Ein Fall von leisem Scheitern

Neugebauer soll Gewerkschaftsvorsitz an Schnedl abgeben
Wie die Regierung die Modernisierung des Unternehmens Staat verabsäumt.

Auf Seite 92 des aktuellen Koalitionspakts steht zum Thema Öffentlicher Dienst: "Ein modernes, eigenständiges und einheitliches Dienstrecht auf Bundesebene mit berufsspezifischen Ausprägungen ist vorzubereiten." Das Dienstrecht solle der "optimalen Leistungserbringung für die Bürgerinnen und Bürger dienen" und "geeignet sein, die Rechtsstaatlichkeit umfassend sicherzustellen". Punkto Entlohnung sei "eine flachere Besoldungsstruktur für zukünftige Vertragsbedienstete und BeamtInnen vorzubereiten".

Während SPÖ und ÖVP über andere ihrer Vorhaben wenigstens streiten, bevor sie damit scheitern, ist ihnen ein zeitgemäßes Beamtendienstrecht nicht einmal den üblichen Krach wert.

Sie begraben es geräuschlos.

Dabei wäre es für einen Modernisierungsschub im öffentlichen Dienst hoch an der Zeit. Denn der landläufige Glaube, dass Österreichs Verwaltung zwar teuer, dafür aber spitze sei, entpuppt sich zunehmend als Selbstbetrug. Das österreichische Laissez-faire (oder lei losn) hat zuletzt zu den peinlichen Wahlpannen geführt und Österreichs Image in der Welt als tadellose und rechtssichere Demokratie angekratzt.

Auch für das Schulsystem stimmt leider nur das "teuer", nicht aber die Spitzen-Dienstleistung. Gerade einmal 2,5 Prozent der heimischen Schulen bieten im 21. Jahrhundert Ganztags-Unterricht an. Von den mangelhaften Lehr-Erfolgen ganz zu schweigen.

Besoldung ohne Leistungskomponente, eine aus der Nachkriegszeit stammende Gehaltskurve, sehr eingeschränkte Versetzbarkeit – das System ist zu unflexibel für modernes Personalmanagement. "Wenn in einem Betrieb die Abteilung x wächst, während die Abteilung y schrumpft, muss ich reagieren können", sagt Neos-Abgeordneter Gerald Loacker, im Zivilberuf ausgebildeter Personalmanager. Die Neos schlagen vor, dass die Biennalsprünge, also die automatischen Vorrückungen jedes zweite Jahr, einem neuen System weichen: Zu Beginn der Karriere sollen die Gehälter stärker steigen, gegen Ende auslaufen. "Junge Leute brauchen das Geld für Familie und Wohnung, während ältere auf Gehaltserhöhungen nicht mehr so sehr angewiesen sind", sagt Loacker. Das durch eine neue Gehaltskurve eingesparte Geld (weil Ältere billiger werden), sollte nichts in Budget fließen, sondern einer Leistungskomponente dienen. "Viele öffentlich Bedienstete empfinden es als ungerecht, dass jeder gleich viel bekommt, unabhängig davon, wie stark er sich im Beruf engagiert."

Der Neos-Abgeordnete hat wenig Verständnis, dass die Regierung sich mit vorzeitigen Neuwahlen beschäftigt, anstatt ihr Arbeitsprogramm zu erfüllen: "Es gibt genug zu tun, und ein neues Dienstrecht gehört zu den drängenden Aufgaben."

Aktuelle Fälle belegen, dass der Zeitpunkt für ein neues Dienstrecht günstig wäre.

Wie der KURIER diese Woche berichtete, ist das österreichische Beamtendienstrecht EU-rechtswidrig. Teure Nachzahlungen für Ausbildungszeiten wurden bereits mehrfach höchstgerichtlich angeordnet. Laut Juristen werden sie sich durch neuerliches Gesetzes-Flickwerk nicht verhindern lassen, sondern nur mit einem neuen Besoldungsrecht.

Zweiter Ansatzpunkt ist das Heer. In Österreich gilt die Doktrin, dass jemand sein gesamtes Erwerbsleben im selben Dienstrecht bleibt – Neuerungen gelten immer nur für "Neu-Eintretende". Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil will in den kommenden Jahren 9800 neue Personen im Heer einstellen. Das ist – gemessen an den 22.000 Dienstposten beim Heer – 45 Prozent neues Personal. Das wäre eine gute Gelegenheit für einen Neuanfang.

Dritter Ansatzpunkt ist die Schule. Am 18. Oktober will Unterrichtsministerin Sonja Hammerschmid ein Autonomiepaket für die Schulen präsentieren. Aber was ist Autonomie ohne neues Lehrer-Dienstrecht wert? Wie soll ein Direktor Lehrer aussuchen, wenn diese versetzungs- und kündigungsgeschützt sind? Wie sollen Ganztagsschulen mit Lehrer-Anwesenheitspflicht entstehen, wenn die Lehrer dagegen ein Veto-Recht haben? Wie soll ein Standort inhaltliche Schwerpunkte setzen, wenn das Lehrpersonal den Inhalten nicht angepasst werden darf? Wenn ein Geschichtelehrer nicht gegen einen Chemielehrer oder ein Französischlehrer nicht gegen einen Tschechischlehrer getauscht werden darf?

Wie der KURIER aus den laufenden Verhandlungen erfuhr, will die Regierung das Lehrerdienstrecht jedoch nicht antasten. Bleibt es dabei, wäre eine echte Schulautonomie nicht machbar, befundet der Thinktank Agenda Austria. Sowohl das alte als auch das neue, erst ab 2019 geltende Dienstrecht sind stark an die Unterrichtszeit gekoppelt. Möglichkeiten, Gehaltssteigerungen an die pädagogische Leistung zu koppeln, gibt es nicht. Agenda Austria-Experte Wolfgang Feller: "Das enge Korsett des Dienstrechts steht einem modernen, autonomen Schulbetrieb entgegen."

Wenn die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst kommende Woche ihren langjährigen Vorsitzenden Fritz Neugebauer in die Pension verabschiedet, wird sie ihn mit Lob überschütten. Tatsächlich hat Neugebauer seinen Mitgliedern "wohl erworbene Rechte" gesichert. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Neugebauer sich den Ruf als beinharter Verhinderer erarbeitet hat, indem er allzu oft Klientelinteressen über das Gemeinwohl stellte.

Vielleicht gibt es mit Neugebauers Nachfolger Norbert Schnedl die Chance auf einen neuen Spirit.

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