Schelling warnt vor teurem Scheidungskrieg

Hans Jörg Schelling bei der Fragestunde
"Freies Spiel der Kräfte". Nach dem Koalitions-Aus könnten im Parlament noch kostspielige Wahlzuckerln beschlossen werden.

Im Parlament könnte es bald heißen: Darf’s ein bissl mehr sein? Nicht nur für den Finanzminister droht jede künftige Sitzung des Nationalrats bis zur Wahl im Oktober ein Horror zu werden: Im Hohen Haus soll nun das "Spiel der freien Kräfte" (Kanzler Kern) gelten. Das gab es zuletzt am 24. September 2008, kurz nachdem der damalige ÖVP-Chef Molterer dem damaligen SPÖ-Kanzler Faymann die Koalition aufkündigte ("Es reicht").

"Unwürdiges Spiel"

Die Folge der Abstimmung im Parlament – ohne vorige Abstimmung im Ministerrat – waren als Beschlüsse getarnte Wahlzuckerln quer durch alle Bereiche, etwa eine Pensionserhöhung mit Einmalzahlung, die Verlängerung der Hacklerregelung, die 13. Familienbeihilfe, die Abschaffung der Studiengebühren, eine Pflegegeld-Erhöhung sowie ein Heizkostenzuschuss für Senioren. Kosten für den Steuerzahler: rund drei Milliarden Euro.

ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling warnte eindringlich vor wieder einem "hemmungslosen Geldausgeben" und vor "Milliardengeschenken". Die Beschlüsse von 2008 würden den Steuerzahler heute noch jährlich rund 4,3 Milliarden Euro kosten. Schelling: "Hochgerechnet wurden für diese Wahlzuckerln bis heute insgesamt rund 30 Milliarden Euro ausgegeben."

"Ein unwürdiges Spiel wie 2008 darf es nicht wieder geben", verlangte auch Neos-Chef Matthias Strolz. Er will einen "Pakt der Verantwortung", um Wahlzuckerln zu vermeiden – ein Vorschlag, der im Plenum (vorerst) wohlwollend aufgenommen wurde.

Trotz des Ablebens der Regierung Kern I. versicherten sich die Spitzen von SPÖ und ÖVP gegenseitig, einige der zuvor gemeinsam beschlossenen Reformen auch noch gemeinsam umzusetzen.

Aktion 20.000
Das Sozialministerium hat bereits einen Gesetzesentwurf für das Beschäftigungsprogramm für die über 50-jährigen Arbeitslosen vorgelegt. Demnächst hätte es im Ministerrat beschlossen werden sollen, mittlerweile wurde vereinbart, dass es eines der ersten Regierungsprojekte sein wird, das direkt ins Parlament kommt.

Gefeilscht wird noch um das Geld: Das Finanzministerium befürchtet, dass die Kosten mit 1,2 Milliarden Euro doppelt so hoch werden könnten wie im Regierungsprogramm vereinbart (680 Millionen Euro). Mit dem Geld sollen 20.000 Jobs in den Gemeinden und beim Bund subventioniert werden. Im Juli sollten in jedem Bundesland Pilotprojekte starten. Eine Einigung ist wahrscheinlich.

1500 Euro Mindestlohn
Derzeit verhandeln die Sozialpartner über die generelle Anhebung des Mindestlohnes auf 1500 Euro bzw. im Gegenzug über die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die SPÖ eigenmächtig eine Gesetzesinitiative für einen höheren Mindestlohn im Parlament einbringt. Von der Wirtschaftskammer heißt es, man habe den Auftrag, bis Ende Juni einen Entwurf vorzulegen – "und dabei bleibt es", betont ein Sprecher.

Sollten eine Einigung der Sozialpartner scheitern, ist eine gesetzliche Lösung denkbar. FPÖ und Grüne würden mit der SPÖ stimmen.

Kalte Progression
Die Abschaffung der "schleichenden Enteignung" ist ab 2021 geplant. Kosten: rund eine Milliarde Euro. Auch FPÖ-Chef Strache hat an dieser Maßnahme Interesse bekundet. In der Koalition wurde wochenlang gestritten, wie die Entlastung ausgestaltet werden soll. Machen sich Rot & Blau auf die Suche nach den fehlenden Stimmen für rot-blauen Testlauf?

SteuerhinterziehungDie SPÖ hat ein Paket gegen die Steuervermeidung von internationalen Großkonzernen wie Google & Starbucks präsentiert. Die Maßnahmen würden nichts kosten, sondern bis zu einer Milliarde Euro bringen. Grüne, Neos und FPÖ könnten mitziehen, sollte die SPÖ im Parlament aktiv werden. Allerdings sind die Vorstellungen der Parteien hier doch relativ weit auseinander, vieles müsste überdies in Brüssel von der EU geregelt werden.

Enger Zeitplan

Vor der Sommerpause sind nur mehr zwei Sitzungswochen des Parlaments geplant. Eine neuerliche Sitzung findet dann erst am 20. September – wenige Wochen vor der Wahl am 15. Oktober – statt.

Bis dahin, wird nicht nur im Finanzministerium befürchtet, könnten noch einige Wahlzuckerln unter den Parteien paktiert und gleich beschlossen werden. Zudem können in der Sommerpause jederzeit Sondersitzungen einberufen werden.

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