Gedenken: Rot-schwarze Versöhnungsgeste

Gedenken: Rot-schwarze Versöhnungsgeste
Kanzler und Vizekanzler ehren erstmals gemeinsam Opfer der Februar-Kämpfe.

Zum 80. Jahrestag des Gedenkens an die Opfer des Bürgerkrieges vom Februar 1934 planen Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger einen gemeinsamen Akt: Am 11. Februar wollen sie einen Kranz beim Mahnmal der Opfer für ein freies Österreich (1934 bis 1945) am Zentralfriedhof niederlegen.

Faymann hat folgende Antwort auf die Kämpfe von 1934: „Bei allen Unterschieden gilt es das gemeinsame Ziel des Friedens, des Wohlstands und des sozialen Miteinanders zu gewährleisten. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind die Basis eines freien Österreich.“

Auch Spindelegger sieht darin „ein starkes Signal des Zusammenhalts“. Das sei „ein klares Bekenntnis zu Österreich und zu Europa abseits ideologischer Trennlinien und garantiert eine sichere Zukunft für unsere Heimat“.

Richtige Symbolik

Gedenken: Rot-schwarze Versöhnungsgeste
Auch der Historiker Wolfgang Maderthaner findet den Schritt „bemerkenswert“, denn über 1934 gibt es unter Wissenschaftern und Politikern bis heute „keine gemeinsame Lesart. Die Symbolik kann man nicht hoch genug einschätzen“. Folgen müsste jedoch eine wissenschaftliche Aufarbeitung der damaligen Ereignisse, „die für den Anfang einer langen Leidensgeschichte Österreichs stehen“.

2014 lassen Faymann & Spindelegger wiederaufleben, was auch vor 50 Jahren für Aufsehen sorgte . 1964 kam es unter Bundeskanzler Alfons Gorbach (ÖVP) und Vizekanzler Bruno Pittermann (SPÖ) zu einem historischen Handschlag und einer Gedenkveranstaltung am Zentralfriedhof vor den Gräbern der Opfer des Bürgerkrieges 1934 und des Faschismus (siehe Faksimile des KURIER-Covers vom 13. 02. 1964).

Gorbach verlangte in seiner damaligen Rede „Mut zur Selbstkritik“ und appellierte an die ÖVP, sich ihrer Geschichte zu stellen. Vizekanzler Pittermann betonte, wie wichtig es sei, „aus Irrtümern zu lernen“ und die richtigen Schlüsse aus der Vergangenheit zu ziehen.

Am 12. Februar 1964 wurde die ganze Bevölkerung in das Gedenken miteinbezogen, mittags von 11.55 und 12.00 Uhr , legten alle ihre Arbeit nieder. Präsident Adolf Schärf hielt über Radio und TV eine Rede an die Nation. Schärf hob hervor, dass sich die Menschen, die sich im blutigen Bürgerkrieg gegenüberstanden, in den Konzentrationslagern des Nazi-Regimes, wiedergefunden haben.

Ein Gedenkveranstaltung gab es auch 2004. Eine Enquête im Parlament beschäftigte sich mit den Februar-Kämpfen und der Rolle von Engelbert Dollfuß. Zu einer gemeinsamen historischen Aufarbeitung zwischen ÖVP und SPÖ kam es aber nicht.

Die politischen Gegensätze in der Ersten Republik waren groß, verstärkt wurden diese durch paramilitärische Verbände. Die christlich-soziale bis bürgerlich-nationale Heimwehr entstand unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, als Antwort bildeten Sozialdemokraten den Republikanischen Schutzbund.

Die Gegensätze eskalierten 1927: In Schattendorf (Burgenland) wurden bei einem Schutzbundaufmarsch zwei Personen von Mitgliedern einer kaisertreuen Frontkämpfervereinigung erschossen, darunter ein Kind. Am 15. Juli 1927 nach dem Freispruch der mutmaßlichen Täter kam es zu heftigen sozialdemokratischen Protesten, in Wien wurde der Justizpalast in Brand gesetzt, die Polizei schoss auf Demonstranten, es gab 89 Tote. Das führte zu einer weiteren Polarisierung zwischen Links und Rechts.

Anfang der 1930er-Jahre setzten sich in einer Reihe europäischer Staaten faschistische Bewegungen durch. Österreich blieb nicht verschont, vor allem die Heimwehr vertrat faschistische Ideen.

Hohe Arbeitslosigkeit

Bereits im März 1933 schaltete der christlichsoziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß das Parlament mittels kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz aus, kurz danach auch den Verfassungsgerichtshof. Die wirtschaftliche Situation verschlechterte sich dramatisch, Streiks nahmen zu, die Arbeitslosigkeit stieg und die Gehälter wurden gekürzt.

Am 12. Februar 1934 begann ein letzter Aufstand der Sozialdemokraten gegen die autoritär regierenden Christlichsozialen und Heimwehren unter Dollfuß.

Die ersten Schüsse fielen in Linz, die Kämpfe griffen dann auf Wien und andere Städte über. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) war zu diesem Zeitpunkt stark geschwächt, der Schutzbund militärisch nicht gerüstet. Die Niederlage gegen Bundesheer, Polizei und faschistische Heimwehr war nur noch eine Frage der Zeit. Die Kämpfe forderten mehr als 300 Tote, neun Sozialdemokraten wurden standrechtlich hingerichtet.

Seit den fatalen Bürgerkriegstagen 1934 sind in Österreich noch viele Fragen ungeklärt, auch zwischen SPÖ und ÖVP. Wer war Engelbert Dollfuß? Der von Mussolini beeinflusste autoritär herrschende Kanzler oder das Opfer eines fanatischen Nationalsozialisten? Ein Putschversuch von Nationalsozialisten am 25. Juli 1934 scheiterte, weil die Exekutive loyal blieb. Die Putschisten drangen bis ins Kanzleramt vor und erschossen Dollfuß.

Für die ÖVP ist Dollfuß ein Patriot, ein Porträt von ihm hängt heute noch im ÖVP-Parlamentsklub.

Gestritten wird auch darüber, wer damals Patriot, aber kein Demokrat war und umgekehrt: Wer war Demokrat, aber kein Patriot? Viele sehen darin nur eine plakative Fragestellung.

Offene Schuldfrage

Die SPÖ – und auch viele Historiker – lehnen die These von der geteilten Schuld ab. Die ÖVP argumentiert, dass auch Sozialdemokraten offensichtlich zu Gewalt bereit waren, im Parteiprogramm 1926 war von der „Diktatur des Proletariats“ die Rede und die Partei verweigerte 1931 den angebotenen Koalitionseintritt. Das Gegenargument: Die Formulierung kann nicht gleichgesetzt werden mit der Ausschaltung des Parlaments und der standrechtlichen Hinrichtung politischer Gegner.

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