Flüchtlinge: Schelling nennt Kosten von einer Milliarde

Hans Jörg Schelling will Anrechnung der Flüchtlingskosten
Der Finanzminister verhandelt mit Brüssel über die Anrechnung der Sonderbelastung.

Der KURIER berichtete schon vor Wochen von zu erwartenden Flüchtlingskosten von mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr. Diese Größenordnung stammte aus Quellen in Regierungskreisen, wurde aber von selbigen in der Öffentlichkeit klein- und schöngerechnet. Das Kalkül dahinter lautete offenbar: Zu hohe Flüchtlingskosten schaden dem Image der Regierungsparteien im Wahlkampf in Oberösterreich und in Wien.

Wackelt Nulldefizit?

Gegenüber Brüssel besteht jetzt ein anderes Interesse. In der EU-Hauptstadt versucht Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) die Kommission davon zu überzeugen, dass ein möglichst großer Teil an Flüchtlingskosten angerechnet – oder genauer – bei der Defizitbetrachtung für 2016 als Sonderbelastung herausgerechnet wird. Nur so kann das Wahlversprechen vom strukturellen Nulldefizit 2016 gehalten werden.

Zwar wird Schelling erst am kommenden Mittwoch seine Rede über das nächstjährige Budget halten, dennoch hat er in Brüssel bereits eine Größenordnung für die zu erwartenden Flüchtlingskosten genannt. Und siehe da: Schelling spricht in Brüssel von rund einer Milliarde Euro oder rund 0,3 Prozent des Budgets. Er zeigt sich auch zuversichtlich, mit der Kommission eine Einigung zu erzielen. "Wir müssen sicher sein, dass das nicht angerechnet wird."

Die vom Finanzminister genannte Größenordnung kann im Jahr 2016 unterschritten oder überschritten werden. Das haben Budgetrahmen so an sich, hieß es am Dienstag in seinem Kabinett. Eine valide Schätzung über die tatsächlich zu erwartenden Kosten gebe es im Finanzministerium nicht. Das habe jetzt – was die Integrationskosten von Flüchtlingen angeht – das Außenministerium unter Sebastian Kurz übernommen.

Doch 1,5 Milliarden?

Zur Erinnerung: In der Vorwoche herrschte große Aufregung wegen eines angeblichen Regierungs-Geheimpapiers, in dem von Flüchtlingskosten zwischen sechs und zwölf Milliarden (inkl. Familiennachzug) für die Jahre 2016 bis 2019 die Rede war. Sechs Milliarden für vier Jahre wären 1,5 Milliarden pro Jahr. Schelling kommentierte diese Zahlen mit "nicht nachvollziehbar".

Einen ähnlichen Kommentar erntete Staatsschulden-Wächter Bernhard Felderer, der auf rund 1,2 Milliarden Euro an Flüchtlingskosten pro Jahr gekommen war. Schelling: "Das hängt immer davon ab, was rechnet man hinein – Gesundheitskosten, Mindestsicherung usw., für die das Budget ja zum Teil gar nicht zuständig ist." Denn die Finanzierung der Mindestsicherung ist beispielsweise Ländersache.

Umso größer ist die Verwunderung, dass Schelling nun selbst von der Größenordnung von rund einer Milliarde Euro für 2016 spricht. Freilich ist tatsächlich noch nicht abschätzbar, wie viele Flüchtlinge noch kommen und wieviele in Österreich bleiben wollen. Bisher haben fünf Prozent aller ankommenden Flüchtlinge einen Asylantrag in Österreich gestellt, 95 Prozent sind nach Deutschland weitergezogen.

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