Bundesheer: "Situation sehr, sehr schwierig"

„Lagebesprechung“: Hochrangige Militärs lauschten am Freitag den Ausführungen ihres Ministers. Die Situation könnte ernster nicht sein: 2015 wird die Republik so wenig Geld wie noch nie für die Armee bereitstellen
Panzer und Kasernen werden verkauft, Personalstand sinkt rapide: Das Budget zwingt die Armee zu einem radikalen Sparkurs.

Er hat noch nie eine Schlacht verloren, wie sollte er auch – er ist kein Offizier, kein Heerführer, militärisch unbeleckt. Doch als Gerald Klug am Freitag in der Stuck-verzierten Sala Terrena der Wiener Landesverteidigungsakademie aufs Podium stieg und erklären musste, warum die Armee künftig auf 200 Millionen Euro im Jahr verzichten muss, da zeigte der Verteidigungsminister, was man von unglücklichen Heerführern kennt: ein Kapitulationsgesicht. Der Blick war starr; seine Mundwinkel hingen; und die Stimme, nun ja, sie klang fest, trist – und auch wütend.

Das lag wohl daran, dass die offiziell als Pressekonferenz ausgeschilderte Veranstaltung nur bedingt als solche gelten durfte. Denn unten, im Publikum, saßen mehrere Dutzend Offiziere. Und genau genommen war der Auftritt des Ministers vor allem eine Rede an seine Soldaten, gewissermaßen eine Entschuldigung. „Die Situation ist zur Stunde sehr, sehr schwierig“, sagte Klug. An seiner Seite: Generalstabschef Othmar Commenda, Österreichs oberster Soldat; und auch er hatte wenig zu lachen.

Nachdem der Minister die politische Laschheit seiner Vorgänger getadelt hatte („Es wurde in der Vergangenheit nicht rechtzeitig und angemessen reagiert!“), versuchte er gemeinsam mit seinem Generalstabschef, Offiziere und Öffentlichkeit von der Notwendigkeit der geplanten Kürzungen zu überzeugen.

Ernüchternde Zahlen

Die blanken Zahlen sind ernüchternd: So wird das Wehrbudget 2015 zum ersten Mal die Zwei-Milliarden-Euro-Grenze unterschreiten. Das bedeutet: Gab Österreich in den 1980er-Jahren noch 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aus, sind es im nächsten Jahr erstmals weniger als 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung – eine Halbierung. Wie viel Bundesheer damit noch finanziert werden kann, ist im Reformpapier nachzulesen: Die schweren Kampfpanzer Leopard werden um weitere 25 Stück reduziert. Die verbleibenden 34 werden beim Panzerbataillon 14 in Wels untergebracht. Die Panzerhaubitzen M-109 werden von 145 auf 30 Stück „zurückgefahren“ und in Allentsteig konzentriert. Das nennen die Generäle einen sogenannten „Rekonstruktionskern“. Gemeint ist damit: Das Know-how soll erhalten werden – gesetzt den Fall, dass man wieder einmal Panzer und Artillerie braucht.

Auch die Fliegerabwehr wird auf den erwähnten „Rekonstruktionskern“ reduziert: Das Fliegerabwehrbataillon 3 in der Schwarzenberg-Kaserne wird aufgelöst. Der Rest der Fliegerabwehr teilt sich auf Zeltweg und Langenlebarn auf.

Das Pionierbataillon 3 in Melk wird auf Wasserbeweglichkeit „spezialisiert“, es muss seine Brückenlegegeräte an die Kollegen in Villach abgeben. Die Salzburger Pioniere werden „gebirgsbeweglich“ und die Luftraumüberwachung wird nur noch stundenweise angeboten. Die Jägerbataillone und die Miliz verlieren insgesamt 424 Granatwerfer und 285 Panzerabwehrlenkwaffen. Kurzum: die präsenten Verbände sind für konventionelle Einsätze nicht mehr geeignet und als reine Ausbildungsverbände zu sehen. Damit droht das „Bundesheer 2018“ die in der Verfassung geforderte Fähigkeit zur militärischen Landesverteidigung im herkömmlichen Sinn zu verlieren. Die Generalität rettet sich mit dem Arbeitsterminus „militärisch einsatzwahrscheinliche Aufgaben“ über die Runden. Das sind neben dem Katastrophenschutz auch sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsätze, etwa bei Terrordrohungen. Die könne man mit dem Rest-Bundesheer noch schaffen, heißt es.

Dem nicht genug, werden weitere Kasernen verkauft:

  • Die Stellungsstraße Linz wird nach Hörsching verlegt, das Amtsgebäude in der Garnisonstraße wird verkauft.
  • Die Radetzky-Kaserne in Horn (Niederösterreich)
  • Der Kornellhof in Wiener Neustadt (Niederösterreich)
  • Die Tilly-Kaserne in Freistadt (Oberösterreich)
  • Die Frundsberg-Kaserne in Vomp (Tirol)
  • Die Strucker-Kaserne in Tamsweg (Salzburg)
  • Die Goiginger-Kaserne in Bleiburg (Kärnten).
  • Die neun Militärmusikkapellen werden in einer Organisation zusammengefasst, vier „Außenstellen“ in Innsbruck, Linz, Wien und Klagenfurt bleiben. Die Militärmusikkapellen Niederösterreich, Burgenland, Salzburg und Vorarlberg soll es also künftig nicht mehr geben.

Schule Neu

Radikale Einschnitte gibt es auch bei der Schulorganisation. Die Landesverteidigungsakademie wird sich auf die Wissenschaft zurückziehen und die Offiziersausbildung der Militärakademie überlassen. Ein kleines Panzerbataillon braucht auch keine Panzertruppenschule mehr – ähnlich sieht es bei der Fliegerabwehr aus. An der Wiener Neustädter Militärakademie wird das anhängige Militärrealgymnasium geschlossen und die Reitausbildung eingestellt. Bleibt das Personal: Hier warten weitere Einsparungen um 15 Prozent in der Führungsstruktur. Allein das Verteidigungsministerium soll statt mit 1000 künftig mit 660 Mitarbeitern auskommen. Eine Dienstgrad-Reform wird nicht nur die Zahl der Brigadiere, Oberste und Oberstleutnants reduzieren, sondern bei den Unteroffizieren auch die Vizeleutnants.

Gewinner der Reform soll die Miliz sein. So ist geplant, zusätzlich zwölf Milizkompanien zu je 150 Mann in den Bundesländern aufzustellen.200 Millionen Euro wollen Klug und der Generalstab jährlich mit den Kürzungen sparen. Um die Armee weiterbetreiben zu können, muss 2015 aber eine Sonderfinanzierung her. Der Grund: Aus dem laufenden Budget sind dringend nötige Investitionen nicht mehr möglich. Allein die Black-Hawk-Hubschrauber benötigen 80 Millionen Euro, um technisch aufgerüstet zu werden – sonst bleiben sie ab 2016 auf dem Boden. Und was die OH-58- und Alouette-III-Helikopter angeht, müssen sie wegen „Altersschwäche“ ebenso bald ersetzt werden wie die Saab-105 OE-Jets.

Klug muss also bei ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling einen dreistelligen Millionen-Betrag aufstellen. Eine undankbare Aufgabe. Man könnte auch sagen: Eine Gelegenheit mehr für ein Kapitulationsgesicht.

Geräte und Kapellen

Die Armee trennt sich von vielen schweren Waffen. Dazu gehören 106 Artilleriegeschütze, 25 Kampfpanzer und 23 Bergepanzer. Fünf der neun Militärkapellen werden eingespart.

Personal und Kasernen

Bis 2018 werden 1400 Arbeitsplätze abgebaut. Die Zahl der zum Verkauf stehenden Kasernen steigt auf 13 Stück.

Sparziel

Insgesamt sollen jährlich 200 Millionen Euro gespart werden.

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