Direkte Demokratie: Koalition glaubt an Stein der Weisen

Wollen auch über Geldstrafen für verhaltensoriginelle Abgeordnete diskutieren: Lopatka, Schieder
SPÖ und ÖVP für Volksbefragung, falls Nationalrat ein gutes Volksbegehren ignoriert.

Die Koalitionsklubobleute Andreas Schieder und Reinhold Lopatka nehmen einen neuen Anlauf für die Einführung von mehr direkter Demokratie in Österreich.

Der letzte Versuch scheiterte, weil er einen Volksab-stimmungs-Automatismus vorsah, der das Parlament als Gesetzgeber ausgehebelt hätte. Jetzt glauben Schieder und Lopatka den Stein der Weisen gefunden zu haben. Das angestrebte Prinzip: Wenn ein Volksbegehren von mehr als zehn Prozent der Wahlberechtigten (630.000 Personen) bei einfachen Gesetzen und von mehr als 15 Prozent bei Verfassungsgesetzen unterstützt wird, und das Parlament dieses Volksbegehren nicht umsetzt, soll es eine verpflichtende Volksbefragung geben.

Das Parlament als Gesetzgeber wäre mehrfach in den Prozess eingebunden: Erstens, es kann das Volksbegehren umsetzen. Zweitens, es kann bei einer Volksbefragung einen Gegenentwurf zu dem der Volksbegehrensbetreiber zur Abstimmung stellen. Drittens ist das Ergebnis von Volksbefragung für den Gesetzgeber rechtlich nicht bindend (politisch aber kaum ignorierbar).

Nicht die Schweiz

Schieder: "Anders als in der Schweiz behält das Parlament das letzte Wort."

Lopatka räumt ein, dass es heikle Fälle geben kann, etwa, wenn eine Volksbefragung ergäbe, dass der Nationalrat von 183 auf nur mehr 61 Abgeordnete zu verkleinern sei. Lopatka: "So etwas könnte der Gesetzgeber nicht umsetzen, denn das würde das Funktionieren der repräsentativen Demokratie infrage stellen." Die Politik müsste dann eben argumentieren, warum sie dem Befragungsergebnis nicht nachkommt, und würde gegebenenfalls bei der nächsten Wahl dafür abgestraft.

Von der verpflichtenden Volksbefragung sollen Themen ausgenommen sein, die EU-Recht, Völkerrecht, und Grundrechten widersprechen oder den Staatshaushalt "erheblich belasten".

Die direkte Demokratie soll ein Jahr lang von den sechs Parlamentsparteien in einer Enquete diskutiert werden. Weitere Themen: Geldstrafen für Abgeordnete, die im Plenum ständig entgleisen; neue Regeln für Untersuchungsausschüsse und, in einer eigenen Enquete, ein Verbot von Sterbehilfe.

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