"Früher hat man zu kreativ auch trickreich gesagt"

Griss sprach im Kreisky-Forum über politische Verantwortung
In der Kreisky-Villa sammelte die Leiterin der Hypo-Kommission vor SPÖ-Sympathisanten Pluspunkte.

Eines stellt der Gastgeber des Abends gleich von vornherein klar: "Alle Arten von Präsidentschaften schließen wir von vornherein aus dem Gespräch aus." Rudolf Scholten, Vorstand der Kontrollbank, Ex-Kulturminister und Präsident des Kreisky-Forums, hat Irmgard Griss zum Kamingespräch geladen – Ex-Höchstgerichtspräsidentin, Leiterin der Hypo-Untersuchungskommission und seither als mögliche Bundespräsidentschafts-Kandidatin im Gespräch.

Der Rahmen ist historisch: Das ehemalige Wohnzimmer des legendären SPÖ-Kanzlers der 70er- und frühen 80er-Jahre in der Wiener Armbrustergasse. Die Kreisky-Villa steht heute unter Denkmalschutz, als Begegnungsstätte für Symposien, Vorträge und Diskussionen. Das Publikum: Aktive und Politiker a.D., Manager, Medienleute und Intellektuelle.

Das Thema im Windschatten des Hypo-Desasters: "Was ist politische Verantwortung?" Irmgard Griss breitet nach Juristen-Art deduktiv analytisch, aber bildreich jene Philosophie aus, die sich auch durch ihren Hypo-Bericht zieht: Für strafbare Verfehlungen wie Untreue gibt es Gerichte. "Es braucht aber auch eine moralische Verantwortung." Nur, wer definiert diese und wie wird moralisches Fehlverhalten sanktioniert? "Wenn jemand Mist gebaut hat, kann er abgewählt werden. Aber was bringt uns das?", resümiert sie trocken. Am Beispiel der Hypo, wo Verantwortliche entweder nicht mehr leben oder nicht mehr in Funktion sind, "bringt uns das wenig. Da bringt uns mehr, dass wir Voraussetzungen schaffen, dass das in Zukunft nicht mehr passiert".

Die Juristin hält "ein ganzes Bündel von Maßnahmen" für nötig: "Bessere Auswahlverfahren von Politikern; mehr Konsequenz bei der Umsetzung von Vorschlägen des Rechnungshofes; mehr sachliche Information, damit die einzig mögliche Sanktion, die Abwahl eines Politikers, für die Bürger auch fundiert wahrnehmbar wird".

Über allem steht für Irmgard Griss aber die Rückbesinnung auf Werte, die "aus der Mode gekommen sind: Redlichkeit und Verlässlichkeit. Heute haben junge Menschen engagiert und kreativ zu sein. Früher hat man zu kreativ auch trickreich gesagt. Jemand, der nur redlich seine Arbeit tut, gilt als altmodisch".

Denn eines ist Griss bei der Aufarbeitung des "multiplen Systemversagens" bei der Hypo bleibend in Erinnerung: "Wir haben unseren Bericht nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben, ohne zu überlegen, wie was bei wem ankommen könnte. Bei unseren Kontakten mit der Politik hat mich erstaunt, welches Gewicht die Medienberater haben: Dass es nicht um die Sache geht, sondern dass für den Politiker die Medienarbeit die Sacharbeit ist."

Ob ihr Ausflug in die Welt der Politik ein einmaliger bleibt, ist auch nach dem Abend in der Kreisky-Villa offen. Sicher scheint, dass die Spitzenjuristin mit bürgerlichem Hintergrund im "Allerheiligsten" der Sozialdemokratie ein paar Sympathisanten mehr gefunden hat, die gerne auch mit ihr ein Stück Weges gehen würden.

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