Hüft-OP: Schneller Termin gegen Bares
Wartezeiten von mehreren Monaten sind bei Hüftoperationen keine Seltenheit. An sich gelten laut der letzten Novelle zum Kranken- und Krankenanstaltengesetz für die Vergabe von Terminen strenge Richtlinien – damit sollen Interventionen verhindert werden. In der Realität hingegen ist es so, dass Patienten in Österreich über eine Privatordination eines Spitalsarztes zu früheren OP-Terminen kommen, zeigt ein aktueller Test des Vereins für Konsumenteninformation (VKI).
Zwölf Testpersonen samt Zeugen schickte der VKI in Wien und Niederösterreich in zwölf Privatordinationen (sieben in Wien, fünf in NÖ) von Ärzten, die in Krankenhäusern arbeiten, wo häufig Hüftoperationen durchgeführt werden. Die Testperson gab immer die gleiche Leidensgeschichte an: ein Hüftproblem lange hinausgeschoben zu haben, jetzt sei aber ein Eingriff dringend nötig.
120 Euro für weniger Wartezeit
Fazit: In fünf Fällen konnte durch Zahlen eines Privathonorares von rund 120 Euro die Warteliste umgangen werden, Wartezeiten verkürzten sich. So soll ein Arzt versprochen haben, "ein gutes Wort" einzulegen. Durch Verweis auf eine "Akutsituation" sollte sich die Wartezeit von sechs Monaten auf vier Wochen reduzieren. Ein Arzt meinte, er halte immer "zwei, drei OP-Termine" für seine Patienten frei.
Nicht nur Bevorzugung bei Terminen konnten die Testpersonen ausmachen: So erhöhte sich bei einem Wiener Spitalsarzt der Preis für die Privatordination von 120 auf 140 Euro, als eine Rechnung verlangt wurde, so der VKI. Ein Arzt aus NÖ konnte zwar die Wartezeit nicht verkürzen, bei ihm steht aber der "Verdacht auf Beihilfe zum Abrechnungsbetrug" im Raum. So wurde auf der Honorarnote der Test-Patientin eine "Manuelle Therapie" angeführt, die in Wahrheit aber nie erfolgt sei. Diese hätte die Testperson als echte Patientin wohl bei der Krankenkasse bei Einreichung der Rechnung zum Teil rückvergütet bekommen.
Dass fast bei der Hälfte der getesteten Ärzte Hinweise auf Umgehung der Warteliste auftauchten, überraschte auch Gerald Bachinger, Sprecher der Patientanwaltschaft und selbst Patientenanwalt von NÖ. "Das sind klare Hinweise, dass diese Praxis strategisch eingesetzt wird." Er fordert jetzt Konsequenzen. "Man kann ein noch so gutes Gesetz haben, wenn es nicht eingehalten wird." Er schlägt vor, die Kriterien für Wartelisten genauer zu definieren und überhaupt zu schärfen. Das betreffe besonders die Definition von Akutfällen. Im Test hatten mehrere Ärzte die Beschwerden der Testerin als Akutfall eingestuft, die innerhalb von zwei bis drei Wochen einen OP-Termin bekommen hätte. Im Gegensatz dazu betrug in einem Spital die reguläre Wartezeit als nicht-akute Patientin 14 Monate.
Pressesprecherin Monika Sperber verweist darauf, dass beim Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) - neben der Vinenzgruppe und der NÖ Landesklinikenholding einer der betroffenen Krankenhausträger - Operationstermine seit Jänner 2008 elektronisch vergeben werden. "Seit 2010 arbeiten alle operativen Abteilungen im Wiener Krankenanstaltenverbund mit diesem System – in vielen Fächern sind die Anmeldezeiten deutlich gesunken."
Bei planbaren, nicht akuten Eingriffen werde gemeinsam mit der Patientin bzw. mit dem Patienten bei der Anmeldung nach Dringlichkeit der passende Operationstermin gesucht und auch gleich vergeben. Auf spezielle Wünsche der Patientinnen und Patienten, etwa wegen eines anstehenden Urlaubs, wird Rücksicht genommen. In vielen Fällen muss auch aus medizinischer Sicht vieles vorbereitet werden, damit eine Operation optimal durchgeführt werden kann.
Sie nennt einige Beispiele: Heute wartet man etwa im Krankenhaus Hietzing auf eine Graue-Star-Operation durchschnittlich rund drei bis vier Wochen, betont Sperber. "Vor Einführung des EDV-Systems waren es noch 12 Wochen." Die Anmeldezeit auf einen neurochirurgischen Eingriff an der Wirbelsäule im Donauspital beträgt aktuell durchschnittlich einen Monat. Für eine Endoprothese (Hüft- und Gelenksprothesenoperation) im Krankenhaus Gersthof beträgt die Anmeldezeit etwa drei bis vier Monate. "Das ist österreichweit vorbildlich." Eine weitere entscheidende Maßnahme zur Verkürzung der OP-Anmeldezeiten ist die kontinuierliche Ausdehnung der Operationszeiten in den Nachmittag. Mehr als die Hälfte aller operierenden Abteilungen im KAV operieren bereits sowohl vormittags als auch nachmittags. Eine Maßnahme, die von einer flexiblen Dienstzeiteneinteilung abhängig ist.
Patientenanwalt Gerald Bachinger verweist auch auf die nö. Landesklinikenholding, die sämtliche Wartelisten auf der Homepage des jeweiligen Spitals veröffentlicht. "Das ist ein guter und vorbildlicher Schritt. Ich glaube, andere werden da nachziehen müssen." Durch das System können sich die Patienten besser orientieren, die Wartezeiten einzelner Spitäler vergleichen und gegebenenfalls eigene Wünsche einbringen. Etwa, die Operation in einem anderen Spital der Holding durchführen zu lassen.
Keine Kritik an Privatordinationen an sich
Generell sei gegen Privatordinationen von Ärzten nichts einzuwenden, betont man beim VKI. "Dies ist ein zusätzlicher Service für die Patienten." Aber: "Nicht zulässig ist es hingegen, wenn Ärzte den Eindruck vermitteln, dass mit dem Besuch in der Privatordination eine Bevorzugung im stationären Bereich erkauft werden könne; dazu zählt unter anderem auch die raschere Vergabe eines OP-Termins (Vorreihung auf der Warteliste). Auch dürfen Privatpatienten ohne Zusatzkrankenversicherung keine Leistungen im stationären Bereich erhalten, die nicht allen sozialversicherten Patienten zustehen. In der Privatordination erbrachte Leistungen (etwa Untersuchung, Diagnosestellung, Nahtentfernung im Rahmen der Nachbehandlung, Aufklärung und Beratung) sind von den Leistungen des stationären Bereichs eindeutig zu trennen." Ähnlich argumentiert Patientenanwalt Bachinger. "Ich habe sicher nichts gegen Privat- oder Wahlarztordinationen. Aber das Leistungs- und Auftragsprofil muss überprüfbar sein. Hier sind Qualitätskriterien besonders wichtig."
Privat versichert – schneller dran
Wer privat versichert ist oder vor der Operation in eine Privatordination geht, kommt früher dran. Das ergab vor kurzem auch eine Patientenbefragung des Instituts für Höhere Studien.
Studienleiter Thomas Czypionka und die Co-Autoren vom IHS stellten dazu erst im Herbst vergangenen Jahres fest: "Mit Hilfe der Patientenbefragung konnte die von den Patientenvertretern geäußerte Annahme, dass eine private Krankenzusatzversicherung bzw. eine private Zuzahlung bzw. ein Besuch einer Privatordination die Wartezeit verkürzen, bestätigt werden. Patienten mit einer privaten Krankenzusatzversicherung haben in Fondsspitälern (öffentliche Krankenhäuser mit öffentlicher oder privater Trägerschaft, keine reinen Privatspitäler, Anm.) eine signifikant kürzere Wartezeit als Patienten ohne private Krankenzusatzversicherung."
Die Autoren hatten 447 Patienten befragt. Die Hauptergebnisse: "6,5 Prozent der befragten Patienten wurde angeboten, die Wartezeit durch eine private Zuzahlung zu verkürzen, und 7,4 Prozent der befragten Patienten wurde angeboten, die Wartezeit durch den Besuch einer Privatordination zu verringern." Letzteres hat in Medizinerkreisen den Ruf der "Küss' die Hand'-Patienten", weil über den Umweg der Privatordination des behandelnden Arztes und Zahlung dann auch schnellere Therapie im Krankenhaus verheißen wird.
"Jeder Patient kann ja in ein Privatspital gehen", sagte Czypionka gegenüber der APA. Aber in ganz oder teilweise von der öffentlichen Hand finanzierten Krankenhäusern in einem solidarischem Gesundheitssystem seien derartige Zustände wohl inakzeptabel.
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