Graz: Schwierige Bürgermeister-Kür

Graz: Schwierige Bürgermeister-Kür
Bürgermeister-Wahl. ÖVP-Chef Nagl muss auf Allianz mit Blau hoffen oder sich Piraten angeln.

Siegfried Nagl hat ein Problem. Der von den Wählern abgestrafte ÖVP-Chef will „Kapitän“ in Graz bleiben. Doch dafür muss er erst mehrere Parteien an Bord holen.

Das Wahlergebnis in Graz erlaubt nämlich keine Zweier-Variante. Außer einer, aber die ist ausgeschlossen: ÖVP und KPÖ hätten im Gemeinderat mit 27 von 48 Sitzen die Mehrheit; KPÖ-Frontfrau Elke Kahr ist für dauerhafte Bindungen allerdings nicht zu haben.

Auch über die Bürgermeister-Wahl will Kahr noch „mit den Gremien“ reden. „Wir müssten Vertrauen in den Bürgermeister haben, das hängt davon ab, ob er sich bewegt“, sagt Kahr. In der Wohnungspolitik, bei den Thema Beschäftigung und Soziales müsste er Zeichen setzen. „Ausgliederungen und Belastungspolitik sind mit uns nicht zu machen. Wir sind nicht naiv. Nur weil einer freundlich kommt, heißt das nicht, dass er trotzdem nicht will, dass wir ins offene Messer rennen.“ Offen ist auch noch, ob die KPÖ das Vizebürgermeister-Amt anstrebt. Rechtlich steht ihr das Vorschlagsrecht zu.

Frist

Graz: Schwierige Bürgermeister-Kür
Mindestens 25 Stimmen braucht Nagl, um bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates in spätestens 60 Tagen wieder zum Stadtoberhaupt gekürt zu werden. Bis auf FPÖ-Chef Mario Eustacchio mag sich derzeit aber niemand auf Nagl festlegen. 24 schwarz-blaue Stimmen reichen knapp aber doch nicht. Also muss Nagl auf bunte Allianzen hoffen.

Von den Grünen hat er aber nichts mehr zu erwarten. Seit Nagl die Koalition aufgekündigt hat, wahrt die ehemalige Partnerin Distanz. „Der Bürgermeister ist für uns Grüne nicht wählbar“, betont Lisa Rücker. „Das haben wir vor der Wahl gesagt – und daran hat sich nichts geändert.“

Weniger leicht mit einem kategorischen Nein dürfte sich die SPÖ tun. Immerhin sind Rot und Schwarz auf Landesebene in engster Zweisamkeit verbunden. Die Grazer SPÖ-Chefin Martina Schröck ist entsprechend zurückhaltend. „Das muss man sich genau anschauen. Ob wir ihn mitwählen, hängt von den Verhandlungen ab, auch von den Ressorts.“

Bleibt dem Kapitän gar nur, sich einen Piraten zu angeln. Philip Pacanda hat den Einzug in den Gemeinderat geschafft. „Wir haben im Team noch nicht darüber geredet“, sagt er zur Nagls Bürgermeister-Kür. „Aber wir sind möglicherweise das Zünglein an der Waage.“ Mit FPÖ und Pirat hat Nagl eine hauchdünne Mehrheit.

 


    
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So unfair kann Politik sein: Die ÖVP erhält in Graz die meisten Stimmen, aber alle reden nur von der Kommunistin Elke Kahr – und von „Stalingraz“. Ein Comeback von Hammer und Sichel?

Daran denkt nicht einmal Kahr selbst – obwohl sie die meisten Vorzugsstimmen gewann: „Ich glaube, unser Ergebnis kann Mut machen – jenen, die ein ähnliches Politikverständnis haben wie wir.“ Dabei beruht der Erfolg der KPÖ auf einem einzigen aber breitenwirksamen Thema: leistbares Wohnen.

Damit hatte Kahrs Vorgänger Ernest Kaltenegger schon 2003 mit 20,75 % ein sensationelles Ergebnis eingefahren. Er klopfte bei den sozial Schwachen daheim an, bot seine Hilfe an. Verstopfte Badewannen reparierte er mit seinem Werkzeugkasten gleich. Geschätzt ist bis heute das Mieterservice der Kommunisten: Ihre Experten prüfen Mietverträge, die Abrechnung der Betriebskosten, oder Provisionen. Die Mieterhotline steht täglich bis 22 Uhr für Fragen bereit. Und vor Kahrs Tür im Rathaus suchen fast täglich Menschen den persönlichen Kontakt.

Folgerichtig sieht Kahr die KPÖ in Graz als „Servicepartei. Der alte kommunistische Weg, die ganze Welt zu erklären, davon hat doch keiner konkret etwas“, sagt Kahr. „Wir müssen auf wenigen Themen draufbleiben.“

Aber waren die Wahlen ein Sichel-Wink für den Bund? Wohl kaum. Sogar KPÖ-Chef Mirko Messer gibt zu, dass Kahrs Erfolg in Graz keinerlei Auswirkung auf die kommende Bundeswahl 2013 haben wird. Er warnt vor allzu viel Optimismus oder gar einem „Automatismus“ für gute rot-rote Wahlergebnisse. Aus Graz mitnehmen will er nur „den Schwung und die gute Laune“. Die KPÖ flog 1959 aus dem Nationalrat, 2005 zogen sie mit 4,4 Prozent im steirischen Landtag wieder ein.

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