsplan hätte bedeutet, dass die Karten viel schneller am Tisch hätten offengelegt werden müssen. Wäre das passiert, hätte man schneller gehandelt. Im Nachhinein würden wir jetzt sagen: Die 300 Millionen Euro Swap-Verlust? Genommen und gegessen. Die fast eine Milliarde Euro Partizipationskapital? Genommen und gegessen. Klar hätte es einen riesigen Knaller in der Krisenzeit gegeben, wenn der Zustand der Bank öffentlich geworden wäre. Aber eines wäre nicht passiert: Dass sich die Republiksspitze derart unvorbereitet und leichtfertig von den Bayern über den Tisch ziehen lässt. Im Auge der Öffentlichkeit hätte sich das kein Politiker getraut. So ist man im Nebel geblieben und driftet vollkommen umnachtet in die Entscheidung der Verstaatlichung hinein.

Frau Griss, Sie kritisieren, dass statt Aufklärung ein politisches Hickhack im U-Ausschuss stattfindet. Waren Sie schon einmal im U-Ausschuss zu Besuch, um das beurteilen zu können?

Griss: Nein, ich verfolge es über die Medien. Ich finde, die Fragezeit ist für jeden Abgeordneten viel zu kurz. Jeder hat nur eine beschränkte Zeit zur Verfügung, dann kommt schon der nächste. Hier verzetteln sich einige.

Kogler: Ich gebe Ihnen recht, dass wir bei der neuen Verfahrensordnung Sanierungsbedarf haben. So ist etwa die begrenzte Gesamtbefragungszeit von vier Stunden unsinnig. Denn was passiert? Alle wissen um diese Maximalzeit. Und was folgt daraus? Wenn es bei einem Zeugen etwas knistert, dann wird die Unlogik dieser Systematik ausgenutzt, um den Zeugen zu schützen. In diesen Momenten bekomme ich dann meine emotionalen Ausbrüche im U-Ausschuss. Denn selbst wenn ein Abgeordneter nur drei Minuten Redezeit hat, aber nur 15-Sekunden-Fragen stellt und die Antwort dann mehr als fünf Minuten dauert, kommt nicht einmal eine richtige Fragerunde zustande.

Welche Lösung braucht es hier?

Kogler: Hier sind wir sicher in der Problemzone der Politik. Die Regierungsparteien haben gewisse Interessen, die bekommt man nicht weg. Und jeder will sich ein wenig in Szene setzen. Im Prinzip bräuchten wir eine Art Friedenarbeitsabkommen, wo jeder ein bissl eine Rolle spielen kann. Aber nicht, dass wir im Sekundenkarussell einen Tanz produzieren.

Frau Griss, noch vor Kurzem wollten Sie den U-Ausschusses nicht kommentieren. Ihre Kritik wirkt kalkuliert, um Medienaufmerksamkeit zu bekommen. Haben Sie dem U-Ausschuss damit geschadet?

Griss: Das steckt kein Kalkül dahinter. Ich bin jetzt in einer anderen Position als noch vor drei Monaten, wenn ich zu einem Thema gefragt werde, werde ich antworten. Aber warum soll meine Kritik dem U-Ausschuss schaden? Das waren offene, ehrliche Worte, wie sich die Situation darstellt. Denn das Image kann eigentlich gar nicht mehr schlechter werden. Meine Kritik ist vielmehr eine Aufforderung: Macht es besser! Die Österreicher warten darauf.

Wer hat mehr Anteil am Hypo-Debakel: Die skrupellosen Profiteure oder das Versagen der Politik?

Griss: Ich fürchte, dass der Schaden durch das politische Versagen insgesamt größer ist.

Kommentare