Flexibler Arbeiten: Gewerkschaft sagt All-In-Verträgen den Kampf an

Arbeiten, aber flexibel: Die Gewerkschaft schlägt einen weiteren Pflock ein
Streit um Überstunden: Pauschalabgeltung soll es nur für Manager geben.

Die Sozialpartner sollen sich auf flexiblere Arbeitszeiten einigen – so hat es die Regierung vorgeschlagen, so soll es bis Ende Juni passieren.
Nachdem Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund bereits festgehalten haben, dass Überstunden bei einem 12-Stunden-Tag jedenfalls bezahlt werden müssen und sich bei der Kinderbetreuung einige Fragen stellen (siehe Artikel unten), hat die Gewerkschaft nun einen dritten Pflock eingeschlagen. Denn Wolfgang Katzian, Vorsitzender der Angestelltengewerkschaft GPA-djp, will nun über eine Einschränkung der „All-inclusive-Verträge“ verhandeln. Diese sollten – wie ursprünglich vorgesehen – wieder auf Führungskräfte oder Besserverdiener beschränkt werden. Mit den „All-ins“ werden Normalarbeitszeit, Mehr- bzw. Überstunden, Reisezeiten, Sonn- und Feiertagsdienste sowie Rufbereitschaft pauschal abgegolten. Wegen der hohen Flexibilität und unbürokratischen Handhabe haben sich die Pauschalverträge inzwischen auf fast alle Tätigkeiten ausgebreitet. Laut Arbeiterkammer sind rund 20 Prozent aller Arbeitsverträge in Österreich betroffen – von einfachen Bürojobs bis hin zur Regalbetreuerin im Handel.


Versteckte Mehrarbeit

Katzian sieht in All-in-Verträgen „ein Werkzeug, um nicht bezahlte Überstunden zu vertuschen“ bzw. um Kollektivverträge auszuhebeln. Viele Arbeitnehmer wüssten nämlich nicht, dass ein All-in-Vertrag weder Kollektivvertrag noch Arbeitszeitgesetz außer Kraft setzt. Soll heißen: Auch bei Pauschalabgeltung müssen nur gesetzlich zulässige Überstunden geleistet werden, im Regelfall gilt also die tägliche Höchstgrenze von zehn Stunden Arbeit.
Um festzustellen, ob die Pauschale alle erbrachten Leistungen abdeckt, sind die Arbeitgeber zu einer jährlichen Überprüfung verpflichtet – die in der Praxis häufig unterbleibt. Die GPA bietet für die meisten Branchen einen „All-in-Rechner“ an. Die Auswertung der ersten 35.000 Anfragen ergab, dass 42,7 Prozent aller All-in-Beschäftigten mehr als 45 Stunden pro Woche arbeiten, 17,8 Prozent sogar mehr als 50 Stunden.
Die Wirtschaftskammer lehnt eine Einschränkung bei All-in-Verträgen jedoch ab. Von der flexiblen Regelung würden auch die Arbeitnehmer profitieren. Schließlich gebe es die Pauschalen auch dann, wenn vereinbarte Überstunden nicht geleistet werden. Katzian entgegnet: „All-in für alle wird es mit uns nicht geben.“

Wenn Mama und Papa an manchen Tagen etwas länger, man könnte auch sagen: flexibler, arbeiten, dann bleibt ihnen an anderen Tagen mehr Zeit für die Familie.

So preist, vereinfacht gesagt, Familienministerin Sophie Karmasin die positiven Seiten der von der Regierung angepeilten Flexibilisierung der Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden am Tag.

Unabdingbar für einen derart langen Arbeitstag ist, dass die Kinder während der Arbeitszeit der Eltern gut versorgt sind. Doch um die Betreuungssituation der Kleinsten ist es – allen Fortschritten zum Trotz – weiter nicht zum Besten bestellt. "Unabhängig davon, dass es für Kinder kaum zumutbar ist, zwölf Stunden am Stück in einer Betreuungseinrichtung zu verbringen, ist dies in der Praxis in den meisten Regionen Österreichs ohnehin nicht möglich – die Öffnungszeiten der Einrichtungen lassen dies gar nicht zu", sagt Markus Kaindl vom Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien zum KURIER.

Laut Statistik Austria sperrt jeder fünfte Kindergarten in Österreich schon vor 14 Uhr zu, weitere 26 Prozent halten nur bis 16 Uhr geöffnet. Und bis 18 Uhr oder länger haben von 100 Einrichtungen sechs offen (Grafik).

Flexibler Arbeiten: Gewerkschaft sagt All-In-Verträgen den Kampf an
Das Argument, dass bisweilen ja die Großeltern bei der Betreuung einspringen, gilt für Kaindl nur bedingt: "Arbeitgeber melden den Bedarf an flexibler Mehr-Arbeit zumeist eher kurzfristig an. Wenn aber ein Chef sagt ,Bitte bleiben Sie nächste Woche länger‘, dann ist das für die Familien jedenfalls eine Belastung und ein Organisationsstress – selbst wenn sie das Glück haben, dass Großeltern oder Nachbarn bei den Kindern aushelfen."

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