"Django wird Neuwahlen andenken"
Der Politologe Peter Filzmaier hat die Polit-Analyse fast monopolisiert. Im Superwahljahr 2015 ist er im Dauereinsatz. Für den KURIER gibt er seine Prognose für die vier Landtagswahlen und die Zeit danach ab.
KURIER: Herr Filzmaier, am 1. Mai gab es den Startschuss für den Wahlkampf in vier Bundesländern. Es stehen drei rote und ein schwarzer Landeshauptmann zur Wahl. Wer wird als größter Verlierer aus der Wahl gehen?
Peter Filzmaier: Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass sich nichts ändert. Selbst bei relativ großen Stimmenverschiebungen.
Vier Bundesländer wählen, aber alles bleibt beim Alten?
Es wird in allen vier Bundesländern ähnlich ablaufen. Die Landeshauptmann-Partei wird Stimmen verlieren, aber in einem Ausmaß, mit dem man leben kann.
Überall kann wahrscheinlich die bisherige rot-schwarze, rot-grüne beziehungsweise schwarz-grüne Koalition bequem weiterregieren. Dreier-Koalitionen kommen deswegen nicht infrage, weil sich viele Parteien gegenseitig blockieren. In Wien hat es Häupl leicht. Wenn es mit den Grünen nicht klappt, wird die ÖVP von der Bürgermeisterpartei nur das Türschild und die Visitenkarten bei den Koalitionsverhandlungen verlangen. In der Steiermark machen Voves und Schützenhofer weiter. Egal, ob die Reformpartner 55, 60 oder 65 Prozent schaffen. In der Steiermark bekommt rot-schwarz selbst bei Verlusten sogar einen Landesrat dazu, weil das Proporzsystem abgeschafft wurde. Und in Oberösterreich: Warum sollte Pühringer nicht mehr mit den Grünen in die Koalition gehen? Und im Burgenland haben SPÖ und ÖVP sicher 82 Prozent gemeinsam.
In der Steiermark steht das Experiment der Reformpartnerschaft zur Wahl. Wird ein gutes Wahlergebnis ein Reformimpuls für die Koalition auf Bundesebene sein?
Es könnte ein Symbol sein, um die Big Spender- und die Klientel-Politik endlich zu beenden. Die Verluste bei den steirischen Gemeinderatswahlen waren weit geringer als vorausgesagt. Was bei der Steiermark allerdings fehlt, ist die Zukunftsvision. Die Steirer akzeptieren, dass gespart werden muss, aber sie können noch keinen Vorteil daraus erkennen. Wenn nur die drohende Pleite das Sparmotiv ist, dann ist da ziemlich frustrierend.
Wie hoch ist der Landeshauptmannbonus von Franz Voves in der Steiermark?
Der liegt bei fünf bis zehn Prozentpunkten. Franz Voves ist das stärkste Wahlmotiv für die SPÖ Steiermark.
Haben die Neos aus den Schlappen der letzten Wahlen gelernt?
Die Neos haben in Graz und Graz-Umgebung eine gute Chancen, das wichtige Grundmandat zu schaffen. Sie dürfen sich keine weiteren Fehler mehr leisten. Ich habe einmal in einem Interview gemeint, die Neos können nichts falsch machen, weil sie auf einer positiver Welle mitschwimmen. Sie haben nur bei den letzten Wahlkämpfen in einer tragisch-komischen Form versucht, den Gegenbeweis anzutreten. Im Burgenland hoffen die Neos auf die Wien-Affinität. In Oberösterreich können die Neos nicht von der Schwäche der ÖVP profitieren. Denn die oberösterreichische ÖVP gehört zu den wettbewerbsfähigsten.
Im Gegensatz zur Wiener ÖVP?
In Wien schaut es besser aus – aber die Träume von einem zweistelligen Ergebnis wird es für die Neos nicht spielen. Generell haben die Neos nur das Problem, dass sie immer gesagt haben, dass sie regieren wollen. Aber das wird sich in keinem Bundesland ausgehen. Das ist aber ihre Geschichte. Sie sind angetreten mit dem Slogan, wenn wir mitregieren, wird eine andere Politik gemacht. Die Neos-Wähler erwarten sich auch eine Regierungsbeteiligung.
Das leichteste Spiel hat Landeshauptmann Hans Niessl. Was ist sein Erfolgsfaktor?
Niessl verkörpert genau das, was in der SPÖ zu den scharfen Konflikten führt. In der Sozial, Bildungs- und Gesundheitspolitik vertritt Niessl durchaus linke Standpunkte. Aber dort, wo zwei Drittel der SPÖ-Wähler mitte-rechts ist, wie etwa bei der Sicherheitspolitik, ist Niessl auch mitte-rechts. Damit kann er die Flanke gut abdecken.
Gibt Niessl eine Linie vor, wie zukünftige SPÖ-Parteichefs Politik machen sollen?
Wenn die SPÖ seit Kreisky-Zeiten über eine Million Wähler an die Freiheitliche Partei verloren hat, dann werde ich bei diesen Wählern nicht durch Abgrenzung erfolgreich sein. Wenn man das ideologisch will, dann muss man den Preis dafür bezahlen. Auf der Bundesebene zahlt ihn die SPÖ dafür.
Hat sich Wiens Bürgermeister Michael Häupl durch die Blockierung der Wahlrechtsreform als schlechter Demokrat enttarnt?
Er hat sich im Ränkespiel der Politik als Profi erwiesen. Aber ein staatsmännischer Touch schaut anders aus. Gerade Häupl, der weiß, dass er nach der Wahl mehrere Mehrheitsvarianten zu Hand hat, hätte viel mehr über den Dingen stehen können. Das hätte er sich durchaus leisten können.
Die Grünen sprechen zwar von größtem Vertrauensverlust, bleiben aber trotzdem in der Koalition. War das strategisch der richtige Weg?
Das zeigt die Alternativlosigkeit der Grünen, um Regierungspartei zu bleiben. Mittlerweile ist das stärkste Wahlmotiv der Grünwähler auch die Regierungsbeteiligung. Aber im Sinn der Glaubwürdigkeit hätten sie den Schritt aus der Koalition machen müssen. Das hätte auch eine Neuauflage der rot-grünen Koalition glaubwürdiger gemacht. Der Erfolg von Maria Vassilakou vor fünf Jahren war, dass sie schon vor der Wahl den Draht zu Michael Häupl gefunden hat. Genau diese Stärke hat sie nun zur Schwäche gemacht.
Wem werden die Mariahilfer Straße, Parkpickerl & Co. mehr schaden?
Die Verluste werden bei der SPÖ größer sein. Aber da schwappt vieles hinein, auch die negative Bundesstimmung und weniger die Mariahilfer Straße oder das Parkpickerl. Die Grünen werden Plus-Minus beim letzten Wahlergebnis landen. Aber es ist vollkommen egal, ob sie elf, 12 oder 13 Prozent bekommen. Was sie gewinnen müssen, ist das Verhandlungsspiel hinter den Kulissen.
Ist der Lehrer-Sager von Häupl im Herbst schon vergessen?
Das kann die SPÖ nur hoffen. Denn immerhin ist der Bürgermeister formal auch Präsident des Landesschulrats. Er hat also seine Mitarbeiter beleidigt, was anderen Parteien viel Angriffsfläche bietet.
Wie bewerten Sie die Chancen der FPÖ?
In der Steiermark sehe ich keine Chance, dass sie die SPÖ überholt. Aber in Oberösterreich ist das durchaus möglich. In aktuellen Umfragen ist die SPÖ nur mehr knapp vorne und steht bei einem historischen Tiefstand. Wenn die SPÖ auf den dritten Platz rutscht, hätte das in der SPÖ enorme symbolische Sprengkraft. Dieses Szenario ist nicht unrealistisch. In Wien geht es für Heinz-Christian Strache um die symbolische 30 Prozent-Marke, doch wird da weiterhin niemand mit der FPÖ zusammenarbeiten.
Welche Konsequenzen werden die Wahlen für die Koalition auf Bundesebene haben?
Faymann sitzt nach der Steuerreform fester im Sattel als vor einigen Monaten. Wie fest das wirklich ist, weiß ich nicht. Deswegen muss er auf Stabilisierung setzen. Mitterlehner muss sich hingegen die Frage stellen: Vertraue ich wirklich darauf, dass meine besseren Umfragewerte nachhaltig sind, bis zur Wahl im Herbst 2018? Ich weiß schon, dass die ÖVP eine christdemokratische Partei ist, aber das wäre doch ein bisschen sehr viel Gottvertrauen. Das ist die unterschiedliche Strategielage, die spannend wird.
Sie rechnen damit, dass die ÖVP nach den Landtagswahlen über Neuwahlen nachdenkt?
Wenn die Wahlen für die ÖVP gut ausgehen, muss Mitterlehner sich die Frage stellen: Lasse ich es drauf ankommen und gehe ich aufs Ganze? Das hängt auch mit seinem Alter zusammen. Er ist fast 60. Da kann Mitterlehner, alias Django, sagen: "Okay, entweder werde ich jetzt Kanzler oder das war’s für mich."
In Wahlzeiten ist Peter Filzmaier praktisch omnipräsent am TV-Bildschirm und bewältigt ein beachtliches Arbeitspensum: Neben dem ORF-Vertrag hat eine Teilprofessur an der Universität Graz. Dazu hält er Vorlesungen an der Universität für Weiterbildung in Berlin und ist ein gut gebuchter Diskussionsleiter. 2012 kaufte er die Mitgesellschafter seines Unternehmens ISA Dietmar Ecker und Wolfgang Rosam aus und ist seither allein der Chef von rund zehn Mitarbeitern.
Filzmaier (47) studierte an der Uni Wien Politikwissenschaft, Publizistik und Kommunikationswissenschaft sowie Jus. 1993 promovierte er, 2001 folgte die Habilitation.
Kommentare