Finanzreferent Brenner tritt zurück

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Weihnachten bleibt er noch im Amt: Salzburgs Finanzlandesrat Brenner zieht die Konsequenzen aus der Spekulationsaffäre – und geht.

Es ist das Ende einer steilen Karriere: 340 Millionen Buchverlust sind zu viel für Salzburgs Finanzlandesrat – auch wenn er stets betonte, von den Spekulationsverlusten der Mitarbeiterin Monika R. nichts gewusst zu haben.

„Politische Verantwortung heißt, jetzt nicht davonzulaufen“, meinte David Brenner am Freitagnachmittag bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Er werde bis zum 16. Jänner einen Bericht erstellen, was passiert sei. „Als persönliche Konsequenz werde ich in der darauffolgenden Plenarsitzung am 23. Jänner diesen Bericht vorlegen und dann als Landeshauptmann-Stellvertreter aus der Regierung ausscheiden.“ Dieser Schritt sei „sinnvoll und notwendig“, er möchte seinen Beitrag leisten und sich aus dem politischen Spiel nehmen.

„Ich habe großen Respekt vor dieser Entscheidung und halte das für den richtigen Weg.“ Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller

Dass die Bundespartei kräftig Druck auf Brenner ausgeübt habe, um damit Landeshauptfrau Burgstaller Luft zu verschaffen, dementierte Brenner. „Es gab keinen Druck aus Wien. Das war ganz klar meine Entscheidung, die ich am Donnerstag Abend getroffen habe.“ Er habe Burgstaller danach in einem zwei Stunden langen Gespräch informiert. „Sie sah die Sache genauso wie ich.“

Die Amtsübergabe soll beim ersten Sonderlandtag im kommenden Jahr erfolgen. Bei dieser Sitzung will der Salzburger Landtag voraussichtlich auch einen U-Ausschuss zur Finanz-Affäre einsetzen. Einen Nachfolger nannte Brenner noch nicht. „Die Frage ist doch: Wer will das übernehmen?“

Karriere-Knick

Der 41-Jährige Brenner galt lange Zeit als Shootingstar in der Salzburger SPÖ, war auch als Kronprinz Burgstallers im Gespräch. 2005 wurde er Stellvertreter von Burgstaller in der Salzburger SPÖ, 2007 Landeshauptmann-Stellvertreter. Brenner glänzte in Verhandlungen mit dem Koalitionspartner; sein Krisenmanagement dürfte ihm nun aber zum Verhängnis geworden sein. Noch am 28. November trat Brenner samt seiner Mitarbeiterin Monika R. im Budgetausschuss des Landtages auf und erklärte, bei den Salzburger Finanzen sei alles in Ordnung. Gar Szenenapplaus gab es für R. – dabei hatte die bereits am 26. November ihre Vorgesetzten – Abteilungsleiter Eduard Paulus und Finanzlandesrat Brenner – über drohende Verluste in der Höhe von 340 Millionen Euro informiert.

Ein neues Finanzteam soll nun die Schadenshöhe minimieren – und eine möglichst kostengünstige Trennung von den riskanten Finanzprodukten veranlassen. Neben der Einsetzung eines U-Ausschusses will der Rechnungshof in Kürze mit der Prüfung beginnen. Der Finanzüberwachungsausschuss im Landtag berät über die weitere Vorgangsweise – und gegen Monika R. wurde Anzeige erstattet.

Update: Landeshauptfrau Burgstaller zollte der Entscheidung Brenners, zurückzutreten, "großen Respekt". Sie halte das für den richtigen Weg, persönlich tue er ihr leid, betonte Burgstaller. Politische Verantwortung bedeute auch, sich zurückzuziehen, "wenn ohne eigenes Verschulden, aber unter der politischen Zuständigkeit Dinge von derartiger Tragweite passiert sind". 

SPÖ-Vorsitzender Bundeskanzler Werner Faymann sagte in einer Aussendung: "Diese persönliche Entscheidung von David Brenner ist anzuerkennen und ich danke ihm auch für seine Bereitschaft, bis zu seinem Ausscheiden an der Aufklärung mitzuwirken".

Die ÖVP kommentierte den Rücktritt Brenners nur knapp und schreibt der Landeshauptfrau die Gesamtverantwortung für den Skandal zu. Für die Grünen ist der Rücktritt "relativ spät erfolgt". Die FPÖ fordert eine sofortige Neubesetzung des Finanzressorts.

Wer Brenner nachfolgen wird, darüber ist sich die SPÖ noch nicht im Klaren. Bis zur nächsten Landtagssitzung (vermutlich am 23. Jänner, Anm.) werde eine Entscheidung gesucht, hieß es aus der SPÖ. (APA)

Das Protokoll zum Salzburger Finanzskandal können Sie hier nachlesen.

Bevor Landesrat David Brenner seinen Abschied auf Raten von seinem Amt als Salzburger Finanzreferent verkündete, hat er noch eine umfangreiche Anzeige gegen jene Landesbedienstete erstattet, die ihn letztendlich Amt und Politkarriere gekostet hat: Landesbeamtin Monika R.

R. war zwölf Jahre lang in der Landesregierung tätig, sie galt als Finanzgenie, die dem Land durchaus Gewinne am heiß umkämpften und vor allem schwer durchschaubaren Finanzmarkt beschert hat.

Oder besser gesagt: Bis man ihr auf die Schliche gekommen war. Denn R. soll seit Jahren eine doppelte Buchführung unterhalten haben. So haben sie ein heimliches Finanz-Portfolio managen können, mit dem sie Verluste bei offiziellen Landesgeschäften wieder auszugleichen versuchte.

Brenner und den Beamten der Finanzabteilung ist bis heute nicht klar, in welchem Ausmaß R. spekulierte. Was erklärt, warum er erst am 6. Dezember zu den Justizbehörden ging, um Anzeige zu erstatten. R. wird wegen der Strafdelikte Untreue, Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung angezeigt. Brenner wirft der Beamtin vor „im Rahmen der finanziellen Verwaltung des Landesvermögens weisungswidrig spekulative Geschäfte getätigt zu haben und dabei extrem hohe Bewertungsverluste in einem inoffiziellen, ausschließlich von ihr selbst gemanagten Derivateportfolio in Höhe von 300 Millionen Euro zugefügt“ zu haben.

Weiters habe sie konkret gegen die Richtlinie für das Finanzmanagement dahingehend verstoßen, als sie „eine Vielzahl von Derivativgeschäften und Veranlagungen entgegen den ausdrücklich angewiesenen Bestimmungen der Richtlinie vorgenommen“ hat. Insbesonders habe sie zudem „durch die Etablierung eines inoffiziellen Derivat- und Veranlagungsportfolios (...) dieses einer strategischen Kontrolle und Steuerung durch den (...) Finanzbeirat entzogen.“

Weiters habe die Beamtin den Bundes-Rechnungshof unvollständig und unrichtig informiert, und nicht zuletzt „in zumindest sechs Fällen“ Urkunden gefälscht, indem sie (elektronisch eingefügte) Unterschriften eines Kollegen unter Dokumente gesetzt hat. Damit konnte sie das 4-Augen-Prinzip, wonach Geschäfte des Landes von zumindest zwei Beamten unterfertigt werden müssen, erfolgreich umgehen.

Das Land Salzburg hat sich der Anzeige als Privatbeteiligter angeschlossen, heißt es in der Strafanzeige weiter, da dem Land durch die Handlungsweise „voraussichtlich ein Schaden in noch nicht feststellbarer Höhe“ entstanden sei.

Wie alles begann

Inzwischen hat sich auch Brenners Vor-Vorgänger als Finanzlandesrat zu Wort gemeldet: ÖVP-Mann Wolfgang Eisl war von 2000 bis 2004 im Amt, und er war es, der erstmals beauftragt hatte, mit Landesgeld spekulieren zu lassen.

„Die damals einhellige Kritik der Finanzfachleute, Bankenvertreter aber auch des Rechnungshofes war, dass von den öffentlichen Haushalten zu wenig die auf dem Markt aktuell möglichen Zinsvorteile, besonders bei Fremdwährungskrediten, genutzt würden“, lässt Eisl über seinen Anwalt ausrichten. Es sollten nur „Vorteile, die der Geldmarkt geboten hat, in einem angemessenen und überschaubaren Umfang für das Land“ genutzt werden. Eisl führte das 4-Augen-Prinzip ein, und er führte eine weitere „Sicherung“ ein: Alle „Abrechnungen, Bestätigungen, Kontoauszüge und sonstige Schriftstücke“ der Banken müssen an die Finanzabteilung des Landes „unter Verschluss“ versendet werden.

Damit wollte Eisl sicherstellen, dass nicht ein einzelner Mitarbeiter Poststücke vorab entnehmen kann, ohne dass vorher „präzise der Posteinlauf in der Abteilung protokolliert wird und somit eine lückenlose Dokumentation“ möglich ist.

Eisl betont aber, dass unter der Regierung Burgstaller bereits 2006 das Gesetz geändert wurde. Seither heißt es dort, dass die Landesregierung „zur Deckung des laufenden Geldbedarfes“ zweckbestimmte Rücklagen, Kassenkredite, und Umschuldungen vornehmen könne sowie „Finanzgeschäfte“ durchführen könne, „wenn diese Maßnahmen einen wirtschaftlichen Vorteil für das Land erwarten lassen“.

Soll man Spekulationen der öffentlichen Hand künftig per Verfassung verbieten? Während die Bundesregierung noch zögert, melden sich nun die Grünen zu Wort: Sie würden für eine Verfassungsmehrheit zur Verfügung stehen, wenn die Finanzregeln verschärft würden, erklärte Finanzsprecher Werner Kogler im ORF-Radio.

Auch aus den Bundesländern mehren sich nun die positiven Signale. Tirols Landeshauptmann Günther Platter, aktuell Chef der Landeshauptleute-Konferenz, erklärte am Freitag, er sei für strengere Regeln für die Länderkassen offen. Man könne auch über eine Verfassungsbestimmung betreffend einheitlicher Regelungen diskutieren: „Ich bin ab sofort verhandlungsbereit.“

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer verweist im KURIER-Gespräch darauf, dass man weder Fremdwährungsgeschäfte noch Derivate abgeschlossen habe. Gegen eine entsprechende Regelung auf Bundesebene habe er keine Einwände: „Wenn man einheitliche Standards schafft, an die sich alle Gebietskörperschaften halten, kann man darüber reden.“

Es dürfe aber keine Zwangsmaßnahmen geben – wie eine für alle Länder zwingende Finanzierung über die Bundesfinanzierungsagentur. „Wenn man auf Augenhöhe mit uns verhandelt, ist durchaus auch eine Verfassungsrichtlinie zu überlegen.“

Auch Salzburgs VP-Chef Wilfried Haslauer kann sich strengere Regeln vorstellen.

Noch deutlicher wird Burgenlands Landeschef Hans Niessl im KURIER-Gespräch: „Ich bin dafür, dass diese Spekulationen gesetzlich verboten werden. Ich habe auch kein Problem mit einer Verfassungsregelung.“

Geht es nach Bernhard Felderer, Chef des Staatsschuldenausschusses, sollten dann künftig Fremdwährungskredite sowie reine Spekulationsgeschäfte mit Derivaten nicht mehr möglich sein.

Gleichzeitig bedürfe es auch deutlich schärferer Transparenzbestimmungen.

Früher, als alles besser und vieles einfacher war, hatten wenigstens Fahrräder einen Rücktritt. Man musste nur gegen die Fahrtrichtung treten, um zu bremsen. Heute ist jede Form von Rücktritt fast ausgestorben, auch David Brenner hat über eine Woche für den einzig richtigen Schritt gebraucht. Ein Politiker, der aus Überzeugung sein Amt zurücklegte, war Unterrichtsminister Theodor Piffl-Perčevič. Als er das 13. Schuljahr nicht durchsetzen konnte, nahm er seinen Hut. Das war 1969. Nach dem Einsturz der Reichsbrücke 1976 trat Stadtrat Fritz Hofmann zurück. Das war’s.

Seither krallen sich Politiker an ihr Amt, auch wenn die Würde schon längst verloren ist. Mit Verwunderung blicken wir nach Deutschland, wo politische Verantwortung stets mehr als eine Floskel war. Anklagen, Niederlagen oder Millionenverluste – da mögen andere zurücktreten. Der glückliche österreichische Politiker denkt sich sein Teil und wurschtelt weiter. Auch Frau Burgstaller wäre nach deutschen Maßstäben nicht mehr im Amt.

Auf der Suche nach den Motiven für die Absenz jeglichen Genierers hilft ein Blick in die Geschichte. Unsere Regierenden sind ja täglich von der Pracht vergangener Tage umgeben, egal, ob in den Gemäuern der Habsburger in Wien oder der Bischöfe im Salzburger Chiemseehof. Weltliche und kirchliche Herrscher spürten da eine göttliche Legitimation ihrer Regentschaft – oder taten zumindest so. Kaiser Franz II. gab unter dem Druck Napoleons sein Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation auf, aber nicht sein Kaisertum. Er machte halt 1806 als Kaiser Franz I. von Österreich weiter.

Neue Karriere nach Rücktritt möglich

Die durch die Insignien der Macht Gesalbten tun sich schwer, zwischen Person und Amt zu unterscheiden. Und fürchten, wieder als Person, nicht mehr als Amtsträger wahrgenommen zu werden. Dazu kommen Existenzängste wegen geringer Berufserfahrung und die Furcht, nie wieder in die Politik zurückzukönnen.

Auch hier hilft ein Blick nach Deutschland. Grünen-Chef Cem Özdemir trat 2002 zurück, weil er dienstlich erworbene Bonus-Meilen privat verwendet hatte. Sechs Jahre später wurde er Parteichef. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) legte 1996 das Amt der Justizministerin zurück, weil sie gegen die Überwachung durch den „Großen Lauschangriff“ war, seit 2009 ist sie wieder im Kabinett. Rudolf Seiters (CDU) trat 1993 als Innenminister zurück, als bei einer Polizeiaktion zwei Menschen getötet wurden. Er kam als Vizepräsident des Bundestags zurück. Egal, ob es um persönliches Versagen, inhaltliche Überzeugung oder politische Verantwortung ging, jeder wusste, was zu tun war. So retteten sie zuerst ihre Würde und bekamen wieder ein Amt.

David Brenner hat als Landesrat versagt. Seine Reputation kann er jetzt durch erfolgreiches Agieren in der Privatwirtschaft retten. So könnte ihn ein Leben jenseits der Politik für künftige öffentliche Ämter qualifizieren. Das wäre endlich mal ein positives Beispiel.

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