Finanz- oder Wirtschaftsministerin: Kurz setzt auf Casinos-Managerin

Bettina Glatz-Kremsner, Sebastian Kurz
Bettina Glatz-Kremsner: Die Finanz-Chefin aus dem Glücksspielkonzern spielt eine Schlüsselrolle beim Koalitionspoker und auf der Ministerliste.

Bei den Koalitionsverhandlungen geht es jetzt ans Eingemachte, wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagt. Die türkis-blaue Ansage wie etwa eine große Steuerreform haben ÖVP und FPÖ noch nicht gefunden. Die Botschaft ist bisher mehr eine atmosphärische: Die Verhandlungen laufen konstruktiv und mit gegenseitiger Wertschätzung ab.

Doch fördert der "neue Stil" auch neue Inhalte zutage? Ein Verhandler sagt: "Die Veränderung müssen wir noch mit Leben erfüllen. Da wird Klartext zu reden sein."

Das ist Sache der Chefs. Die Inhalte aus dutzenden Sitzungen wurden an die oberste Steuerungsgruppe von Sebastian Kurz und Strache eingemeldet. Am Freitag begab sich die Gruppe mit offenem Ende auf die Suche nach Lösungen.

Steiler Aufstieg

Im Team von Kurz spielt dabei eine Frau eine sehr wichtige Rolle, die bisher der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannt ist: Casinos-Finanzchefin Bettina Glatz-Kremsner (55), die erst im Sommer ÖVP-Mitglied, aber sogleich Vize-Parteichefin wurde.

Nun ist die Top-Managerin als nächste Finanz oder Wirtschaftsministerin im Gespräch, erzählt ein Koalitionsverhandler und sagt: "Es gibt sonst schlicht keine Frau in ihrer Liga. Sie muss sich nur entscheiden, was sie selbst will."

Soll heißen: Statt in die Politik zu gehen, könnte Glatz-Kremsner, die quasi nebenbei Aufsichtsratschefin bei der EVN und Aufsichtsrats-Vize beim Flughafen Wien ist, auch an die Spitze der staatlichen Beteiligungsholding ÖBIB wechseln, die neu aufgestellt werden soll. Sie selbst wehrt solche Spekulationen ab: "Da müssen sie jene fragen, die mich angeblich ins Gespräch bringen."

Die Vorarbeit ist geleistet: Die Netzwerkerin und für Fleiß und Kompetenz geschätzte Managerin leitet auch den wichtigen Cluster "Standort". Dort wird der Bogen von den Finanzen über die Energie bis zur Infrastruktur besonders weit gespannt. Ob das Wirtschaftsressort freilich der ÖVP erhalten bleibt, ist nicht fix. Gut möglich, dass die FPÖ die Wirtschaft im Ausgleich zum Finanzministerium der ÖVP für sich beansprucht.

Glatz-Kremsner dürfte am ehesten Finanzministerin werden, ist zu hören, falls Ex-Rechnungshofpräsident und Föderalismus-Reformer Josef Moser am Widerstand der Länder scheitern sollte.

Kurz kennt Glatz-Kremsner aus der Zeit, als er 2011 Integrationsstaatssekretär wurde. Sie war Gründungsmitglied des Vereins "Wirtschaft für Integration". Politisch sozialisiert wurde "Tini", wie sie Freunde nennen, in Niederösterreich, wo sie sich Anfang der 1980er-Jahre als Wahlhelferin von Erwin Pröll engagierte. Bei der Landtagswahl 2013 leitete sie Prölls Personen-Komitee.

In den Casinos hat sich Glatz-Kremsner, die ihre Jugend in Ungarn verbrachte, in 27 Jahren nach oben gearbeitet. Ihr Förderer: Der legendäre Casinos-Chef Leo Wallner.

Was ihr für die "Schlangengrube Politik" eventuell fehle, sagen Weggefährten, sei die "dicke Haut" und der "gewisse Schmäh". Freunde beschreiben sie als "knochentrocken". Auf die Frage, ob sie bloß der verlängerte Arm St. Pöltens im Team Kurz sei, sagt sie, die trockene Art bestätigend: "Ich bin kein verlängerter Arm, sondern eine Frau in der Wirtschaft, die versucht, im Interesse des Standorts Inputs für die wichtigen Themen zu bringen."

So ein Input ist die Arbeitszeitflexibilisierung, wobei der 12-Stunden-Tag in ihrem Fall oft die Untergrenze darstellen dürfte. Das Thema begleitet die Wahlniederösterreicherin aus Pöggstall, nahezu täglich. Koalitionsverhandlungen und Vorstandsjob unter einen Hut zu bringen, ist Stress pur. Dazu Glatz-Kremsner: "Es lässt sich vereinbaren, aber nur mit großer Disziplin, ein paar Urlaubstagen und dicken Arbeitspaketen für meine Wochenenden."

Simone Stribl (ORF) über die Koalitionsgespräche

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