Kleinlicher Streit um große Töchter
Wer hätte gedacht, dass der Auftritt von Andreas Gabalier letzten Sonntag beim Comeback des Formel-1-Grand-Prix in Spielberg das Potenzial zum Politikum hat? Wahrscheinlich niemand.
Der Volks Rock’n’Roller sollte die Bundeshymne vor 100.000 Fans singen. Was kann da schon schiefgehen? Viel offenbar, wenn man zwei Wörter nicht singt. Österreichs erfolgreichster Entertainer sparte bewusst die seit 2012 per Gesetz verankerten "großen Töchter" bei seinem Gesang aus.
"Ich habe die Hymne so gesungen, wie ich sie mit acht Jahren gelernt habe", war seine erste Reaktion. Sogleich machten die Frauenpolitikerinnen der Grünen gegen Gabalier mobil. Umso größer das mediale Getöse wurde, umso mehr schwang sich Gabalier zum Verteidiger der Ur-Version der Hymne auf und entfachte eine Stammtisch-Debatte.
Im KURIER-Interview geht Gabalier noch einen Schritt weiter und meint die gesamte Gender-Sprache ist übertrieben. Ex-ÖVP-Politikerin Maria Rauch-Kallat hält dagegen.
KURIER: Frau Rauch-Kallat, vor zwei Monaten feierte sich Österreich als tolerantes Land, weil Conchita Wurst den Eurovision Song Contest gewann. Nun wird die Passage "Töchter und Söhne" in der Bundeshymne zum Politikum. Wie empfinden Sie diese extrem unterschiedlichen gesellschaftlichen Meinungen?
Maria Rauch-Kallat: Ich kann nur sagen, die Diskussion ist mehr als merkwürdig.
Handelt Andreas Gabalier aus Überzeugung oder ist es ein cleverer Marketingtrick?
Andreas Gabalier ist ein exzellenter Marketing-Experte. Er weiß, das jede mediale Aufmerksamkeit sein Geschäft hebt. Deswegen sollten wir Andreas Gabalier eigentlich kein Forum mehr geben. Die neue Hymne ist Gesetz, und ich gehe nicht davon aus, dass es zu einer Änderung kommt. Deswegen fordere ich: Schluss mit dieser Debatte!
Es gibt auch viele Frauen, die sich auf die Seite von Andreas Gabalier stellen und meinen, die Zeile "Töchter und Söhne" verhilft ihnen nicht zu gleichen Verdienst für gleiche Arbeit ...
Das haben wir auch nie in Zweifel gezogen. Aber die Bundeshymne ist Symbolik – und nicht nur die Politik, sondern auch die Gesellschaft orientiert sich an Symbolen. Wenn die Söhne explizit in der Bundeshymne stehen, ist es legitim, dass auch die Töchter in der Hymne vorkommen. Es gibt viel Pro und Contra. Und ja, es gibt mit Sicherheit wichtigere Themen, aber diese Änderung war den Frauen wichtig, viel mehr als jetzt in allen Votings sichtbar wird.
War Ihr Vergleich mit dem Schließmuskel nicht etwas zu deftig?
Das war eine absolut simple Angelegenheit. Das ist nichts Unanständiges, der Vergleich ist nicht unter der Gürtellinie – auch wenn der Schließmuskel unter der Gürtellinie lokalisiert ist. Ich wollte damit sagen, jeder Mensch ist ein lernendes Wesen. Wir bleiben hoffentlich nicht auf dem Niveau eines Achtjährigen stehen. Das, und nichts anderes, wollte ich mit dem Vergleich ausdrücken.
Sie gelten als die "Mutter" der neuen Bundeshymne. Die Durchsetzung war Ihre letzte Handlung als Abgeordnete im Parlament. Wie viel von Ihrem Herzblut hängt in der neuen Bundeshymne drinnen?
Die Durchsetzung war strategisch sehr überlegt. Als Frauenministerin bin ich gescheitert, die Änderung durchsetzen. Im Parlament ist es dann einer Allianz von drei Frauen aus drei Parteien gelungen, eine Mehrheit zu bekommen. Auch das ist für mich ein wichtiges Signal, dass Frauen es schaffen, parteiübergreifend Allianzen zu schmieden. Ich bekam damals auch positive Rückmeldungen von sehr selbstbewussten Frauen.
Reihen Sie die Diskussion in die Kategorie Sommerloch ein?
Es gibt sicher lustigere Sommerloch-Themen. Ich gebe dazu sicher kein Interview mehr.
Sie werden auch schweigen, wenn Andreas Gabalier wieder die Bundeshymne in der alten Version singt?
Jeder, der Andreas Gabalier einlädt, die Bundeshymne zu singen, muss sich nach seiner Ankündigung bei der alten Version zu bleiben, bewusst sein, dass er damit ein Statement abgibt. Er steht jetzt für ein Signal. Ich weiß nicht, ob Unternehmen oder Sportverbände, ein Statement dieser Art abgeben wollen. Denn auch Frauen gewinnen Medaillen für Österreich.
KURIER: Herr Gabalier, mit Ihrer Weigerung die neue Bundeshymne in der "Töchter und Söhne"-Version zu singen, spalten Sie das Land. Was ist so schwer daran, zwei Wörter in den Text einzufügen?
Andreas Gabalier: Gar nichts. Ich verteidige die Ur-Version der Hymne, weil es für mich ein Stück Geschichte ist und die Hymne durch den neuen Text unrund ist. Ich würde mich im Grab umdrehen, wenn ein Text im Nachhinein von mir um getextet wird. Deswegen werde ich auch weiterhin die Hymne singen, wie ich sie mit acht Jahren gelernt habe.
Damit brüskieren Sie Frauenrechtlerinnen aller Couleur, die im Parlament jahrelang für die "Töchter und Söhne"-Zeile gekämpft haben ...
Weißt was mir auffällt? Die Politiker im Parlament wissen oft nicht mehr, wie die Menschen draußen ticken. Ohne die neue Hymne schlechtreden zu wollen, aber die Österreicher haben einfach keine Freude mit der neuen Version. Das habe ich auch schon bei der Ski-WM in Schladming gemerkt. Wenn die Hymne zur nun diskutierten Stelle kommt, hören die Menschen einfach auf zu singen. Da springt einfach nicht mehr der emotionale Funke über. Das finde ich traurig.
Frauen besingen Sie in Ihren Hits als Dirndln, Engerln und Zuckerpuppen. Ist das die Definition Ihres Frauenbilds?
Ich lasse mir jetzt meine Texte nicht als frauenfeindlich auslegen, nur weil ich von Dirndln singe. Wenn nun einige glauben, Sie müssen meine Texte auf die Waagschale legen, ist mir das wurscht. Alle meine Texte sind mit einem kabarettistischen Augenzwinkern geschrieben.
Wie denken Sie dann über die Frauenpolitik?
Ich bin sehr für Frauenrechte. Aber dieser Gender-Wahnsinn, der in den letzten Jahren entstanden ist, muss wieder aufhören. Damit vergrault man es sich vielmehr, als es nützt. Das hat für mich nichts mit Frauen-Wertschätzung zu tun. In einem Land wie Österreich, wo so viele Frauen zu Recht voller Selbstbewusstsein im Leben stehen, muss man nicht mehr jede Leistung einer Frau extra herausstreichen, wie bei einem kleinen Kind, das man loben sollte.
Der Großteil Ihrer Fans sind Frauen. Glauben Sie nicht, dass Sie jetzt einige Fans weniger anhimmeln werden?
Ganz und gar nicht. Ich glaube, ich habe neue Fans dazugewonnen. Jetzt erreiche ich Menschen, die ich bis jetzt nicht berühren konnte, die aber jetzt sagen: Jetzt wird mir der Gabalier auch noch sympathisch, weil er Mut hat. Seit Sonntag habe ich 50.000 neue Freunde auf Facebook, das geht derzeit durch die Decke.
Dass Ihnen FPÖ-Chef Heinz- Christian Strache gratuliert hat, stört Sie das nicht?
Ich bin kein Politiker und lasse mich auch von keinem Politiker vereinnahmen.
Empfanden Sie den Schließmuskel-Vergleich von Maria Rauch-Kallat im ZiB24-Studio als Beleidigung?
Ich ziehe vor Maria Rauch-Kallat den Hut, sie ist eine großartige Frau. Die Diskussion mit ihr war super und ging sehr niveauvoll über die Bühne. Ich muss ihr meinen Dank aussprechen.
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