Doris Bures: Mit Messer, Bürste und Jutesack

„Jägerin“: Seit Kindheitstagen sucht Doris Bures Pilze. Die besten Plätze werden nur der Familie verraten. Herrenpilze trocknet sie vorzugsweise – für die Erdäpfelsuppe im Winter
Die Nationalratspräsidentin Doris Bures setzt als Schwammerlsucherin im Wienerwald eine Familientradition fort. Aus der Serie: "Politiker nach Dienstschluss"

Doris Bures geht durch den Wald, und etwas an ihr ist anders. Sie trägt feste Schuhe, eine Wanderhose, und auch das rote Jute-Säckchen sieht man selten an der Präsidentin des Nationalrats.

Aber das ist es nicht.

Seit die SPÖ-Nationalratspräsidentin vom Auto am Straßenrand in den verwachsenen Waldweg abgebogen ist, klingt sie anders. Sie, die stets akkurat abwägt und von Kritikern bisweilen als "Vorsichtlerin" verunglimpft wird, redet munter drauflos. "Gemmas an!" Bures scherzt, verfällt in den Dialekt, wirkt gelöst.

Nadeln unterm Schuh

"Das spezielle Licht, die besonderen Gerüche, die Nadeln unter den Schuhen: all das macht etwas mit dir", sagt sie als wollte sie ihre Ausgelassenheit erklären. "Ich schalte im Wald innerhalb kürzester Zeit ab."

Für die frühere Ministerin ist der Ausflug ins Grüne eine willkommene Abwechslung. "In meinem Job sitzt man viel – in Sitzungen, am Schreibtisch, im Auto."

Und es ist eine Reise in die Vergangenheit. "Unsere Mutter war oft mit uns Kindern im Wienerwald zum Schwammerlsuchen."

Bures hat sich das bewahrt. Beim richtigen Wetter ist sie um sechs Uhr früh unterwegs. "Die anderen wollen ja auch was finden." Das Handy bleibt im Auto. Um geistig abzuschalten. Und weil es sinnlos wäre: "Wo ich unterwegs bin, hat man oft sowieso keinen Empfang."

Die Ausrüstung? Minimalistisch: Ein Pilz-Messer mit Bürste – zum Pilz-Putzen vor Ort; ein Stoffsack – damit die Ernte nicht "schwitzt".

Bures Tochter ist bei vielen Ausflügen dabei, mitunter verabredet sich die Präsidentin mit den Geschwistern.

Das "Revier" ist seit Generationen dasselbe: Rund um Sulz und Breitenfurt, im Südwesten von Wien, ums Eck ihrer Liesinger Heimat. Die vielversprechendsten Plätze für die Eierschwammerl, der Fundort des letzten großen Herrenpilzes: derlei wird in den eigenen Reihen behalten. "Die besten Platzerl bleiben Familiengeheimnis."

Veredelte Suppen

Was macht die frühere Ministerin mit der Beute? Steinpilze werden auf Butterpapier getrocknet und in Streifen geschnitten. In den kalten Monaten veredeln sie die Erdäpfelsuppe.

Aus anderen Pilzen wird zum Beispiel Pesto gemacht, und für alle gilt beim Kochen ein Leitsatz: "Kräuter und Gewürze nur sparsam einsetzen und idealerweise keine Saucen – all das verdeckt den Eigengeschmack."

Suchen, Ernten, Essen – dass man sich daran erfreuen kann, überrascht nicht. Bemerkenswert ist freilich, was Bures später, auf einer Bank in einer Buschenschank, erzählt. Da wird sie grundsätzlich und beginnt über den Wald richtiggehend zu philosophieren. "Bäume sind stark verwurzelt und trotzdem beweglich." Dieser Gedanke gefällt ihr. Und auch der, dass ausgerechnet jene Bäume am widerstandsfähigsten werden, denen der Wind am schärfsten ins Geäst fährt. "Die Kräftigsten sind die ungeschützten am Rand, nicht die in der Mitte. Ein Sturm macht einen Baum stärker, er wächst an der Belastung."

Eine Anspielung auf ihre politische Karriere? Gut möglich. Als Gusenbauer- und Faymann-Vertraute hatte Bures immer wieder mit Gegenwind zu kämpfen. Und der war in den Wiener Zirkeln mitunter noch um einiges garstiger als draußen an den Wirtshaustischen. "Ich diskutier’ nach den Wald-Runden viel mit den Menschen, Du wirst als Politikerin eigentlich nie abschätzig behandelt. Die Leute sind meistens interessiert an einem Gespräch." Ehrlich? Auch die, die sich aufgrund der Flüchtlingsthematik von der Politik verlassen fühlen? "Ich sag’ den Enttäuschten: Wer die Leute aufhetzt, löst kein Problem. Probleme löst man miteinander – egal worum’s geht."

Bures ist auf dem Weg zurück zum Auto, da kommt noch diese eine Frage: Wie oft kommen Sie eigentlich vom Schwammerlsuchen mit leeren Händen zurück, Frau Bures? Die Präsidentin überlegt nicht lange. "Nie. Ich finde immer etwas. Immer."

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