Geplantes VP-Programm sorgt für Diskussionen

Geplantes VP-Programm sorgt für Diskussionen
Die Volkspartei spricht sich für eine europäische Armee aus - und sorgt für Neutralitätsdebatten.

Die ÖVP hat am Wochenende einen Zwischenentwurf für ihr neues Parteiprogramm vorgelegt, der wohl noch Stoff für viele Debatten liefern wird. Unter anderem denkt die Partei in ihrem "Evolutionsprozess" die Einführung des Mehrheitswahlrechts an, spricht sich für eine europäische Armee sowie Selbstbehalte bei der Sozialversicherung aus. Wie die ÖVP den Frauenanteil heben will, werde auch noch diskutiert, sagte Generalsekretär Gernot Blümel.

Basis für das neue Parteiprogramm - das derzeitige ist 20 Jahre alt - sind die Ergebnisse der Mitgliederbefragung, die Anfang Februar vorlagen. Der entsprechende Antrag für den Bundesparteitag soll im Parteivorstand am 20. April beschlossen werden, beim "Reformparteitag" am 12./13. Mai in der Hofburg sollen die Neuerungen diskutiert und dann beschlossen werden. Bis dahin wolle man noch breit diskutieren, deshalb sei der Inhalt noch veränderbar. "Da werden die Fetzen fliegen bei einigen Punkten", glaubt Blümel.

Streitpunkt Neutralität

Ein bestimmter Punkt ließ aber besonders aufhorchen: Klar verankert ist im Zwischenentwurf das Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht, aber auch zu einer gemeinsamen europäischen Armee. Dies sorgt besonders im Hinblick auf die Neutralität für Gesprächsstoff. Die Salzburger Nachrichten titelten gar online: "Volkspartei streicht Neutralität aus Parteiprogramm". Auch auf den sozialen Netzwerken ging sogleich die Debatte los.

Schnell betonte man in der Parteizentrale, man wolle Österreichs Neutralität dennoch keineswegs infrage stellen. Diese gehöre "selbstverständlich zu Österreich und ist in der Verfassung unseres Landes verankert". Schon jetzt gebe es die Beistandspflicht, EU-Battlegroups und Einsätze unter EU-Mandat. Es gehe um eine langfristige Weiterentwicklung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union, um nachhaltig die Friedensunion und den Wohlstand zu gewährleisten. "Eine Europäische Armee kann dabei eine mögliche langfristige Weiterentwicklung sein", hieß es vonseiten der ÖVP.

Streit um Wahlrecht

Auch die Gedanken zum Mehrheitswahlrecht werden schon heftig diskutiert: Die "Initiative Mehrheitswahlrecht" begrüßt den Zwischenentwurf; auch die SPÖ zeigte sich am Montag nicht abgeneigt von der Einführung des Mehrheitswahlrechts in Österreich. "Darüber kann man schon reden", sagte Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos im Ö1-"Mittagsjournal". FPÖ und Grüne sprachen sich hingegen strikt gegen ein Mehrheitswahlrecht aus. "Man soll nicht am offenen Verfassungsherzen herumexperimentieren", warnte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Grünen-Verfassungssprecherin Daniela Musiol glaubt, dass ein "gefährliches Spiel mit der Demokratie" betrieben wird, wenn man ein Mehrheitswahlrecht fordert.

Die insgesamt sechs Kapiteln und die Präambel, die der Zwischenentwurf enthält, sollen noch breit in der Partei diskutiert werden.

DEMOKRATIE UND STAAT

Neben Bekenntnissen zur parlamentarischen Demokratie, zum "konstruktiven Wettbewerb der politischen Parteien" und dem Rechtsstaat beinhaltet der erste Punkt im Zwischenentwurf des neuen Grundsatzprogrammes auch Diskussionsstoff. "Wir sprechen uns für ein Wahlrecht aus, das klare Regierungsverhältnisse unterstützt und die demokratischen Rechte der Opposition sichert", wird hier ein Mehrheitswahlrecht angedacht.

"Zu hohe bürokratische Lasten" müssten auf ein "erträgliches Maß verringert werden", geht man in Richtung Verwaltungsreform. Ein weiteres Anliegen ist ein "moderner Föderalismus" mit einer "zeitgemäßen Neuordnung der staatlichen Aufgaben und Kompetenzen" sowie transparenter Finanzflüsse. Auch für eine "moderne Netz- und Datenpolitik" setzt sich die Volkspartei im runderneuerten Parteiprogramm ein. Im Entwurf verankert ist auch das Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht.

ÖKOSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT

Im Wirtschaftspolitischen Kapitel tritt die ÖVP für eine "nachhaltige steuerliche Entlastung der Menschen und Unternehmen" ein. Erwerb von Eigentum müsse gefördert, anstatt Schulden gemacht werden. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes müsse verbessert, Anreize für die Niederlassung internationaler Fach- und Spitzenkräfte geschaffen werden. Die ÖVP setzt sich laut Entwurf auch explizit dafür ein, die Neuverschuldung nachhaltig zu stoppen und den Schuldenstand des Landes abzubauen.

GESELLSCHAFT UND GENERATIONEN:

"Wir bekennen uns dazu den Gesellschaftlichen Wandel in unserer Politik zu berücksichtigen" heißt es im nächsten Kapitel des neuen Parteiprogramms. Als "wesentliche Treiber von gesellschaftlichen Veränderungen" werden unter anderem Demografie, Migration und auch Digitalisierung aufgezählt. Es folgt ein Bekenntnis zum gleichberechtigten, partnerschaftlichen Miteinander von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen, etwa auch bei der Entlohnung. Eingefordert wird auch Toleranz gegenüber anderen Lebenszielen und kulturellen Ausdrucksformen.

Traditionsgemäß wird auch das Prinzip Leistung und Eigenverantwortung im neuen ÖVP-Programm hochgehalten. Diese müsse sich lohnen, Hilfe solle nach Möglichkeit stets "Hilfe zur Selbsthilfe" sein. "Wir sehen in der Sozialpolitik kein Monopol des Staates" wird auch festgehalten, Hilfsorganisationen seien künftig verstärkt als Dienstleister staatlich garantierter Leistungen einzusetzen.

LEBEN ND UMWELT:

Die ÖVP bekennt sich im Zwischenentwurf zur "uneingeschränkten Achtung vor dem menschlichen Leben - dem geborenen wie dem ungeborenen". In komplexen, ethischen Fragen wie zur Biotechnologie bekennt man sich "zu einer offenen und fundierten Diskussion", nicht alles, was technisch möglich ist, sei auch ethisch richtig, wird aber angemerkt. Sterbende Menschen sollten nicht gegen ihren Willen behandelt werden, heißt es außerdem, aktive Sterbehilfe wird aber explizit abgelehnt.

Im Gesundheitssystem macht die ÖVP einen Vorstoß in Richtung Selbstbehalte, dafür könnten etwa die Sozialversicherungsbeiträge reduziert werden, heißt es im Zwischenentwurf. Auch für eine "ambitionierte Klima- und Anti-Atompolitik" will die Volkspartei einstehen. Das Wohneigentum insbesondere für junge Familien müsse gefördert werden.

BILDUNG UND KULTUR:

"Wir bekennen uns zu einer differenzierten Schule, die den unterschiedlichen Begabungen und Interessen der Kinder entspricht", bekennt sich die ÖVP weiterhin zum "Erfolgsmodell Gymnasium" und tritt für eine Weiterentwicklung des "erfolgreichen dualen Systems" ein. Im Kindergarten sollen Sprach- und Grundkenntnisse gefördert werden. Sollte dies nicht ausreichen, müssten "gezielte Lernangebote" in Anspruch genommen werden. "Wer die Zukunftschancen unserer Kinder jedoch nicht unterstützt und zusätzliche Bildungsmaßnahmen für sie ablehnt, soll mit staatlichen Sanktionen rechnen müssen", heißt es weiter.

Einen Schwerpunkt will die ÖVP auch in diesem Bereich auf neue Medien legen. Der kritische und überlegte Umgang mit digitalen Produkten müsse gefördert werden. In der Kunst- und Kulturförderung spricht sich der Zwischenentwurf für mehr privates Engagement in der Förderung aus.

EUROPA UND DIE WELT:

Ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union darf im neuen Programm der ÖVP natürlich nicht fehlen. "Mit Blick auf die Weiterentwicklung der EU treten wir für eine gemeinsame europäische Armee ein" wird sogar am Prinzip der Neutralität gerüttelt. Ein Bekenntnis gibt es auch zur Aufnahme von (politischen und religiösen) Flüchtlingen. Illegale Migration müsse in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern verhindert werden.

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