Gewerbeordnung: WKO-Warnung am Beispiel Deutschlands

Gewerbeordnung: WKO-Warnung am Beispiel Deutschlands
Die Wirtschaftskammer holte sich Gastredner aus Deutschland, die die ablehnende Haltung zur Liberalisierung der Gewerbeordnung untermauern sollten.

Die Spitze der WKO-Sparte Gewerbe und Handwerk hat sich heute auch Verstärkung aus Deutschland geholt. Und zwar um ihren Standpunkt zu untermauern, dass eine größere Liberalisierung der Gewerbeordnung, als sie derzeit in Begutachtung ist, auf mehreren Ebenen schädlich wäre. Das zeigten nämlich schlechte Entwicklungen im Gewerbe und Handwerk in Deutschland, nachdem dort liberalisiert wurde.

Die deutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Lena Strothmann erklärte via Livevideo zugeschaltet aus dem Nachbarland bei einem Pressegespräch in Wien, dass die Liberalisierung in der Gewerbeordnung in Deutschland 2004 viel mehr Nachteile als Vorteile gebracht habe. Rücknahmen zumindest von Teilen der Reform werde man als Thema in den Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr einbringen, so Strothmann. Das Ziel, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sei nicht erreicht worden. Es gebe nur Ein-Personen-Unternehmen (EPU), von denen rund 70 Prozent nach fünf Jahren vom Markt verschwinden würden. Meisterbetriebe hingegen seien nach fünf Jahren noch zu zwei Drittel am Markt. Die EPU - zu einem guten Teil auch aus Osteuropa kommend - hätten ruinöse Preisschlachten entfacht und die Qualität der Arbeit sei oft niedrig.

Weniger Meisterbetriebe

Strothmann sagte, vor der Reform 2003 habe es noch 1.650 neue Fliesenlegergesellen gegeben, 2010 seien es nur mehr 650 gewesen. Bei den neuen Meistern bei den Fliesenlegern sei die Zahl von 575 im Jahr 2003 auf 84 im Jahr 2010 gefallen. In den freigegebenen Gewerben sinke die Zahl der Meisterbetriebe seit der Reform um 3 bis 5. "Es ist ein Fehler gewesen, diese Handwerksnovelle einzusetzen", so die Deutsche.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der deutschen Industriegewerkschaft, Dietmar Schäfers, fand auch kein gutes Haar an der deutschen Reform und warnte vor allzu großen Liberalisierungen. "Die Auswirkungen wurden schlecht abgeschätzt", bedauerte er die Handwerksliberalisierungen im Nachbarland. "Vor allem am Bau und im baunahen Bereich kam es zu einem Untergang der Strukturen hin zu ungeschützten Einmannbetrieben." Ein Jahr vor der Liberalisierung erfolgten laut Schäfers 75.000 Neugründungen im Handwerk. "Im Jahr danach waren es 235.000." 70 Prozent würden aber nicht mehr existieren, da es qualitativ einfach nicht gereicht hätte und ein "gnadenloser Wettbewerb" entstanden sei. Als Gewerkschaft freue man sich daher, dass die Politik überlege, Teile der Reform wieder zurückzunehmen.

Mit Studien untermauert, wurde auch betont, dass es praktisch eine negative Spirale durch die Liberalisierung gibt - es komme zu weniger Lehrlingsausbildung und weniger Meisterabschlüssen, was wieder weniger Ausbildner bedeute und sich so verstärke.

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