Diplomatenpässe für Ex-Minister

Ex-Minister wie Karl-Heinz Grasser genießen nach wie vor das Privileg eines Diplomatenpasses, der im Ausland Tür und Tor öffnen kann.

Ein paar Millionen um die Welt geschickt, in einem benachbarten Steuerparadies geparkt, dort abgeholt in einem Koffer. Ab mit dem Cash zurück nach Österreich. Dank Diplomatenpass unbehelligt von etwaigen Kontrollen und lästigen Fragen.

Unmöglich? Nicht für Österreicher. Nicht für Österreicher, die irgendwann einmal ein Minister- oder Staatssekretärsamt bekleideten. Diesen Personen steht selbst dann ein Diplomatenpass zu, wenn sie längst nicht mehr im Dienste ihrer Republik das Ausland bereisen. Sie können ihren Diplomatenpass alle fünf Jahre verlängern. Und sie könnten theoretisch, so sie dubiosen Geschäften nicht abgeneigt wären, in aller Ruhe Schäfchen ins Trockene bringen.

Verlängerung

Im November 2011 lässt Karl-Heinz Grasser, Österreichs prominentester und umstrittenster Ex-Politiker, seinen Diplomatenpass um fünf weitere Jahre verlängern. Jener Mann also, der als Finanzminister einmal Hunderttausende Euro Bargeld aus dem benachbarten Ausland abholte, um es für die Schwiegermutter zu veranlagen. Daran hegt die Staatsanwaltschaft heute allerdings gewisse Zweifel. Die aktuell brisante Frage lautet: Warum bekommt KHG nach wie vor einen Diplomatenpass, obwohl er dem Land seit 2007 nicht mehr als Minister dient und überdies die Justiz auf Trab hält?

Für Diplomatenpässe ist das Außenministerium zuständig. Sprecher Peter Launsky-Tieffenthal zeigt sich irritiert, als er vom KURIER nach den seltsamen Gepflogenheiten rund um die Diplomatenpässe befragt wird. "Past and Present für ehemalige Regierungsmitglieder und Staatssekretäre", so umschreibt Launsky elegant den grotesk anmutenden Status quo. Will heißen: Wer den begehrten Pass, der Türen öffnet und Diskretion garantiert, einmal als Minister in der Tasche gehabt hat, der behält ihn auch. Solange er das will.

Karl-Heinz Grasser will das offenbar. Nur äußern will er sich dazu trotz schriftlicher KURIER-Anfrage nicht. Doch welche Vorteile bringt der Pass nun tatsächlich?

Unverletzlich

Die absolute Immunität gilt offiziell nur, wenn in Verbindung mit dem Pass auch eine Akkreditierung im jeweiligen Land vorliegt – also wenn der Diplomat für sein Land unterwegs ist. Dann aber ist er unverletzlich. Jegliche behördliche Verfolgung ist unmöglich, auch Aktenkoffer, Wohnung oder Auto dürfen nicht durchsucht werden. Selbst potenzielle Raser oder Alkolenker bleiben unbehelligt.

Und hier beginnt die Groteske made in Austria: Diplomatenpässe werden in Wien auch ohne (!) offizielle Mission ausgestellt. Dass ein ausländischer Verkehrspolizist bei der Ansicht eines österreichischen Diplomatenpasses tatsächlich danach fragt, ob denn auch eine offizielle Mission dahinterstecke, kommt in der Praxis nicht vor, wie KURIER-Recherchen ergeben haben.

Schutzschild

Ein ehemaliger Inhaber eines Diplomatenpasses verrät: "Man muss sich nirgends anstellen, kommt überall gleich durch. Ohne Kontrollen. Ohne Fragen. Einfach den Diplomatenpass herzeigen, das war’s." Ein Ex-Minister bestätigt diese Version. Er sei mit seinem Diplomatenpass in 15 Jahren überhaupt nur zwei Mal kontrolliert worden – bei einer Gruppenreise auf Flughäfen in Israel und in Albanien. Süffisanter Nachsatz: "Ich hätte mich eigentlich auf die Immunität berufen können – obwohl ich nicht in offizieller Mission unterwegs war."

Diese Gepflogenheiten könnten auch all jene, die nicht nur Gutes im Schilde führen, dazu verleiten, den diplomatischen Schutzschild vorzuschieben. Auffliegen wird so gleichsam zur Mission impossible. In Deutschland zeigt man sich übrigens amüsiert und verblüfft über die Vergabepraxis in Österreich. Laut Außenamt könnten zwar auch ehemalige deutsche Regierungsmitglieder einen Diplomatenpass erhalten –, aber nur dann, "wenn sie im amtlichen Auftrag bzw. im besonderen deutschen Interesse tätig werden".

Ebendies ist der entscheidende Unterschied zu Österreich. Hierzulande darf jeder Ex-Minister seinen Diplomatenpass verlängern. Auch wenn er längst nicht mehr für sein Land, sondern nur noch in eigener Sache unterwegs ist.

Diplomatie & Vorrechte: Alles begann 1961 in Wien

Regelwerk Am 18. April 1961 wurde das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen unterzeichnet, das nahezu weltweit ratifiziert wurde. Darin heißt es u. a.: "Die Person des Diplomaten ist unverletzlich. Er unterliegt keiner Festnahme oder Haft (...)". Auch die Wohnung des Diplomaten genießt Unverletzlichkeit und Schutz des Gastlandes. "Reist ein Diplomat (...) durch das Hoheitsgebiet eines dritten Staates (...), so gewährt ihm dieser Staat Unverletzlichkeit und alle sonstigen für seine sichere Durchreise oder Rückkehr erforderlichen Immunitäten." Im Übereinkommen heißt es in weiser Voraussicht aber auch, dass Vorrechte nicht Einzelne bevorzugen dürfen, sondern lediglich für diplomatische Missionen gelten dürfen.

Diplomatie & Vorrechte: Alles begann 1961 in Wien Regelwerk Am 18. April 1961 wurde das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen unterzeichnet, das nahezu weltweit ratifiziert wurde. Darin heißt es u. a.: „Die Person des Diplomaten ist unverletzlich. Er unterliegt keiner Festnahme oder Haft (...)“. Auch die Wohnung des Diplomaten genießt Unverletzlichkeit und Schutz des Gastlandes. „Reist ein Diplomat (...) durch das Hoheitsgebiet eines dritten Staates (...), so gewährt ihm dieser Staat Unverletzlichkeit und alle sonstigen für seine sichere Durchreise oder Rückkehr erforderlichen Immunitäten.“ Im Übereinkommen heißt es in weiser Voraussicht aber auch, dass Vorrechte nicht Einzelne bevorzugen dürfen, sondern lediglich für diplomatische Missionen gelten dürfen. Gesetz Das österreichische Diplomatenpassgesetz besteht aus nur zwei Paragrafen. Der erste legt fest, für wen ein Diplomatenpass auszustellen ist: Neben „echten“ Diplomaten und deren Angehörigen sind dies: Bundespräsident, Präsidenten des Nationalrates, Präsidenten sowie Vizepräsidenten des Bundesrates, Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre, Präsidenten und Vizepräsidenten der Höchstgerichte, Präsident des Rechnungshofes, Mitglieder der Volksanwaltschaft. Im zweiten Paragraf heißt es: „Diplomatenpässe können für längstens fünf Jahre ausgestellt werden.“ Nichts jedoch ist vermerkt über Voraussetzungen wie offizielle Missionen oder über die Ungültigkeit des Passes mit dem Ausscheiden aus dem Amt.

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