Felipe teilt aus: "Eva Glawischnig ist der größere Verlust als Peter Pilz"

Trotz mieser Umfragen: Parteichefin Felipe peilt Zweistelligkeit an.
Über interne Streitigkeiten, den Alleingang von Peter Pilz und das Wahlziel der Grünen.

KURIER: Mit Bruno Rossmann und Wolfgang Zinggl sind gestern zwei alt gediente Grüne von Bord gegangen. Ein schmerzhafter Aderlass?

Ingrid Felipe: Wir haben beiden angeboten, weiter mit uns zu arbeiten. Dass sie auf der Suche nach Mandaten andere Möglichkeiten gesucht haben, ist bedauerlich. Aber wir haben in diesen Fachbereichen durchaus neue Kandidaten.

Peter Pilz hat sich mit einem Brief von den Grünen verabschiedet. Gelesen?

Ich war einigermaßen erstaunt, dass darin vieles nicht vorkommt, das die Grünen in den vergangenen Jahren erreicht haben. Wir sind etwa die erfolgreichste Grünen-Partei Europas und gestalten in sechs Landesregierungen mit.

Die Gegenwart sieht weniger rosig aus. Wie viele Prozentpunkte und Mandate wird Peter Pilz die Grünen kosten?

Ich traue mich das nicht einzuschätzen. Aber jede Partei – und diese Liste wird früher oder später alleine wegen der Parteienfinanzierung eine Partei sein – ist eine Konkurrenz und kann möglicherweise Wähler abwerben. Aber wir haben ein ganz anderes Angebot. Bei uns geht es ganz zentral um die wesentliche Frage des Klimawandels und des Klimaschutzes. Da gibt es nur uns.

Sind Sie enttäuscht über den Alleingang von Pilz?

Ich bin enttäuscht. Auch über die Art und Weise, wie er jetzt mit seiner Partei abrechnet. Er hat die Grünen mitgegründet und 31 Jahre lang mitgeprägt.

Einer seiner zentralen Kritikpunkte ist, dass sich die Grünen zu wenig um den politischen Islam gekümmert haben. Hat er damit nicht recht?

Wir setzen uns mit der Frage von Kirche und Staat, unabhängig von der Religion, intensiv auseinander. Es braucht eine klare Trennung zwischen Politik und Religionen. Man darf aber nicht alle Muslime verurteilen.

Aber es ist ja kein Verurteilen, wenn man sagt, dass Erdoğan versucht, über Vereine in Österreich Einfluss auf hier lebende Menschen zu gewinnen.

Das ist eine Politik, die Religion missbraucht. Aber wenn man Erdoğan vorwirft, er missbraucht Religion für seine politischen Ziele, sollte man nicht das Gleiche tun.

Ihre Partei ist zuletzt vor allem durch interne Streitigkeiten aufgefallen. Fehlt da jemand, der den Deckel draufhält?

Warum momentan so viel zusammenkommt bei uns, ist, weil so viel Raum aufgeht. Ich finde es schade, dass sich so viel darum dreht, dass Peter Pilz jetzt nicht mehr bei den Grünen ist. Der größere Verlust als Peter Pilz ist Eva Glawischnig. Sie hat uns durch ihre Art zu führen zu den Erfolgen verholfen.

Die Basis-Listenwahlen haben zuletzt für viel Wirbel gesorgt. Sehen Sie Reformbedarf?

Jeder von uns hat schon eine Wahl verloren – ich selbst 2007. Aber da hat es Facebook und Twitter noch nicht so gegeben. Ich habe meine persönliche Enttäuschung nicht breit öffentlich machen können, wie das heute ganz leicht geht und gerne gemacht wird. Aber ja, wir müssen etwas reformieren.

Van der Bellen hat in seinem Wahlkampf Trachtenjanker getragen, um am Land zu punkten. Wird es Auftritte von Ingrid Felipe im Dirndl geben?

Ich habe eine Tracht, das wurde ja bereits mehrfach thematisiert. Ich hoffe aber, dass ich mit meiner Lebensrealität einer alleinerziehenden Frau, die nicht aus Wien kommt und ihren Weg macht durchaus als Person etwas sichtbar machen kann. Die Grünen sitzen nicht alle in Bobo-Wohnungen. Das ist ein Mythos, den Peter Pilz etabliert hat und den wir jetzt endlich ausräumen können.

Die Grünen fordern eine Mietpreisobergrenze. Warum ist das Wohnen im teuren Westen nicht billiger geworden, obwohl dort die Grünen mitregieren?

Berechtigte Frage. Im Rahmen unserer Möglichkeiten – auch von den Ressortzuständigkeiten her – haben wir getan, was wir konnten. Ein Teil der Lebenshaltungskosten sind Mobilitätskosten. Da haben wir in Vorarlberg das 365-Euro-Ticket und in Tirol die Tarifreform durchgebracht. Und in Salzburg, wo Astrid Rössler für die Raumordnung zuständig ist, hat sie einen großen Wurf mit einem Raumordnungsgesetz vorgelegt, wo es darum geht, Baulandreserven zu mobilisieren, um leistbaren Wohnraum für alle zu schaffen.

Ihr Wahlziel?

Das bleibt Zweistelligkeit.

Grünen-Chefin Ingrid Felipe will mit der neuen Jugendorganisation der Partei, die nun aufgebaut werden soll, einiges "besser machen" als bisher. Es gehe etwa um eine bessere Vernetzung und einen intensiveren Austausch auch mit den Landesorganisationen, sagte Felipe der APA am Samstag. Kritisches Denken sei durchaus erwünscht.

Nach den Bröseln mit den bisherigen Jungen Grünen wurde den Grünen mitunter vorgeworfen, keine Kritik der Jugend zu vertragen. "Grün und kritisch, das ist fast redundant", entgegnete Felipe. Kritisch zu sein, sei "in der DNA von Grünen", meinte die Parteichefin. Dementsprechend habe sie kein Problem mit einem "strukturierten Austausch", versicherte sie.

Dass sich nun einige der bisherigen Jungen Grünen für eine "andere politische Idee" engagierten - es wird eine neue Plattform mit der KPÖ gegründet - sei in Ordnung, weint Felipe dem Bundesvorstand rund um Flora Petrik offenbar keine Träne nach. Sie würde sich aber wünschen, dass diese den Namen "loslassen", denn "wo Grün draufsteht, sollte Grün drin sein", befand Felipe.

KPÖ PLUS

Während eine neue Jugendorganisation für die Grünen aufgebaut werden soll, rechnet die Noch-Bundessprecherin der von der Bundespartei ausgeschlossenen Jungen Grünen Flora Petrik mit einer "breiten Zustimmung" für die Wahlplattform KPÖ PLUS beim Bundeskongress dieses Wochenende.

Die Unterstützer rund um Petrik würden nicht Mitglieder der KPÖ, sondern gründeten gemeinsam mit dieser die neue Plattform PLUS, betonte ein Sprecher der Jungen Grünen am Samstag gegenüber der APA. Wie es mit dem Verein "Junge Grüne" an sich weitergeht, werde am Wochenende von den Mitgliedern beschlossen. Petrik geht davon aus, dass er als parteiunabhängiger Verein weiterbestehen wird.

"Viele setzen keine Hoffnung mehr in die Grünen, etwas grundlegend zu verändern", glaubt Petrik, die bei der KPÖ PLUS auf dem zweiten Listenplatz hinter dem langjährigen KPÖ-Bundessprecher Mirko Messner kandidieren will. "Die Grünen sind eine Partei geworden wie jede andere", befand sie in einer schriftlichen Stellungnahme. Von der neuen Jugendorganisation, die nun aufgebaut werden soll, erwartet Petrik offenbar nicht viel: "Nachdem die Partei monatelang versucht hat, den Verein Junge Grüne zu zerstören, gründet sie sich jetzt offenbar eine 'JVP auf Grün'."

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