Eva Glawischnig: Autoritäre Führung? "Das ist vollkommen absurd"

Im Clinch: Grünen-Chefin Eva Glawischnig und Jugend-Funktionären Flora Petrik
Eva Glawischnig und ihre Herausforderin Flora Petrik im Doppel-Interview.

KURIER: Frau Glawischnig, nach dem Rauswurf der Jungen Grünen stehen Sie als Parteichefin in der Kritik. War die Entscheidung, Flora Petrik kalt zu stellen, Ihr bisher größter politischer Fehler?

Eva Glawischnig: Zur Klarstellung: Es gab über Monate hinweg von Ingrid Felipe Gespräche mit den Jungen Grünen, damit es bei der ÖH-Wahl keine Gegenkandidatur gibt. Das ist gescheitert. Es gibt es Dinge, die die Bundessprecherin und der Vorstand nicht zulassen dürfen. Eine Gegenkandidatur gegen die eigene Partei geht einfach nicht. Nachdem dieses Minimalverständnis nicht herstellbar war und unsere ausgestreckte Hand nicht angenommen wurde, gibt es einen Punkt, wo man die Konsequenzen ziehen muss. Weiters: Wir haben der Jugendorganisation bewusst sehr viel Freiraum gelassen. Inhaltliche Kritik ist nicht nur akzeptiert, sondern ausdrücklich gewünscht. Aber hier ging es um Machtpolitik.

Es wurden bereits Nachfolger für Sie ins Spiel gebracht. Wie fest sitzen Sie noch im Sattel?

Die Spekulationen sind absurd. Wir sind die mit Abstand erfolgreichste Grün-Partei in Europa.

Die Kritik wurde ja erst durch das Telefonprotokoll bekannt. Hier wurde klar, dass die Landesparteichefs nicht hinter der Entscheidung des Rauswurfs der Jungen Grünen stehen. War das ein Alleingang von Ihnen?

Ich habe vollkommen unterschiedliche Wahrnehmungen. Einerseits wüste Spekulationen in den Medien und andererseits intern sehr viel Unterstützung von Grünen, die sich an der Medienhysterie nicht beteiligen. Es ist nicht möglich, Kritik aufzugreifen, wenn sie indirekt und anonym über Medien gespielt wird. Deswegen habe ich mich entschlossen, für den nächsten Bundesvorstand nach Ostern eine sehr breite Einladung auszusprechen. Die Diskussion sollte innerhalb der Partei geführt werden. Ich wünsche mir Einheit und Entschlossenheit von allen für den bevorstehenden Nationalratswahlkampf.

Die Jungen Grünen behaupten, als sich abzeichnete, dass die Jugendorganisation nicht die GRAS bei der ÖH-Wahl unterstützen will, soll es Druck und Erpressung gegeben haben?

Alles falsch. Persönliche Drohungen gegen Frau Petrik gab es nie. Diese Unwahrheit hat sie im persönlichen Gespräch auch zugegeben. Es ging ausschließlich darum, dass nicht Gelder oder Räumlichkeiten für eine Liste, die gegen Grün kandidiert, zur Verfügung gestellt werden. Eine Gegenkandidatur kann man nicht unterstützen. Was mich wundert, ist, dass der Bundesvorstand der Jungen Grünen weitere Eskalation vorantreibt. Wenn etwa Sätze in der Zeitschrift der Jungen Grünen stehen, wie "die Grünen müssen auf den Kopf gestellt werden, egal ob sie es überleben oder nicht" – dann fragt man sich, ob hier noch an einem gemeinsamen Projekt gearbeitet wird. Ein Teil der Jungen Grünen-Mitglieder unterstützt diesen Weg nicht. Mit ihnen wird jetzt auch versucht, einen Weg zu finden, wie die Zusammenarbeit fortgeführt werden kann.

So wie die Jungen Grünen Ihren autoritären Führungsstil besprechen, kennt man eher von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache und Herbert Kickl?

Das weise ich aufs Schärfste zurück. Das ist vollkommen absurd. Die Beschlüsse werden in den Gremien gefasst. Wer mich kennt, weiß, dass ich eine sehr versöhnliche Person bin. Manchmal habe ich den Eindruck, wenn etwas gut läuft in der Partei, waren es alle. Wenn etwas schlecht läuft, ist die Bundessprecherin verantwortlich.

In den letzten sieben Jahren haben Sie sich nie bei den Jungen Grünen blicken ließen. Kann man sich das als Parteichefin leisten?

Falsch. Im erweiterten Bundesvorstand findet alle sechs Monate ein Austausch statt. Die Parteispitze besteht aus mehreren Personen, viele Aufgaben sind aufgeteilt. Meine ist in erster Linie die Außenvertretung.

Wer, wenn nicht die Grünen, müssen eine kritische Jugendorganisation aushalten. Die Argumente gegen die GRAS, etwa das Einstimmigkeitsprinzip, sind berechtigte Kritikpunkte ...

Es ging nie um inhaltliche Kritik, sondern immer nur um Geschäftsordnungen und Statuten. Inhaltliche Kritik ist ausdrücklich erwünscht. Wenn man zusammenarbeiten will, kann man in jeder Struktur zusammenarbeiten. In dem Streit ging es offensichtlich nicht um unterschiedliche inhaltliche Positionen. Wichtig ist, sich um die Probleme der Studierenden zu kümmern.

Sie werfen den Jungen Grünen zu wenig Inhalte vor. Den Jungen Grünen ecken Sie zu wenig an. War Ihr Politik-Stil zuletzt zu angepasst?

Ich habe mir die letzten eineinhalb Jahre wegen der Flüchtlingspolitik viel Kritik gefallen lassen müssen. Wir haben den Kurs in den Menschenrechtsfragen nie verlassen. Wir sind die einzigen, die Sebastian Kurz und Wolfgang Sobotka scharf kritisieren. Ich wüsste nicht, was hier nicht angriffig ist. Nach dem Giftgas-Einsatz in Syrien fordere ich Kurz auf, seine angeblichen guten Kontakte nach Russland zu aktivieren, damit endlich Flugverbotszonen ins Syrien kommen.

Wird eine neue Jugendorganisation gegründet?

Das ist offen. Ziel ist ein gemeinsames Projekt für grün-engagierte junge Menschen.

KURIER: Frau Petrik, sie sind seit Jänner Vorsitzende der Jungen Grünen. Innerhalb von nur drei Monaten haben Sie geschafft, dass Parteichefin Eva Glawischnig mit einer Ablöse-Debatte konfrontiert ist und dass die Jungen Grünen aus der Partei geworfen wurden. Sehen Sie sich als Opfer oder als Rebellin?
Flora Petrik: In dieser ganzen Geschichte kann man nicht sagen, wer die Rebellin oder wer das Opfer ist. Eines ist aber sicher: Die Grünen müssen einen großen Verlust hinnehmen. Nämlich die größte ehrenamtliche Teilorganisation in der Geschichte der österreichischen Grünen mit 4000 Mitgliedern. Ob man sich das wirklich leisten kann?
Es heißt, dass Sie und sechs weitere Führungsmitglieder diese Eskalation bewusst suchen. Stehen wirklich alle 4000 Mitglieder hinter Ihnen?
Wir ziehen alle am gleichen Strang. Erst gestern telefonierte ich mit allen Landesverbänden, die mir versicherten, dass sie hinter mir stehen.

Ihr Vorgänger Cengiz Kulac schrieb in einem Kommentar: „Die Grünen müssen auf den Kopf gestellt werden.“ Ist das Ihr Ziel?
Mein Ziel ist: Die Grünen sollen sich wieder mehr öffnen. Die Basis muss ernst genommen und der verkrustete Parteienapparat, der nur auf die Spitze ausgerichtet ist, aufgebrochen werden. Die Grünen formieren sich nicht mehr von unten. Das ist schade.

Warum gibt es kein Interesse daran?
Die Parteispitze hat Angst vor der Öffnung. Jede Öffnung bedeutet Konkurrenz.
Meinen Sie die Angst vor dem Verlust von gut dotierten Ämtern?
Wenn man sich auf einer breiteren Basis aufstellt, gibt es mehr Konkurrenz. In kleinen, geschlossenen Gruppen kann sich leichter Ämter zuspielen.

Wer ist für Sie die Spitze? Eva Glawischnig?
Der Bundesparteivorstand rund um Eva Glawischnig. Da herrscht auch viel Paranoia. Wenn die Parteispitze keine andere Möglichkeit sieht, auf die Kritik der Parteijugend mit einem Parteiausschluss zu reagieren, dann steckt die Partei in der Krise.

Meinen Sie, dass die Parteichefin abgehoben ist?
In den sieben Jahren, wo es die Jungen Grünen gibt, gab es keinen einziges Treffen mit Eva Glawischnig. Sie folgte keiner unserer Einladung. Ich habe sie zum ersten Mal bei unserem letzten Gespräch vor dem Ausschluss getroffen. Ich glaube, sie ist ängstlich. Es existiert eine große Furcht, sich mit der Basis auseinanderzusetzen.

Sie sollen seit Herbst 2016 stolze 18.000 Euro für Kommunikationsschulungen ausgegeben haben. Braucht das eine Jugendorganisation?
Von diesen 18.000 Euro habe ich am Donnerstag zum ersten Mal gelesen. Wahr ist, wir haben seit September 2016 etwa 4500 Euro für Kommunikationstraining ausgegeben. Da werden bewusst Lügen über die Jungen Grünen gestreut.

Auf Facebook posten Sie, dass von der Parteispitze Druck und Erpressung ausgeübt wurde. Wie hat das genau ausgeschaut?
Noch vor dem offenen Brief an Eva Glawischnig wurden die Jungen Grünen in Geiselhaft für die Grünen Studierenden genommen wurden. Es wurden Gelder eingefroren. Auch der Zutritt zu Parteiräumlichkeiten wurde uns untersagt, wenn wir uns nicht unterwerfen. Die Spaltung sollte durch Druck und Erpressung verhindert werden.

So wie Sie die Vorgehensweise schildern, erinnert das an den Stil von Strache und Kickl ...
Dieser autoritäre Stil hat mich auch gewundert. Die Grünen sind zu dem geworden, wo gegen sie sich einst selbst formiert haben.

Einer der härtesten Kritiker ist EU-Abgeordneter Michel Reimon. Er meinte, Sie sind eine kleine Sebastian Kurz-Kopie.Eine Karrieristin statt einer Politikerin, der es um die Sache geht ...
Die Diffamierungen von Michel Reimon waren sehr schädlich für die gesamte Diskussion. Der Sebastian-Kurz-Vergleich war sehr bösartig. Ab diesem Zeitpunkt war es nicht mehr möglich, auf Augenhöhe zu diskutieren. Das sind Methoden, die man sonst nur von der FPÖ kennt. Das hat mich getroffen. Die Jungen Grünen sind rund um die Uhr für Alexander Van der Bellen im Wahlkampfgelaufen. Dass es dafür keine Wertschätzung gibt, sind wir gewohnt. Dass diese Leistung jetzt auch noch abgewertet wird, nur weil man sich für eine bessere Gesellschaft einsetzt, hat mich vor den Kopf gestoßen.

Haben Sie in dem Konflikt auch Fehler gemacht?
Ich habe unterschätzt, welche Dynamik der Konflikt bekommt und auf welchen irrationalen Level man sich teilweise begibt.

Dieser Konflikt bedeutet auch einen hohen finanziellen Verlust für die Grünen. 160.000 Euro an Förderungen vom Jugendministerium werden nicht ausgezahlt. Wie soll es da weitergehen?
Das Geld wird für 2017 nicht ausgezahlt. Bis die Förderung vom Ministerium überwiesen wird, streckt die Bundespartei das Geld vor. Im Moment wird gerade errechnet, wie viel wir der Bundespartei für die ersten drei Monate rückerstatten müssen. Ich hafte persönlich dafür und hoffe, dass die Partei nun nicht so bösartig ist und mich mit 22 Jahren in den Privatkonkurs schickt.

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