Die grüne Galionsfigur geht fremd
Sie war Vorkämpferin gegen das AKW Zwentendorf und das Kraftwerk Hainburg – und erste Klubobfrau der Grünen: Freda Meissner-Blau. Und jetzt das: In diesem Wahlkampf drückt die Urmutter der Grünen nicht nur ihrer eigenen Partei die Daumen; sie unterstützt auch eine kleine Linkspartei namens „Der Wandel“.
Dort freut man sich über Meissner-Blaus Engagement; schließlich wollen die „Wandler“ in den kommenden Wochen auffallen. Die Konkurrenz ist nämlich groß und bunt: Von den „neos“ über die Monarchisten und die Männerpartei bis zur EU-Austrittspartei reicht die Palette jener Mini-Parteien, die kandidieren möchten – und dafür seit Dienstag bundesweit um Unterstützungserklärungen buhlen.
Das Grüppchen von „Der Wandel“ ist seit vergangenem September als Partei registriert. Das Kernteam zählt 30 Leute; diese definieren sich als „links-progressiv“. Als Wahlziel nennt Geschäftsführerin Daniela Platsch, im Brotberuf Ökonomin, „es auf den Wahlzettel zu schaffen“.
Meissner-Blau hat ihre Unterstützungserklärung bereits abgegeben, dazu eine Videobotschaft gemacht. „,Der Wandel‘ hat ein gutes Programm. Sie berühren alle Schwachpunkte unserer Politik wie ungerechte Verteilung oder den Klimawandel“, sagt sie im Video. Pikant: Beides sind grüne Kernthemen.
Meissner-Blau: „Der Wandel hat ein gutes Programm“
Stärker wird sie sich aber beim „Wandel“ nicht engagieren, erklärt Meissner-Blau auf KURIER-Nachfrage. Gefragt nach ihrer Motivation, befindet sie: „Ich finde prinzipiell, dass man junge Leute, die so engagiert und unzufrieden sind mit den Dingen, unbedingt unterstützen muss.“ Die ehemalige Grünen-Chefin ortet ein „Gegengewicht zur verständlichen Politikverdrossenheit“. Das Team würde vor Enthusiasmus sprühen.
Die Grünen, die selbst um jede Wählerstimme rittern, sind vom Engagement ihrer Galionsfigur für eine andere Partei naturgemäß nicht angetan. Nach außen hin gibt sich Geschäftsführer Stefan Wallner gelassen, ortet gar Positives: „Freda Meissner-Blau hat immer wieder junge politische Gruppierungen unterstützt. Sie leistet damit einen Beitrag für demokratische Vielfalt.“
Zwergerl-Budget
Finanziell ist die Mini-Partei für die Grünen keine Gefahr – das Wahlkampfbudget beträgt 15.000 Euro. Punkten will „Der Wandel“ mit der Forderung nach „einem guten Leben für alle“. Für einen Mindestlohn von 1500 Euro, 1000 Euro Mindestsicherung und höhere Steuern auf Kapitaleinkünfte treten die Neulinge ein. In den nächsten Tagen will Platsch potenzielle Wähler davon überzeugen, dass Wandel not tut. Meissner-Blau ist noch etwas skeptisch: „Ob das gelingt, ist eine andere Frage.“
Seit Dienstag können Kleinparteien Unterschriften für die Nationalratswahl am 29. September sammeln. „Wer antreten will, muss spätestens am 2. August um 17.00 Uhr 2600 Unterstützungserklärungen als Beilage zu den Landeswahllisten bei der Landeswahlbehörde abgeben“, erklärt Robert Stein, Leiter der Wahlbehörde im Innenministerium. Alternativ reicht die Unterschrift von drei Nationalrats-abgeordneten.
Auf Stimmenfang sind unter anderem die Monarchisten. Sie fordern etwa, dass Österreich wieder einen Monarchen bekommt – und dass Marihuana legalisiert wird; der Staat solle das Monopol haben. Zudem seien gewaltverherrlichende Computerspiele höher zu besteuern.
Ebenfalls nicht neu sind die Ziele der EU-Austrittspartei: raus aus der Union, zurück zum Schilling und massive Zuwanderungsbeschränkungen. Die Männerpartei hingegen begehrt „das Ende der Diskriminierung des männlichen Geschlechts unter quasi-matriarchalischen Strukturen“. Die Proponenten kämpfen gegen das „Zahlvatertum“, das Frauenministerium und für ein einheitliches Pensionsalter.
Vier-Prozent-Hürde
Der Parlamentsexperte Werner Zögernitz rechnet damit, dass es rund zehn Parteien auf den Wahlzettel schaffen. Kleinparteien, die an der Vier-Prozent-Hürde für den Nationalrat scheitern, helfen vor allem den Großparteien, sagt Zögernitz. „Wenn acht Prozent der Wähler ihre Stimme Kleinparteien geben, die an der Hürde scheitern, beträgt die Basis für die Mandatsverteilung nicht mehr 100 Prozent, sondern 92 Prozent.“ Für eine Mehrheit im Nationalrat seien dann nur noch rund 46 statt 50 Prozent nötig.
Von Marlene Stocker
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