Gesetz soll Abriss des Hitlerhauses ermöglichen

The house in which Adolf Hitler was born is seen in the northern Austrian city of Braunau am Inn September 24, 2012. A suggestion to turn the Austrian house where Adolf Hitler was born into normal residential space has triggered a debate about how best to use an empty property still laden with historic baggage decades after World War Two ended. The man who became Nazi dictator was born in the house in Braunau on the Inn, a town near Salzburg on the German border, in April 1889. His family lived there only three years, but his link to the three-storey building has left an indelible mark. REUTERS/Dominic Ebenbichler (AUSTRIA - Tags: SOCIETY POLITICS)
Nach der Enteignung der Besitzerin könnte der Denkmalschutz ausgehebelt werden.

"Ich fahr’ mal schnell zum Hitlerhaus um einen Liter Milch" – ein Satz, der in Braunau künftig fallen könnte, geht es nach Gerhard Baumgartner, Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW). Seine Idee: Das Haus, in dem Adolf Hitler 1889 geboren wurde, abreißen und etwa einen Supermarkt hinstellen. Und damit verhindern, dass Neonazis nach Braunau pilgern.

Abreißen will es auch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Es solle, wie das Fritzl-Haus, "geschliffen" werden. Das Haus in Amstetten steht aber noch, nur der Keller wurde zugeschüttet.

Auch in Bezug auf den Denkmalschutz gibt es Unklarheiten: Sobotka sagt, dieser stamme aus der NS-Zeit: „Die Denkmalwürdigkeit ist nicht gegeben.“ Das Biedermeierhaus in der Braunauer Altstadt steht wegen seiner Fassade seit 1993 aber auch unter Ensembleschutz - so wie der gesamte Straßenzug.

"Fatale Fehlleistung"

Der Innenminister scheint vorgesorgt zu haben: Im Gesetz zur Enteignung der Besitzerin Gerlinde P., das gestern im Ministerrat beschlossen wurde, findet sich ein Paragraf, der den Schutz aushebeln kann. In den Erläuterungen zu §2 heißt es: "Dem Erreichen des Zieles dieses Gesetzesvorhabens sollen auch allfällige Erwägungen, etwa des Denkmalschutzes, nicht entgegenstehen."

Der internationale Denkmalpflege-Beirat ICOMOS hält den Passus für eine "fatale Fehlleistung", viel eher solle man das Haus als "authentischen Erinnerungsort" zur Aufklärung und Entmystizifierung der NS-Ideologie bewahren.

Im Pressefoyer nach dem Ministerrat taten auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) kund, dass ein Abriss nicht so einfach sei. Kern nennt den Denkmalschutz als Hürde. Mitterlehner schwebt eher eine "pädagogische Nutzung" für das Gebäude vor.

Unabhängige Experten beraten

Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, relativiert Sobotkas Vorschlag als "persönlichen Diskussionsbeitrag". Es gebe eine unabhängige Expertenkommission, die bis zum Nationalratsbeschluss im Herbst Vorschläge ausarbeiten soll.

Ein Abriss wird derzeit nicht ausgeschlossen, die Ideen gehen dem Vernehmen nach aber eher in Richtung einer Institution für Erwachsenenbildung oder Integration. Wie berichtet, hatten Volkshochschule und Volkshilfe schon im Vorjahr Interesse angemeldet. Es scheiterte dann aber an der Eigentümerin, die eine nötige Sanierung des Gebäudes untersagt hat.

Hitler-Grab entfernt

Der Braunauer Historiker Florian Kotanko hält jedenfalls nichts von einem Abriss. "Das löst unsere Probleme nicht. Die Konnotation Braunau/Hitler wird weiter bestehen." Er verweist auf Leonding: Dort wurde das Grab von Hitlers Eltern 2012 aufgelassen, "und trotzdem weiß jeder Neonazi, wo er hingehen muss, wenn er ihrer gedenken will", sagt Kotanko.

Laut Robert Eiter, Sprecher des oö. Antifa-Netzwerks, der die Auflösung des Hitler-Grabes forciert hatte, nahmen braune Umtriebe am Friedhof aber stark ab. "Wir wissen nur von einem einsamen Kerzerl, das 2013 aufgestellt wurde." Einem Hitlerhaus-Abriss kann er nichts abgewinnen. "Braunau ist anders als Leonding untrennbar damit verbunden."

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