Flüchtlinge: Haltung der Österreicher immer ambivalent

Flüchtlinge in Traiskirchen
Anfänglicher Hilfsbereitschaft standen oft schnell Ängste bezüglich vieler Bleibender gegenüber.

Die Haltung Österreichs gegenüber ankommenden Flüchtlingen und Migranten war seit dem 2. Weltkrieg immer ambivalent. Anfänglicher Hilfsbereitschaft standen oft schnell Ängste bezüglich vieler Bleibender gegenüber. Dies wurde am Montag bei der Konferenz "Migration - Flucht Vertreibung Integration" des Clusters Geschichte der Ludwig Boltzmann Gesellschaft in Wien betont (bis 18. Oktober).

Bei der Konferenz geht es um eine zeitgeschichtliche Analyse der Flüchtlingsbewegungen, die Österreich in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat: Von der Fluchtbewegung nach dem Ungarnaufstand im Jahr 1956 über den "Prager Frühling", die Ausrufung des Kriegsrechts in Polen bis zu den Balkankriegen. Hinzu kamen die Odysseen jüdischer Menschen während des Holocausts und aus der ehemaligen UdSSR.

Fluchtgründe: Krieg, Vertreibung und jetzt das Klima

"Migration, gezwungenermaßen und nicht erzwungen, Flucht und Vertreibung sind so alt wie die Menschheit", betonte Stefan Karner vom Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung zu Beginn der Tagung. 1980 hätte man weltweit mit rund 22 Millionen Flüchtlingen gerechnet, aktuell gehe man von 56 Millionen Flüchtlingen aus. Kriegsereignisse und ethnisch motivierte Vertreibungen stünden als Ursachen im Vordergrund. Hinzu würde wohl in Zukunft auch der Entzug der Lebensgrundlagen aufgrund klimatischer Veränderungen etc. kommen.

Auch der ehemalige österreichische ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger (Internationales Zentrum für Migrationspolitikentwicklung) bemühte sich um eine Betrachtung über größere Zeiträume hinweg: "Es hat immer zwei bis drei Prozent der Weltbevölkerung auf der Reise gegeben." Das Ansteigen der Weltbevölkerung auf das Doppelte binnen weniger Jahrzehnte hätte eine wesentliche Auswirkung auf die Zahl von Flüchtlingen und Migranten gezeigt. Vor dem Zweite Weltkrieg sei Europa ein "Auswanderungskontinent" gewesen. Erst danach hätte sich die Situation umgekehrt. "Wenn wir alle zusammenarbeiten, werden wir das bewältigen", merkte er zur aktuellen Flüchtlingssituation an. In einer Grußbotschaft erklärte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), Österreich dürfe sich nicht auf dem Erreichten ausruhen.

Die Entwicklung des vergangenen Jahres

Weitgehend positiv sei die Reaktion Österreichs auf die Flüchtlinge in Ungarn nach dem Aufstand des Jahres 1956 gewesen, berichtete Ibolya Murber von der Westungarischen Universität Sopron. Rund 210.000 Menschen hatten damals - zum größten Teil über Österreich - ihre Heimat verlassen. "Es betätigten sich zahlreiche Helfer und Fluchthelfer. Flüchtlinge, die sich im Burgenland verirrten, wurden vom Bundesheer in Auffanglager gebracht. (...) Die ersten Flüchtlinge wurden in Österreich als Freiheitskämpfer empfangen", sagte sie. Allerdings hätte man nach einigen Monaten bemerkt, dass die Angekommenen nicht alle solche Freiheitskämpfer gewesen seien.

Trotzdem hätte die damalige Situation in Österreich eine günstige Lage geschaffen: Österreich sah sich als neu erstandene westliche Demokratie als überlegen an, bestätigte seinen Antikommunismus vor der Welt. Die Wirtschaftskonjunktur war gut, die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 konnte erstmals im Angesicht der Weltöffentlichkeit angewendet werden. Die Flüchtlinge wurden zu 51 Prozent in Überseeländern untergebracht, was Österreich zum größten Teil zu einem bloßen Transitland machte.

Umbrüche

"Es gab immer zu Beginn einer Flüchtlingswelle eine enorme Hilfsbereitschaft", sagte bei der Wiener Konferenz "Migration - Flucht Vertreibung Integration" am Montag der Wiener Zeithistoriker Maximilian Graf (Österreichische Akademie der Wissenschaften). Die entscheidende Frage für Politik und Gesellschaft sei aber dann immer die Frage "Wie viele bleiben?" gewesen.

Einen solchen Umbruch in der Einstellung gab es 1980 bis 1982 im Rahmen der Krise im kommunistischen Polen. 1972 hatte zwischen Österreich und Polen der visafreie Reiseverkehr vereinbart worden. 1980 hatte die Solidarnosc-Bewegung das kommunistische Regime an den Abgrund gebracht, wie Graf schilderte. Damit setzte aber bereits eine umfangreiche Migration nach Österreich ein, die sofort eher als Arbeitsmigration aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen Lage Polens interpretiert wurde.

"Kreisky stellte dann auch fest, dass über die Polenflüchtlinge in der Bevölkerung großer Unwille herrscht und man sich daher überlegen muss, die Visapflicht einzuführen", hieß es am 1. Dezember 1981 aus dem Ministerrat in Wien. Gegenüber "der Polenflut" müssten Maßnahmen ergriffen werden, wurde der damalige Bundeskanzler zitiert. Am 13. Dezember 1981 wurde damals in Polen das Kriegsrecht ausgerufen. Die wieder eingeführte Visapflicht reduzierte die Zahl der Ankommenden. Andere Staaten nahmen viele Polen auf. Ab Anfang 1982 sank die Zahl der polnischen Asylwerber von 29.000 auf 18.000 in Österreich. Es wurde erneut vor allem zu einem Transitland für Flüchtlinge. Wer blieb bzw. bleiben konnte, war in vielen Fällen am Aufbau einer polnischen Gemeinde - vor allem in Wien - beteiligt.

Ganz anders war zuvor die Entwicklung rund die damalige CSSR und dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes zur Beendigung des "Prager Frühlings" am 21. August 1968 gelaufen. "Zwischen 1948 (Etablierung des kommunistischen Regimes; Anm.) und 1985 verließen insgesamt 180.000 Ungarn das Land. 1968 flüchteten rund 70.000 Menschen. Aber etwa 80.000 befanden sich mit Genehmigung ganz legal im Westen", stellte Oldrich Tuma von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag fest. Es gab keine plötzliche Flüchtlingswelle großen Ausmaßes, die Grenzkontrollen blieben normal.

Zwischen den in den Jahren nach 1948 Geflüchteten und den Emigranten ab 1968 existierte aber ein großer Unterschied. Erstere hätten noch geglaubt, dass das kommunistische Regime bald zusammenbrechen würde. Die Letzteren hätten diese Hoffnung in der überwiegenden Mehrzahl nicht gehabt, aber trotzdem enge Verbindungen zur Heimat gepflegt und für Rückkoppelungen und Hilfe für die dortige Opposition gesorgt. Unmittelbar nach der Rückkehr der tschechischen Reformpolitiker unter Alexander Dubcek nach der Unterzeichnung des Moskauer Protokolls an ihre ursprünglichen Funktionen nach Prag kehrten laut Tuma sogar viele zunächst Geflüchtete wieder zurück. "Um dann (nach der Ablöse Dubceks; Anm.) wieder zu gehen, aber für immer."

Balkankriege

Extrem komplex gestaltete sich schließlich die Situation während und nach den Balkankriegen Anfang der 1990er-Jahre mit rund 3,7 Millionen Flüchtlingen unterschiedlichster Herkunft im Raum des auseinandergebrochenen Jugoslawien. Sie kamen zu verschiedenen Zeiten aus unterschiedlichen Regionen in den Nachbarländern, auch in Österreich an. "In Kroatien gab es rund 600.000 Flüchtlinge, in Bosnien-Herzegowina waren rund 2,2 Millionen Menschen auf der Flucht", schilderte Tamara Grieser-Pecar von der Universität Maribor. "115.000 Flüchtlinge kamen nach Österreich. 60.000 Menschen fanden in Österreich eine neue Heimat." Wohl auch damals und in den Folgejahren schwankte die Haltung in Österreich zwischen Hilfsbegeisterung und Ablehnung.

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