Faymann und Spindelegger im Interview
Der Vizekanzler kündigt Änderungen bei Pensionen, Lehrern und ÖIAG an. Der Kanzler will die Staatsschulden einbremsen und hält an der Steuerreform fest.
KURIER: Herr Bundeskanzler, Sie haben viel Kontakt mit Journalisten, trotzdem ist Ihnen diesmal ein PR-Desaster passiert: Erst der Kassasturz, dann das Budgetloch, das immer größer wurde.
Bundeskanzler Werner Faymann: Beim Budget geht‘s nicht darum, ob jetzt zu wenig in der Kassa ist, sondern um die Prognose für die nächsten fünf Jahre. Die Top-Experten schätzen für die nächsten fünf Jahre 15 Milliarden weniger Steuereinnahmen wegen weniger Wachstum.
Und dann kommt noch ein Minus von neun Milliarden dazu, weil die Pensionsausgaben höher werden ...
Aber von den neun Milliarden gilt nur die Hälfte als dauerhaftes Defizit, und ein Drittel des Minus bei den Steuereinnahmen trifft auch die Länder.
Sieben Wochen nach der Wahl kennt sich keiner aus.
Es ist aber richtig, dass man zuerst intern diskutiert. Glauben Sie, dass ein Flugkapitän sein Mikrofon einschaltet, wenn er mit seinem Co-Piloten telefoniert.
Aber die Bürger hätten gerne vor der Wahl gewusst, wo gespart wird.
Bei den Steuerschätzungen wurde getrickst, sagen Wirtschaftsforscher.
Die Krise in Europa ist noch immer nicht vorbei, und es schmerzt mich, dass die Hochrechnung des Finanzministeriums so einen hohen Ausfall bei den Steuern ergibt. Aber das haben wir erst nach der Wahl erfahren, ebenso, dass die Kosten für die Pensionen steigen.
Ehrlich? Das haben Sie erst im September erfahren?
Ja, die Hochrechnung wurde erst nach der Wahl auf Basis von neuen Zahlen gemacht. Es geht ja um eine Prognose, und da ist in der öffentlichen Diskussion verdammt viel schiefgelaufen.
Und da entsteht das Loch?
Naja Loch, da ist die Differenz entstanden.
Die ÖVP fordert jetzt mehr Reformen als die SPÖ.
Rechnungshofpräsident Moser sieht es dramatischer: Ohne Reformen fahren wir gegen die Wand.
Natürlich braucht es laufend Änderungen. Wenn man nur in Ibiza sitzt wie Herr Strache, dann fährt man gegen die Wand.
Ihr Parteifreund Kalliauer, Arbeiterkammerpräsident in Linz, möchte auch gegen die Wand fahren. Er sagt, wir sollen gar nicht sparen.
Bei den Ärmsten will ich ja auch nicht sparen. Bei den Pensionen haben wir uns verpflichtet, das faktische Pensionsalter anzuheben.
Faymann im Porträt:
Aber bei den Luxuspensionen schon? Werden sie per Verfassung gekürzt?
Ja, da bereiten wir für Dienstag schon eine Resolution vor, dann werden wir eine Verfassungsmehrheit suchen.
Also Luxuspensionen werden gekürzt?
Das verhandelt gerade der Sozialminister. Da warten wir nicht einmal, bis es eine neue Regierung gibt.
Wo wird noch gespart?
Die Verwaltung muss mit gleich vielen Beamten mehr leisten und Doppelgleisigkeiten mit Bund und Ländern beenden.
Also die Bundesregierung schreibt den Ländern vor, dass gespart wird?
Ja, das müssen wir am Anfang dieser Periode.
Die ÖVP sagt, die Gemeinde Wien schickt die Leute viel zu früh in Pension. Muss sich das auch ändern?
Jedes Bundesland hat Möglichkeiten zum Sparen. Das Wort Sparprogramm klingt hart, weil ja jeder mehr ausgeben will. Aber in Summe geht es um zwei bis vier Prozent in fünf Jahren, das ist nicht unbewältigbar.
Um noch einmal den Rechnungshofpräsidenten zu zitieren: Es gibt
Da hat die Frau Minister Fekter nie Vorschläge gemacht, da würde ich gerne welche sehen. Aber beim 13. und 14. Monatsgehalt machen wir sicher nichts.
Hohe Einkommen werden beim 13. und 14. ohnehin schon höher besteuert.
Ja, aber ich möchte jetzt etwas zu den Familien sagen.
Denen haben Sie mehr Geld versprochen, und das halten Sie jetzt nicht ...
Wir haben ein Paket beschlossen und zwar in zwei Teilen. 800 Millionen für zusätzliche Kinderbetreuung und eine Milliarde für Direktleistungen bis 2018. Die Sachleistungen machen wir. Mehr Geld gibt es aber nur, wenn wir es uns leisten können. Und den Parlamentsumbau müssen wir halt verschieben, aber das ist ja kein Sozialabbau.
Auch eine Steuerreform haben Sie versprochen ...
Ich will natürlich, dass der Eingangssteuersatz heruntergesetzt wird. Aber dafür brauchen wir vermögensbezogene Steuern – etwa eine Erbschaftssteuer wie in Deutschland. Eine Steuerentlastung ist nur machbar, wenn es gleichzeitig höhere Einnahmen gibt.
Aber die ÖVP ist dagegen...
Da bin ich optimistisch und werde mit der ÖVP verhandeln. Aufgrund der derzeitigen Prognosen kann ich leider kein Datum für eine Steuerreform nennen.
Wie soll in der Verwaltung gespart werden?
Es soll im Bund eine Stelle für die Beamten geben, damit diese auch flexibel eingesetzt werden können.
Zur Bildung: Sie wollen am Dienstag das neue Lehrerdienstrecht beschließen. Die Lehrer drohen mit Streik.
Das fürchte ich nicht. Das neue Dienstrecht trifft weder die aktuellen Lehrer noch die Studenten. Neue Lehrer können fünf Jahre lang aussuchen, ob sie das neue Dienstrecht wollen. Ich bin sicher, sehr viele Junglehrer werden es akzeptieren. Wenn nur alle Diskussionen in der Gesellschaft so fair ablaufen würden wie über künftige Lehrer ...
In der Privatwirtschaft verlieren gerade viele ihren Job. Josef Cap hat ihn auch verloren und verdient trotzdem gleich viel wie vorher.
SPÖ und ÖVP haben dafür gesorgt, dass wir so gute Wirtschaftsdaten haben und …
… das hat mit Herrn Cap nichts zu tun.
Ja, aber auch das kann man erklären, wenn es richtig dargestellt wird.
In der öffentlichen Diskussion war viel von Lüge und Betrug die Rede. Wie wollen Sie dieses Bild wegbekommen?
Das ist unerhört. Und wenn uns die Grünen ausrichten, wir sollen alle Subventionen halbieren, ist das absurd. Das sind ja oft Sozialleistungen. Schmissige Zurufe bringen unser Land auch nicht weiter.
Und wo war Ihr Fehler?
Wir haben zu lange intern diskutiert. In Zukunft werden wir die Öffentlichkeit intensiver informieren.
Herr Vizekanzler, zunächst haben beide Parteien die Wahlen verloren, dann braucht es einen Kassasturz, und jetzt haben wir ein Budgetloch. Ein Riesendesaster.
Vizekanzler Michael Spindelegger: In der Kassa ist ja alles wie es sein soll. Wir budgetieren nach Plan. Aber in den nächsten Jahren gibt es deutlich geringere Einnahmen. Das stellt uns vor eine Herausforderung.
Aber Sie müssen doch vor der Wahl schon alle Zahlen gekannt haben?
Aber Ihr Landeshauptmann Wallner hat sogar von einem 40 Milliarden-Loch gesprochen. Jetzt sind es 24 Milliarden. Das verwirrt die Menschen.
Vollkommen richtig. Das ist schrecklich. Aber man muss unterscheiden. Wallner sprach vom Maastricht-Defizit. Da sind auch Einmaleffekte dabei. Wir sprechen vom Strukturdefizit. Da sind sogenannte Kostentreiber dabei. Diese müssen wir jetzt angehen. Wir brauchen jetzt Reformen, die uns 18 Milliarden in fünf Jahren bringen.
Aber es gibt Ökonomen, die sagen, dass im April, also vor der Wahl, zu optimistische Zahlen nach Brüssel gesendet wurden. Da war die Rede von Trickserei.
Das ist ein schwerer Vorwurf, der ungerecht ist. Ich habe schon im Wahlkampf gesagt, wir brauchen eine Reformregierung. Übrigens in einem KURIER-Interview. Niemand hat vorausgesehen, dass wir auch die nächsten fünf Jahre in dem Ausmaß nicht aus der Krise sind.
Der Rechnungshofpräsident sagt, ohne Reformen fahren wir gegen die Wand. Sehen Sie das auch so?
„An die Wand fahren“ ist nicht meine Sprache. Aber deswegen werden wir Reformen machen. Um an der Spitze zu bleiben. Bei den Pensionen etwa werden wir wirksame Maßnahmen beschließen. Wir müssen im Durchschnitt länger arbeiten, das faktische Pensionseintrittsalter muss spürbar steigen.
Wollen Sie das erreichen durch Strafen für Leute, die früher in Pension gehen?
Durch ein Bonus-Malus-System. Aber das geht nur, wenn auch ein Arbeitsplatz da ist, da brauchen wir mehr Wachstum. Und die Demografie zwingt uns, dass die Menschen länger arbeiten.
In vielen Bereichen haben Sie ganz andere Vorstellungen als die SPÖ ...
Die EU-Kommission überprüft gerade alle Verordnungen, ob sie noch sinnvoll sind. Sollen wir das auch machen?
Ja, denn nur so können wir zu Wachstum kommen.
Bund und Länder fördern vieles parallel. Was wird hier passieren?
Wir machen eine neue Förderpyramide. Das verhandeln wir aktuell. Hier wird es auch Kürzungen geben. Und auch bei den Familien werden wir die Förderungen nicht sofort ausbauen können.
Obwohl Sie es vor der Wahl versprochen haben?
Wir haben immer gesagt, dass es mit uns eine Steuerreform mit Familienschwerpunkt dann geben wird, wenn wir es uns leisten können. Es ist ehrlicher, man schenkt gleich reinen Wein ein.
Fair wäre es gewesen, das vor der Wahl zu sagen.
Während des gesamten Wahlkampfes hat die ÖVP von mir abwärts immer gesagt, dass wir Handlungsbedarf haben. Wir wurden dafür auch alle miteinander kritisiert.
Spindelegger im Porträt:
Trotzdem hat Frau Fekter vor der Wahl eine Steuerreform im Sinne der Familien versprochen ...
Mit dem Zusatz: Dann, wenn wir es uns leisten können. Sie erinnern sich. Das bleibt vom Plan her aufrecht, aber jetzt sofort können wir es leider nicht umsetzen.
Apropos Steuern: Es gibt 588 Ausnahmen, die Milliarden kosten und vor allem den Steuerberatern Spaß machen.
Wir müssen das Steuersystem vereinfachen. Dieses Ziel bleibt. 80 Prozent der Steuerliteratur weltweit ist auf Deutsch.
Das heißt, unser ungerechtes und leistungsfeindliches Steuersystem, wie Frau Fekter es nennt, bleibt?
Ich kann heute keine Entlastung versprechen. Ich habe auch vor der Wahl gesagt, eine Steuerreform kommt, wenn wir uns das leisten können. Etwa, wenn das Wachstum ordentlich anspringt.
Es bleibt also bei dem absurd hohen Einkommenssteuersatz von 36,5 Prozent. Und es kommen keine vermögensbezogenen Steuern?
Bis 11.000 Euro zahlt man gar keine Steuern, und das gilt für 42 Prozent der Arbeitnehmer. Wir haben einen hohen sozialen Level.
Man könnte ja eine Einkommenssteuerreform machen, wo die Einkommenssteuer runter geht, und dafür die Vermögenssteuer kommt ...
Es ist jetzt nicht die Zeit der Entlastung.
Aber Steuererhöhungen wird es auch nicht geben?
Nein, ich bin doch nach der Wahl kein anderer als vorher. Sparen könnte man bei den Luxuspensionen. Es gibt Sozialversicherungen, wo Leute mehr in der Pension bekommen als in der aktiven Zeit. Und bei der Nationalbank geht das bis 30.000 Euro pro Monat.
Sind Sie bereit, das durch ein Verfassungsgesetz zu ändern?
Sonderpensionsrechte stehen auf der Agenda ganz oben. Aber in der ganzen Palette, von der Gemeinde Wien über ÖBB und Sozialversicherung bis zur Nationalbank. Das soll am Dienstag beschlossen werden.
Die ÖVP hat immer gesagt: Mehr privat, weniger Staat. Wollen Sie Privatisierungen?
Ich möchte mit Werner Faymann persönlich ein anderes Beteiligungsmodell des Bundes verhandeln, damit wir das öffentliche Eigentum nicht verwalten sondern gestalten. Und was wir nicht unbedingt brauchen, können wir auch abstoßen. Ich möchte eine neue Beteiligungsholding.
Wir haben deutlich höhere Verwaltungskosten als die Schweiz. Wie wollen Sie hier sparen?
Da gibt es konkrete Pläne. Und es wird weiter Personalaufnahmestopps bei Ländern und Bund geben.
Wird die Koalition am Dienstag das neue Lehrerdienstrecht beschließen?
Da wird noch verhandelt, was es bedeutet für AHS-Lehrer, die auch Schularbeitsfächer haben. Aber gleichzeitig möchte ich am Dienstag die Sonderpensionsrechte in der Regierung haben.
Und schreckt es Sie, wenn die Lehrer mit Streik drohen?
Wir kommen der Gewerkschaft noch einmal entgegen. Aber die Regierung muss auch Entscheidungen treffen. Ich will keinen Arbeitskampf. Daher verhandeln wir ja noch.
Kann es noch einen Tausch bei den Ministerien geben?
Ich habe mit Werner Faymann noch nicht darüber gesprochen.
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