Gesundheitssystem: Warum gesparte 152 Millionen Euro eigentlich nicht viel sind

OPs im Spital sind bisweilen teurer als beim niedergelassenen Arzt
ÖVP und FPÖ wollen Sozialversicherungen fusionieren. Für Experten ein wichtiger erster Schritt. Die finanziell relevanteren Reformen warten aber ganz wo anders.

Auf den ersten Blick sind 152 Millionen Euro viel Geld. Sehr viel Geld sogar.

So gesehen ist es durchaus erfreulich, wenn sich die Koalitionsverhandler von ÖVP und FPÖ darauf verständigt haben, die Zahl der Krankenkassen zu verringern, um so 152 Millionen Euro zu sparen. Aus neun Gebietskrankenkassen wird eine, die Krankenkasse der Selbstständigen wird mit jener der Bauern fusioniert. Das sei der Plan, hieß es am Montag.

Ob ÖVP und FPÖ sich endgültig darauf geeinigt haben, steht so noch nicht fest.

Gegenüber dem KURIER wurde am Montag aus Verhandlerkreisen relativiert: Das letzte Wort werde erst am Freitag, bei der Sitzung der Steuerungsgruppe, gesprochen. Dem Vernehmen nach hat die FPÖ noch etwas daran zu kauen, dass es im beschriebenen Szenario weiterhin eine eigene Kasse für Beamten, Selbstständige und Bauern gäbe, obwohl die Freiheitlichen im Wahlkampf ja vehement die solidarische Fusion aller Krankenkassen propagiert haben.

Doch viel wichtiger als die Frage, wann sich ÖVP und FPÖ auf die Reduktion der Sozialversicherungsträger letztlich einigen, ist, ob diese Maßnahme auch wirklich sinnvoll und finanziell lohnend wäre. Und spätestens an diesem Punkt werden die erwähnten 152 Millionen Euro fast schon zu einer bescheidenen Größe.

Warum?

23-Klassen-Medizin

Dazu muss man mit Gesundheitsökonomen wie Ernest Pichlbauer sprechen. "Die Reduktion der Anzahl der Sozialversicherungsträger wäre ein wichtiger erster Schritt, weil wir in der Gesundheitsversorgung derzeit nicht unter einer Zweiklassen- sondern unter einer 23-Klassen-Medizin leiden", sagt Pichlbauer. Je nachdem , bei welchem Träger man versichert sei, bekomme man andere Leistungen. Mal mit Selbstbehalt, mal ohne. Doch wie die meisten Fachleute warnt Pichlbauer davor, die Spar-Effekte zu überschätzen, nur weil man aus neun Gebietskrankenkassen nun eine macht.

"Die Verwaltung ist nicht der zentrale Hebel. Das große Problem im Gesundheitssystem ist die Zersplitterung. Durch sie gehen zwischen 10 und 20 Prozent der Gesamtausgaben verloren bzw. werden nicht ideal eingesetzt."

10 bis 20 Prozent? Angesicht der Gesamt-Einnahmen der Sozialversicherung – im Vorjahr waren es immerhin 60.228 Millionen Euro – wären das sechs bis zwölf Milliarden Euro im Jahr.

Und im Vergleich dazu nehmen sich die eingangs beschriebenen 152 Millionen Euro fast bescheiden aus.

Aber was braucht es dann? Wie kann man das Gesundheitssystem besser aufstellen?

Wesentlich ist, und in dem Punkt sind sich die meisten Experten einig, dass man nicht in der Verwaltung, sondern bei den Leistungen effizienter werden muss.

"Im Sinne der Solidarität sollte man mit einem rasch aufräumen, und das sind die Leistungsunterschiede zwischen den Kassen", sagt Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am Institut für Höhere Studien.

Tatsächlich ist es so, dass Patienten längst nicht gleich gestellt sind: Versicherte einer Gebietskrankenkasse bekommen andere Leistungen als beispielsweise jene der Beamtenversicherung. Wie Pichlbauer warnt Czypionka davor, das Sparpotenzial in der Verwaltung zu überschätzen. "Die wirklichen Reibungsverluste sind in den restlichen 97,5 Prozent des Systems zu finden. Wir machen noch immer viel zu viele Eingriffe im Spital, die gleich gut, aber günstiger vom niedergelassene Arzt gemacht werden könnten."

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