Neues Anti-Terror-Gesetz "reicht nicht"

Neues Anti-Terror-Gesetz "reicht nicht"
Geheimdienst-Experte Siegfried Beer übt Kritik am geplanten Staatsschutzgesetz.

Sollen Staatsschützer ihren Informanten, sprich Vertrauens-Personen (V-Männern), in Zukunft Späh-Aufträge geben und sie dafür auch bezahlen dürfen?

Ja, heißt es im Entwurf des neuen, von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) erarbeiteten Staatsschutzgesetzes, das etwa den Grünen missfällt (der KURIER berichtete). Deren Sicherheitssprecher Peter Pilz hält den Entwurf für "gefährlichen Pfusch" – und er ist nicht der Einzige. Denn auch einschlägige Experten sind skeptisch, ob das Gesetz leistet, was es leisten soll, nämlich: Zwischen Ermittlern und internationalen Terroristen annähernd "Waffengleichheit" herzustellen. "Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es reicht bei weitem nicht, um den Herausforderungen des modernen Terrorismusbekämpfung zu genügen", sagt Siegfried Beer zum KURIER.

Fehlender Inlandsnachrichtendienst

Neues Anti-Terror-Gesetz "reicht nicht"
ABD0043_20150325 - WIEN - ÖSTERREICH: BM Johanna Mikl-Leitner am Mittwoch, 25. März 2015, anl. einer Sitzung des Nationalrates mit Aktueller Stunde "Gemeinsam gegen den Terror" im Parlament in Wien. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER
Der Grazer Universitätsprofessor ist einer der prononciertesten Kenner der internationalen Nachrichtendienste und kritisiert vor allem eines: Im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Ländern weigert sich Österreich weiterhin, einen echten Inlandsnachrichtendienst zu betreiben.

Zwar gibt das neue Gesetz dem "Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung", kurz BVT, bei der Terrorbekämpfung deutlich mehr Kompetenzen (längere Speicherung von Ermittlungsdaten, neue Regeln für V-Männer, erweiterte Gefahrenerforschung, etc.). Rechtlich bleibt das BVT aber eine Polizei-Einheit, die zusätzlich die Arbeit eines Nachrichtendienstes übernimmt.

Eines der Probleme dabei: Nachrichtendienste wie beispielsweise das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz können so viele Informationen sammeln, wie sie für ihre Aufgabe für nötig erachten; die Polizei hingegen darf und soll nur im Zusammenhang mit konkreten Straftaten ermitteln und recherchieren.

Experte Beer hält die österreichische Lösung für unzureichend. Er plädiert für einen klassischen Inlandsnachrichtendienst etwa nach dem Schweizer Vorbild; und er würde diesen auch – gemeinsam mit den beiden Nachrichtendiensten des Militärs – näher an die Top-Entscheider in der Politik heranführen. "Die bestehenden Dienste sollten von einer Stelle koordiniert werden, die idealerweise im Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Großbritannien hat ein derartiges Joint Intelligence Committee schon seit 1936."

Bezahlte Spitzel

Die von den Grünen so heftig kritisierte Möglichkeit, V-Männer, also Nicht-Polizisten, aktiv mit (Späh-)Aufträgen auszustatten, hält Beer dagegen für weniger problematisch: "Natürlich ist es ein Risiko, wenn man Informanten beschäftigt und bezahlt, die sich in gefährlichen Milieus bewegen. Aber was ist die Alternative? Wie soll man Informationen aus terroristischen Gruppierungen gewinnen?"

Die aktive Beschäftigung von V-Männern sei heute internationaler Standard. "Das ist zwar kein Beweis, aber zumindest ein deutliches Indiz dafür, dass sich diese Investition für die entsprechenden Länder lohnt."

Das vom Innenministerium erarbeitete "Staatsschutzgesetz" soll Verfassungsschützern mehr Möglichkeiten im Kampf gegen den Terror geben.

V-Leute können in Netzwerke eingeschleust und mit Spitzelaufträgen ausgestattet werden; Ermittlungsdaten sollen zwei Jahre statt nur neun Monate gespeichert bleiben. Straftaten dürfen V-Leute nicht begehen – ein Problem, wenn von einem eingeschleusten "Spitzel" eine Tat als Glaubwürdigkeitsbeweis verlangt wird. In der Praxis wird es so gelöst, dass eine Vertrauensperson beim Zugriff der Polizei entkommt.

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