Europas Rote rüsten gegen Merkels Sparkurs

Werner Faymann und seine Sozialdemokraten wollen EU-Milliarden für Wirtschaft. Die deutsche Kanzlerin bremst.

Noch gibt es keine Wunderwaffe gegen die Wirtschaftsflaute. Das Wachstum stagniert, die Investitionen gehen rapide zurück – und 26 Millionen Menschen sind in Europa ohne Arbeit – davon sechs Millionen Jugendliche. Das ist nicht nur ein ökonomisches, sondern längerfristig auch ein politisches Problem. Die EU-Wahl im Mai hat es gezeigt: EU-feindliche Parteien haben zugelegt.

Kanzler Werner Faymann ergreift jetzt die Initiative und lädt am 7. November zu einem Sozialdemokraten-Gipfel ein. Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls, der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sowie der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, kommen nach Wien. Werner Faymann: "Wir verfolgen ein Ziel: Europa braucht mehr Investitionen für Wachstum und Beschäftigung. Investitionen sind der beste Hebel, um aus der Krise herauszukommen. Wir müssen jetzt diskutieren, mit welchen Instrumenten und Möglichkeiten wir einen Investitionsschub in Europa schaffen."

Merkel sieht rot

Dass Österreich am Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise mit Konjunkturpaketen und Investitionen gegengesteuert hat, zeigen – im Vergleich zu anderen Ländern – die Investitionsquote und die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU (siehe Grafik) und die zweitniedrigste bei der Jugendarbeitslosigkeit.

Europas Rote rüsten gegen Merkels Sparkurs

Über den "richtigen" Wirtschaftskurs gibt es jedoch eine heftige Auseinandersetzung in der EU. Vor allem Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt weiterhin auf striktes Sparen und die strenge Einhaltung der Haushaltskriterien. Bei Investitionen, die mit neuen Schulden finanziert werden, sieht sie rot.

Immer mehr Regierungschefs argumentieren jedoch, dass Sparen allein nicht das Allheilmittel sein könne; öffentliche und private Investitionen seien bitter nötig.

Das unterstreicht auch der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er ist zur Wahl mit dem Versprechen angetreten, 300 Milliarden Euro für Investitionen und für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit locker zu machen. 300 Milliarden sind für den luxemburgischen Christdemokraten keine Fantasieziffer, es ist die Investitionslücke, die es seit der Krise gibt. Insgesamt wird heute um mehr als 300 Milliarden Euro weniger investiert als vor dem Jahr 2008.

300 Milliarden gesucht

Das Sozialdemokraten-Treffen in Wien nächste Woche hat auch das Ziel, Juncker und sein Programm zu unterstützen und konkrete Vorschläge auszuarbeiten, in welchen Bereichen neue Jobs geschaffen werden können. Bis Weihnachten sollen Projekte auf dem Tisch liegen. Juncker will auch bekannt geben, woher und wie er die Milliardensumme in Umlauf bringen will.

In der EU-Kommission gibt es die Idee, private Investitionen durch die Übernahme von Garantien bzw. Haftungen – etwa über die Europäische Investitionsbank (EIB) – zu unterstützen. Dadurch sollen Kredite an Private günstiger und vor allem in größerem Ausmaß vergeben werden.

Mit dem Treffen in Wien will Faymann aber auch die Zusammenarbeit unter Europas Sozialdemokraten stärken. Dazu der Kanzler: "Wir brauchen eine starke Allianz, die einseitigem Sparen eine Absage erteilt, gleichzeitig aber auch Wachstum und Investitionen fördert. Es geht auch um die soziale Balance in Europa."

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