Griss' Appell: Höchstrichter mit Scheuklappen sind ein No-Go

Irmgard Griss
Die frühere OGH- Präsidentin erklärt, worauf es bei künftigen Verfassungsrichtern wirklich ankommt.

"Die zentrale Frage ist nicht, ob ein Kandidat formal für den Verfassungsgerichtshof geeignet ist, sondern: Wen und welche Qualifikationen braucht der Verfassungsgerichtshof, damit er seine Aufgaben bestmöglich erledigen kann." Irmgard Griss plädiert im KURIER-Gespräch für ein Umdenken. Denn in der aktuellen Debatte um den VfGH (drei Richterposten müssen von der Regierung und dem Parlament neu bestellt werden) kommt der Justizsprecherin der Neos die Frage zu kurz, nach welchen Qualifikationen man suchen muss, um die drei Posten bestmöglich zu besetzen.

Wie berichtet wird es im Parlament ein Hearing geben, bei dem sich die VfGH-Kandidaten präsentieren müssen.

Das trifft freilich nur auf zwei der drei Neuen zu: Denn jener Kandidat, der dem Bundespräsidenten per Ministerratsbeschluss vorgeschlagen wird, muss die öffentliche Bewährungsprobe erst gar nicht bestehen.

Unumstrittene Juristen

Geht es nach Griss, die als Präsidentin des Obersten Gerichtshofs selbst Ersatz-Mitglied im Verfassungsgerichtshof war, sollte im neuen VfGH eine Tradition jedenfalls nicht gebrochen werden: "Im VfGH waren immer Richter aus anderen Höchstgerichten wie dem Verwaltungsgerichtshof oder dem Obersten Gerichtshof vertreten. Sie haben gewährleistet, dass die Höchstgerichte einander verstehen – dabei sollte es bleiben."

Zudem wünscht sich Griss, "dass der Verfassungsgerichtshof einen ausgewiesenen Experten für Zivilrecht bekommt". Soviel zu dem, was dem Höchstgericht aus Sicht der Expertin an Expertise gut täte. Wie aber müssen die Kandidaten persönlich beschaffen sein?

Diese Frage stellt sich umso mehr, als in den Reihen der Volkspartei aber auch in der Hofburg durchaus Vorbehalte gegen einzelne von der FPÖ forcierte Kandidaten wie den Kolumnisten und FPÖ-Anwalt Tassilo Wallentin kursieren.

"Verantwortung enorm"

Für Griss darf die fachliche Qualifikation der VfGH-Richter erst gar nicht zur Debatte stehen, sondern muss von vornherein umumstritten sein: "Es ist einfach selbstverständlich, dass – egal wer diese Funktion übernimmt – er oder sie ein hervorragender Jurist sein muss. Die Verantwortung ist enorm."

Folgerichtig müsse jeder Richter "eine Kapazität auf seinem Gebiet sein. Es geht darum, die besten Juristen an den Verfassungsgerichtshof zu bringen. Das sieht man ja auch an den Vertretern, die jetzt in dem Gremium sitzen."

Offen für neue Sicht

Wer von den insgesamt 41 Bewerbern den Qualitätsansprüchen aus ihrer Sicht genügt, das will die frühere Präsidentschaftskandidatin nicht öffentlich beurteilen.

Beim Ende Februar geplanten Parlamentshearing empfiehlt sie ihren Abgeordneten-Kollegen aber insbesondere auf die Voreingenommenheit der Kandidaten zu achten. "Wirklich gute Richter sind bereit, ihre persönliche Meinung und Einschätzung immer zu ändern. Die Juristerei ist eine Materie, in der es immer um Abwägungsfragen geht. Wir alle haben die Weisheit nicht mit dem Löffel zu uns genommen."

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