"Habe nicht an Rückzug gedacht"

SPÖ-Spitzenkandidat Eugen Freund positioniert sich für den EU-Wahlkampf: Seine Gegner sind jene, die „mit nationalistischen Parolen Europa schwächen wollen“.
Eugen Freund: Nach Turbulenzen will sich der SPÖ-EU-Spitzenkandidat auf Inhalte konzentrieren.

Nach einer Woche Klausur meldet sich Eugen Freund, der Spitzenkandidat der SPÖ für die EU-Wahl, mit Ansagen zu Wort, mit denen er im Wahlkampf punkten will.

KURIER: Herr Freund, wie geht es Ihnen nach dem Start mit Fehlern und Problemen?

Eugen Freund: Ich bin von einem Beruf, den ich vierzig Jahre ausgeübt habe, in einen völlig anderen Beruf gewechselt. Das ist nicht einfach, ich hätte sicher mehr Zeit gebraucht, um in meine neue Rolle zu finden. Mir ist Europa sehr wichtig: Ich will über die großen Vorteile sprechen, ich möchte die Bedenken und Sorgen der Menschen thematisieren.

Haben Sie nach den Turbulenzen an einen Rückzug gedacht?

Nein, das habe ich nicht.

Die EU muss gerechter und sozialer werden.

Wie wollen Sie sich von Ihren Herausforderern abgrenzen?

Europa als Friedensprojekt ist das Thema schlechthin. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges jährt sich heuer zum 100. Mal. Nationalismus führt zu Krieg und Chaos. Die EU muss sich aber auch weiterentwickeln: Sie muss gerechter und sozialer werden.

Wie soll das gehen?

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in manchen Ländern ist ein Riesenproblem. Dass man Banken für systemrelevant erklärt, die Jugend aber nicht – das gehört verändert. Ich wünsche mir das Modell der dualen Ausbildung und der überbetrieblichen Lehrwerkstätten für die ganze EU. Österreich ist da Vorbild.

Die Arbeitslosigkeit wollen alle bekämpfen, was ist da neu?

Sozialdemokraten haben die Chance, stimmenstärkste Fraktion im EU-Parlament zu werden. Es ist die erste EU-Wahl nach der Krise, sie ist eine Richtungsentscheidung: Wir müssen wegkommen von den Finanzlobbys, weg vom Spekulantentum hin zu Bankenregulierung und Finanztransaktionssteuer. Die Erlöse daraus benötigen wir für Investitionen. Sparen alleine ist nicht genug. In den vergangenen Jahren ist der Zug in eine falsche Richtung gefahren. Wir wollen den Zug hin zu den Menschen führen.

Ist ein neuer EU-Vertrag nötig?

Der Konvent für eine Vertragsänderung ist sehr wichtig, und die Sozialpartner müssen eingebunden werden. Ich will kein neues, sondern ein besseres Europa.

Wie wollen Sie EU-Skeptiker für sich gewinnen?

Die EU muss wegkommen vom Klein-Klein: Man diskutiert über 100-Watt-Lampen, aber eine gemeinsame europäische Energie- oder Klimapolitik steht nicht im Fokus. Europa muss sich auf die großen Dinge konzentrieren und die kleinen Dinge den Staaten und Regionen überlassen.

Jene, die die EU zerstören wollen, sind unsere Hauptgegner.

Wer ist Ihr Hauptgegner im Wahlkampf?

Jene, die glauben, mit nationalistischen Parolen kann man Europa stärken. Europa wird geschwächt, wenn man zum Nationalismus zurückkehrt. Jene, die die EU zerstören wollen, sind unsere Hauptgegner.

Wie werden Sie den Wahlkampf im Schatten der Koalition mit der ÖVP führen?

Unser gemeinsamer Gegner sind die Nationalisten, mit der Volkspartei verbindet uns das Bekenntnis zu Europa. Aber wir haben unterschiedliche Zugänge: Wir wollen Banken stärker regulieren und eine Finanztransaktionssteuer auf breiter Bemessungsgrundlage. Ich will die Menschen vertreten und nicht am Gängelband der Finanzlobby hängen.

Die FPÖ verlangt wieder Grenzkontrollen. Verstehen Sie das?

Nein. Als Kärntner schätze ich die offenen Grenzen. Eine Fahrt nach Tarvis war früher immer mit Passkontrolle und Geldwechseln verbunden. Niemand will wieder lange Wartezeiten an der Grenze und mühsames Umrechnen.

Zeigen nicht die Bootsflüchtlinge, dass die EU eine gemeinsame Innen-, Migrations- und Asylpolitik braucht?

Humanismus und Menschenrechte sind mir ein großes Anliegen. Auch im Bereich der Asylpolitik sollte Europa enger zusammenarbeiten. Einige Länder machen da viel zu wenig. Wichtig ist es auch, Entwicklungen in Afrika zu fördern, damit die Menschen anständige Arbeit in ihrer Heimat finden können.

Kommentare