Kein Rücktritt vom Rücktritt: Pilz nimmt Mandat nicht an

Peter Pilz am Montag bei einem Hintergrundgespräch
Nachdem er seinen Rückzug wieder in Frage gestellt hatte, bleibt Peter Pilz jetzt doch bei seinem Mandatsverzicht. Er prüft allerdings medienrechtliche Schritte. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Geht er nun oder geht er doch nicht? Hatte Peter Pilz am Samstag noch seinen Rückzug aus dem Parlament angekündigt, wurde die Causa um sexuelle Belästigung Montagfrüh um eine Volte reicher. Pilz sagte im ORF-Radio: "Ich bin mir nicht der geringsten Schuld bewusst". Er werde bis Mittwoch entscheiden, wie er mit seinem Mandat umgehe.

Heute Mittag gab Pilz in einem spontan einberufenen Hindergrundgespräch vor Journalisten ein weiteres Statement ab. "Ich schließe das heute ab", sagte er in den Räumlichkeiten der Liste Pilz. Er werde sein Nationalratsmandat sicher nicht annehmen. Somit ist der Rücktritt vom Rücktritt gleich wieder abgeblasen. "Ich will nicht mehr", sagte Pilz. "Ich nehme mein Mandat nicht an. Es ist vorbei." Aber es sei "kein Rückritt", erklärte Pilz. "Ich werde mich nicht von meiner Liste zurückziehen. Außerhalb des Parlaments werde ich tätig sein", erklärte der 63-jährige Ex-Grüne und Listengründer.

Kein Rücktritt vom Rücktritt: Pilz nimmt Mandat nicht an
ABD0014_20171106 - WIEN - ÖSTERREICH: Peter Pilz am Montag, 06, November 2017 anl. eines Hintergrundgespräches zum Thema "Sexuelle Vorwürfe" in Wien . - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Pilz beschrieb erneut ausführlich seine Sicht auf die Vorwürfe einer ehemaligen Mitarbeiterin aus dem Grünen Klub (siehe unten). Am 17. Dezember 2015 soll er in einer Klubleitungssitzung erstmals mit der Sache konfrontiert worden sein. In dieser Sitzung habe Eva Glawischnig laut Darstellung Pilz' erklärt, es handle sich ausschließlich um Vorwürfe der verbalen Belästigung. Aber die Vorwürfe könnten nicht geklärt werden, weil die Betroffene kein Verfahren will.

Gemeinsam mit seinem Anwalt und Neo-Mandatar Alfred Noll prüft Pilz nun rechtliche Schritte - allerdings nicht gegen jene Personen selbst, die ihm sexuelle Belästigung vorwerfen. Hier sehe man derzeit keine Handhabe, aber: "Ja, wir überlegen durchaus, möglicherweise medienrechtliche Schritte zu ergreifen." Details dazu nannte der 63-jährige Politiker nicht. Am Ende des eineinhalbstündigen Gesprächs sagte Pilz: "Aus, Schluss, ich will nicht mehr."

Was wird dem Ex-Grünen und Listengründer eigentlich vorgeworfen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Nimmt Peter Pilz sein Mandat nun an oder nicht?

Am Freitagabend, nachdem die ersten Vorwürfe publik wurden, hieß es noch: Nein, Pilz bleibt. Als Samstagfrüh neue Belästigungs-Anschuldigungen gegen Pilz im Falter aufgetaucht sind, zog Pilz dann doch einen Schlussstrich: In einer Pressekonferenz verkündete der Ex-Grüne, dass er angesichts der schweren Vorwürfe nun den Hut nimmt und auf sein Nationalratsmandat verzichtet. Montagfrüh kam es dann zur nächsten Wendung: Pilz sagte im Ö1-Morgenjournal, dass er von einem politischen Komplott gegen ihn ausgehe und sich überlegen werde, ob er doch noch in den Nationalrat geht. Spätestens am Mittwoch, so der Abgeordnete, will er seine Entscheidung verkünden. Skurril: Eine knappe Stunde nach seinem Radio-Auftritt twitterte Pilz folgendes: "Am Samstag habe ich erklärt, dass ich mein Mandat nicht annehme. Ich werde meinen neuen Klub von außen unterstützen". Nun, zur Mittagsstunde, erklärte Pilz vor Journalisten, bei seiner Entscheidung vom Samstag zu bleiben. Er werde also nicht für seine Liste Pilz im Parlament sitzen.

Was wird Peter Pilz eigentlich vorgeworfen?

Im Wesentlichen geht es um zwei unterschiedliche Fälle: Der erste, am Freitag aufgetauchte, betrifft Anschuldigungen einer ehemaligen Mitarbeiterin des Politikers. Sie fühlt sich in mehreren Fällen von Pilz sexuell belästigt und meldete die angeblich 40 Fälle der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Gleichzeitig wollte sie nicht, dass die Sache öffentlich wird. Pilz soll, so der Vorwurf, seine Mitarbeiterin mehrmals ungustiös angesprochen und zu Urlauben, Spaziergängen oder anderen privaten Unternehmungen eingeladen haben. Pilz bestreitet dies. Der zweite Vorwurf betrifft einen Abend beim "Europäischen Forum Alpbach" im Jahr 2013. Dort soll Pilz eine Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei in betrunkenem Zustand aggressiv begrapscht haben. Er selbst sagt, sich nicht daran erinnern zu können.

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Gibt es Zeugen? Wer sind sie?

Zumindest zwei Leute bezeugen den im Falter berichteten Alpbach-Vorfall. Dabei handelt es sich um den Banker Christian Niedermüller, der noch am Freitagabend auf Twitter schrieb, "persönlich Zeuge einer sexuellen Belästigung" in Alpbach im Jahr 2013 gewesen zu sein. Er ist Finanz- und Risikochef der bundeseigenen Abbaubeteiligungsgesellschaft des Bundes (ABBAG). Er nannte weiters den Anwalt Oliver Stauber als Zeugen dieses Vorfalls.

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Christian niedermüller
Stauber ist Geschäftsführer und Gründer der SPÖ-Organisation "Sektion ohne Namen". Stauber, der den Vorfall schon am Samstag gegenüber dem KURIER bestätigte, spricht von einer "brutalen" Vorgangsweise, die beiden Männer hätten Pilz von der Frau weggezogen. Stauber im Gespräch mit dem KURIER: "Pilz war an dem Abend offensichtlich alkoholisiert, und hatte sich und seine Hände nicht unter Kontrolle." Pilz erklärte am Montag, die "zentrale Rolle" Staubers als SPÖ-Politiker aufklären zu wollen. Stauber selbst wehrt sich gegen Pilz' Vorwurf. "Pilz muss aufhören, eine Intrige zu spinnen, die es nicht gibt", sagte er am Montag gegenüber der APA. "Ich habe null Interesse daran, dass Pilz nicht im Nationalrat ist - im Gegenteil", beteuerte Stauber.
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Oliver Stauber SPÖ
Er sei in die Sache nur deshalb involviert, weil er auf Twitter von Niedermüller ungefragt als weiterer Zeuge genannt worden sei. Zumindest ein dritter Zeuge sei bereit in einem Gerichtsverfahren als Zeuge zur Verfügung zu stehen. Dieser dritte Zeuge sei beruflich im Ausland tätig und habe nichts mit der österreichischen Innenpolitik zu tun.

Wo kommen die Informationen über angebliche Belästigung im Grünen Klub her?

Das ist noch nicht geklärt. Die Grünen behaupten, die Sache nicht an die Öffentlichkeit gespielt zu haben. Mehrere Theorien kursieren in den Medien - eine davon deutet sogar auf eine Neos-Beteiligung im Fall der ehemaligen Pilz-Mitarbeiterin hin: Die zuständige Gleichbehandlungsanwältin kandidierte für die Pinken im Burgenland. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat ausgeschlossen, dass die Unterlagen von ihr an Medien weitergegeben wurden. Welche Gleichbehandlungsanwältin mit einem konkreten Fall betraut wird, entscheide sich nach einem internen Fallrad.

Ob die Grünen am "Leak" beteiligt sind, ist bisher nicht klar. Spekuliert wurde, dass die kürzlich geübte massive Kritik der Liste Pilz an Heumarkt-Befürworter Christoph Chorherr von den Wiener Grünen ein möglicher Auslöser gewesen sein könnte. Auch die Ankündigung Pilz', mit seiner Liste möglicherweise bei der nächsten Wien-Wahl anzutreten, wurde als mögliches Motiv genannt. Pilz selbst stellte am Samstag einen "politischen Revancheakt" der Grünen in den Raum. Eva Glawischnig, die damals als Grünen-Chefin mit den Vorwürfen gegen Pilz konfrontiert wurde, wies noch am selben Tag jeglichen Vorwurf einer "politischen Intrige" zurück. Ein weiteres Gerücht handelt von einem ÖVP-nahen Berater, der die Causa den Medien zugespielt haben könnte. Auf Twitter verwiesen mehrere Journalisten auf Parallelen zur Causa Silberstein. Auch da hätten dieselben Medien, Profil und Presse, zeitgleich ihnen zugespielte Informationen veröffentlicht.

Warum handelten die Grünen nicht früher?

Die frühere Grünen-Chefin Eva Glawischnig wäre für einen sofortigen Rauswurf von Peter Pilz gewesen, hätten die Belästigungsvorwürfe gegen Pilz im Jahr 2016 endgültig geklärt werden können. Weil die betreffende Mitarbeiterin dem aus verständlichen Gründen nicht zugestimmt hatte, sei es nicht dazu gekommen, sagte sie am Montag im Ö1-"Mittagsjournal". Man habe den Opferschutz im Klub sehr ernst genommen, die Gleichbehandlungsanwaltschaft habe dies auch bestätigt, so Glawischnig. Sie selbst hätte die Klärung der Causa "selbstverständlich" gewollt. Sie könne aber nachvollziehen, dass die Betroffene dies aus Angst vor Stigmatisierung und der Auseinandersetzung mit "einem der mächtigsten Männer der Grünen" nicht wollte. Klar sei: Wenn man mit den Maßstäben an die Causa herangehe, die die Grünen an andere Parteien anlegten, "hätte ich - überhaupt keine Frage - in der Sekunde hätte ich gesagt, das ist nicht tragbar", so Glawischnig. "Ja", sie wäre für einen Rücktritt gewesen. Auf die Frage, ob sie Pilz die zu Last gelegten Vorwürfe zugetraut hätte, meinte sie: "Gewundert hat es mich nicht." Er sei ein Mann, der wisse, dass er Macht ausübe, und er könne sehr manipulativ agieren.

Wie konnte es sein, dass die Grünen Pilz noch einen Vorzugsstimmenwahlkampf anboten?

Im Juni wurde Pilz bekanntlich beim Grünen Bundeskongress nicht auf den gewünschten vierten Listenplatz gewählt. Danach zog sich Pilz von den Grünen zurück. Dass der Bundesvorstand Pilz dann trotz des Wissens um die Causa noch einen Vorzugsstimmenwahlkampf angeboten hatte, irritiert manche Beobachter. Glawischnig begründete dies auf Ö1 damit, dass zwar die Klubleitung, nicht aber der Parteivorstand eingeweiht gewesen sei. Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek habe also nichts von den Vorwürfen gewusst, Klubchef Albert Steinhauser sei aber Mitglied der Klubleitung gewesen. Dass Pilz bei der Listenwahl ausschließlich wegen der Belästigungsvorwürfe das Nachsehen hatte, stellte Grün-Mandatar Michel Reimon am Sonntag auf Twitter in Abrede: Von den konkreten Vorwürfe hätte "ja nur eine handvoll" Leute gewusst, stimmberechtigt seien rund 300 gewesen.

Warum wurde die Sache auch im Wahlkampf nicht publik?

Weil die betroffene Mitarbeiterin die Sache noch immer nicht an die Öffentlichkeit bringen wollte, verzichteten die im Wahlkampf strauchelnden Grünen darauf, ihren Hauptgegner zu beschädigen. Ungefähr eine Woche nach der Wahl erreichte das Gerücht indes den Falter, das geht aus einer teilweisen Offenlegung des Rechercheverlaufs von Chefredakteur Florian Klenk hervor. Ein fertiger Artikel zur Causa wurde vor zwei Wochen noch aus dem Blatt genommen, weil die ehemalige Pilz-Mitarbeiterin immer noch keine Veröffentlichung wünschte, erklärte Klenk auf Facebook.

Wenn Pilz aufs Mandat verzichtet, kann er es dennoch später annehmen?

Pilz hat zwar kein Rückkehrrecht auf sein Mandat, wie Parlamentsexperte Werner Zögernitz gegenüber der APA erklärt. Über Umwege, wenn ein anderer seiner Abgeordneten sein Mandat zurücklegt, könnte Pilz aber wieder nachrutschen. Bleibt Pilz bei seinem Verzicht, würde für ihn dann über die steirische Liste Martha Bißmann einziehen. Im Laufe der Legislaturperiode kann Pilz nur dann nachrücken, wenn einer jener Abgeordneten das Mandat zurücklegt, die auf derselben Liste wie er stehen. Pilz war sowohl auf der steirischen Landesliste als auch auf der Bundesliste Nummer Eins. Über die Bundesliste ziehen Alfred Noll, Bruno Rossmann und Alma Zadic ins Parlament ein. Sollte also einer von ihnen oder Bißmann während der Periode aufhören, wäre wieder Pilz am Zug.

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Liste Pilz

Pilz geht in die Gegen-Offensive

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