Drei politische Selbstfaller

ABD0119_20171220 - WIEN - ÖSTERREICH: Bundeskanzler Sebastian Kurz (R/ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Mittwoch, 20. Dezember 2017, im Rahmen einer Sondersitzung des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in der Hofburg in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Wie Schüssels Taktik, rote Haider-Phobie und ein SPÖ-Wahlkampfspin zu Selbstfallern wurden.

Man erinnere sich an das Jahr 2006. Entgegen allen Erwartungen verlor Kanzler Wolfgang Schüssel die Nationalratswahl, die von Alfred Gusenbauer geführte SPÖ wurde stärkste Partei. Bundespräsident Heinz Fischer legte sich gegen eine rot-grüne Minderheitsregierung quer, und Rot-Blau ging sich arithmetisch nicht aus. Schüssel nutzte diese alternativlose Situation, um die SPÖ bei den Koalitionsverhandlungen abzuräumen. Als Preis für Gusenbauers Kanzlerschaft musste die SPÖ das Finanz-, das Innen- und das Außenministerium bezahlen. In der Folge zog die ÖVP diese Machtaufteilung mehr als zehn Jahre durch: hie der Kanzler, dafür die zentralen Ressorts – Finanzen, Innen, Außen – beim Juniorpartner.

Die FPÖ schaute sich das ab – und servierte der ÖVP bei der jüngsten Regierungsbildung den gleichen Preis im Abtausch für einen schwarzen Kanzler.

So kommt es, dass Schüssels Verhandlungstaktik zehn Jahre später der ÖVP auf den Kopf fiel. "Innen, Außen und Finanzen – Ihr habt das als Juniorpartner auch gehabt", bekam Sebastian Kurz von den Blauen bei den Koalitionsverhandlungen zu hören. Und weil Kurz alles tun wollte, damit seine Regierung keine "Streitkoalition" würde, war er gegenüber den Wünschen der FPÖ großzügig.

Das Finanzministerium hat Kurz für die ÖVP zwar gerettet (auch für sich selbst, weil man als Kanzler ohne Finanzminister wenig Macht hat). Die anderen beiden Ressorts musste er aber abtreten, und das hat vor allem im Innenministerium Folgen. Dort geht nun die Anti-Korruptionsstaatsanwältin Gabriele Sander Vorwürfen des Amtsmissbrauchs, angeblich begangen durch ein schwarzes Netzwerk, auf den Grund. Gleichzeitig herrscht die Befürchtung, Innenminister Herbert Kickl könnte die Affäre benutzen, um mittels Personalaustausch den Kampf gegen Rechtsextremismus abzudrehen.

Die Vorgänge im Innenministerium sind für Kurz heikel. Der Kanzler stellt sich – der Streitvermeidung wegen – hinter Kickl. Abgesehen von den Justizermittlungen wird die Causa auch politisch untersucht werden, die Sondersitzung des Nationalrats und der Nationale Sicherheitsrat am Montag sind die Ouvertüre dazu. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist fix. Dort wird auch die Amtsführung von prominenten ÖVP-Politikern im Innenministerium, von Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka, hinterfragt werden.

Rückblende in den Februar 2017. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil regte in der Causa Eurofighter das Einsetzen eines zweiten Untersuchungsausschusses an. "Wenn Peter Pilz einen U-Ausschuss auf Basis des neuen Minderheitenrechts zustande bringt, dann liefern wir dem Parlament die gesamten fünf Terabyte Akten, ohne dass ein einziges Wort geschwärzt wird", sagte Doskozil dem KURIER. SPÖ und Pilz knieten in der Folge auf der FPÖ, bis Heinz-Christian Strache gemeinsam mit Pilz den U-Ausschuss einsetzte.

Betrieben wurde der U-Ausschuss auch vom damaligen Kanzler Christian Kern, und zwar in der Absicht, Munition für den nahenden Nationalratswahlkampf zu sammeln. Die "schwarzblauen Skandale" sollten den Wählern ins Gedächtnis gerufen werden.

Die SPÖ-Aktion wird jedoch zum Selbstfaller: Der Einzige, der als Beschuldigter von Eurofighter-Ausschuss II übrig blieb, ist der rote Heeresminister Norbert Darabos, angezeigt übrigens von Pilz. Und wenn es demnächst zum Eurofighter-Ausschuss III kommt (weil Nummer 2 wegen der Neuwahl aufhören musste), wird Ex-SPÖ-Heeresminister Doskozil selbst in die Ziehung kommen.

Die ÖVP will Doskozils Amtsführung zerpflücken, damit nicht ihre Innenminister – siehe oben – als einzige Zerzauste dastehen.

Die Kärntner SPÖ hat bei der Landtagswahl durch die Klagenfurter Wahlkartenwähler gerade noch das 18. Mandat (von 36) im Landtag erreicht. Das besänftigte viele SPÖ-Funktionäre, denn das Urnenwahlergebnis am Sonntagabend hatten sie als ungerecht empfunden. In der Tat hat sich Kärnten ein in Österreich einmaliges, mehrheitsfeindliches Wahlrecht gegeben, das Restmandate für Kleinparteien (im Vergleich zu Grundmandaten für große Parteien) verbilligt.

Rückblende ins Jahr 2008. Jörg Haider regierte als Landeshauptmann. Bei der Wahl 2004 hatte Haider 42,4 Prozent errungen, die nächste Wahl stand 2009 kurz bevor, Haiders Popularität war ungebrochen.

Da fügte es sich, dass 2008 in Kärnten aus mehreren Gründen eine Wahlrechtsänderung anstand (z. B. war es das letzte Bundesland, das ein teures Grundmandat statt einer billigeren Prozenthürde für den Landtags-Einzug verlangte). Die SPÖ erblickte die Chance zu verhindern, dass Haider 2009 mit 46 oder 47 Prozent eine absolute Mehrheit bekommen könnte. Sie beschloss mit ÖVP und Grünen, denen das minderheitenfreundliche Wahlrecht zupass kam, die mehrheitsfeindliche Wahlordnung. Mit dem Schnippchen für Haider verhinderte die SPÖ zehn Jahre später ihre eigene absolute Mehrheit.

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