Die SPÖ lotet Neuwahl und das Potenzial von Sebastian Kurz aus

Ist Sebastian Kurz ein Fluch oder ein Segen? Das lässt SPÖ-Kanzler Kern gerade abtesten. Er rechnet kaum damit, dass Reinhold Mitterlehner sein Konkurrent wird
Die SPÖ erhebt in Umfragen, ob die Wähler für Neuwahlen wären, falls der jüngste Neustart der Koalition wieder platzt. Möglich ist es: So stehen die Schul-Autonomie und die Weiterentwicklung der Kindergärten wegen der Länder Spitz auf Knopf.

Glück für den KURIER, Pech für die SPÖ. In den Zufallsgenerator des SPÖ-nahen Meinungsforschungsinstituts IFES geriet ein aufgeweckter KURIER-Leser. Er berichtete anschließend an das zwanzigminütige Telefoninterview mit dem Meinungsforscher ausführlich, was die SPÖ derzeit interessiert.

Zum Beispiel, ob die Leute für Neuwahlen zu gewinnen wären, falls der x-te und allerletzte Reform-Anlauf der rot-schwarzen Regierung wieder stecken bleibt.

Besonders pikant: Über weite Strecken drehten sich die Fragen um Außenminister Sebastian Kurz, den Shootingstar der ÖVP.

Reinhold Mitterlehner, so berichtet der Leser, kam bei den Fragen kaum vor – was den Rückschluss zulässt, dass auch die SPÖ kaum noch mit Mitterlehner als ÖVP-Spitzenkandidaten rechnet.

Auch der "Plan A" und Aussagen von Kanzler Christian Kern wurden in der IFES-Umfrage ausführlich abgefragt.

In der SPÖ-Zentrale wurde dem KURIER bestätigt, dass eine große Umfrage gerade im Feld sei. Danach werde es auch noch genauere Fokus-Gruppen-Analysen geben. Zum Inhalt der Meinungsforschung wollte die SPÖ nicht Stellung nehmen.

Der KURIER hat bereits rund um die Präsentation von Kanzler Kerns "Plan A" in Wels aus hohen Parteikreisen von einer Neu-Positionierung der SPÖ erfahren. Und da passt die Umfrage perfekt ins Bild.

Demnach will die SPÖ mit der Person des Kanzlers weiter in die Mitte rücken. Kerns Anfangspositionierung – man erinnere sich an Maschinensteuer und Anti-CETA – war zu weit links. Bei seiner programmatischen Rede in Wels hat Kern die Text-Bild-Schere zu seinem Manager-Outfit dann wieder geschlossen. Ansagen wie, er wolle "Österreich zu einer Gründernation machen", könnten aus dem Programm des ÖVP-Wirtschaftsbunds stammen.

Sowohl die moderne Inszenierung mit der 360-Grad-Bühne als auch der Plan A – er ist beinahe schon zum geflügelten Wort geworden – waren für die SPÖ ein voller Erfolg. Der Protest von Gewerkschaften und Parteijugend gegen Kerns allzu große Wirtschafts-freundlichkeit kommt den SPÖ-Strategen zupass – hilft dies doch ungewollt, Kerns neues Profil zu schärfen.

Sinn und Zweck der Übung ist das Ziel, bei der kommenden Nationalratswahl eine Mehrheit aus SPÖ, Grünen und Neos zu erreichen. Kern möchte möglichst viele FPÖ- und ÖVP-Wähler gewinnen, und das Potenzial der Grünen den Grünen lassen.

Die bisher übliche Polarisierung Rot gegen Blau hat der SPÖ stets Grün-Wähler zugetrieben. Das sicherte der SPÖ zwar immer den ersten Platz, aber auf der anderen Seite sah sie sich einer satten schwarz-blauen Mehrheit gegenüber.

Kern versucht nun das Kunststück, die Gesamt-Mehrheit zu drehen. Hoffnung machen der SPÖ jene 54 Prozent, die bei der zweiten Bundespräsidentenstichwahl gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer und für Alexander Van der Bellen stimmten. Erstmals seit den Zeiten Bruno Kreiskys votierte die Mehrheit der Österreicher wieder für Mittelinks, nicht für Mitterechts.

An diesem Punkt kommt Sebastian Kurz ins Spiel. Die SPÖ lotet mithilfe der Meinungsforschung aus, ob der ÖVP-Jungstar den Blauen genügend Stimmen wegnehmen kann, damit die Blauen hinter die SPÖ zurückfallen. Derzeit liegt die FPÖ in allen Umfragen mit solidem Abstand auf Platz 1.

Als "Waffe" gegen die FPÖ wird Sebastian Kurz in manchen SPÖ-Kreisen mit Sympathie betrachtet. Andererseits herrscht in der SPÖ auch die Sorge, dass Kurz allzu viele Wähler zu sich ziehen könnte – sodass er zwar die Blauen vom ersten Platz verdrängt, sich aber selbst dorthin katapultiert. Die Junge ÖVP verfügt über eine Umfrage, laut der eine Kurz-ÖVP auf Platz 1 hüpfen würde. Naheliegend, dass die SPÖ das IFES anhand von Kurz-Kern-Vergleichen überprüfen lässt, ob dies ein realistisches Szenario ist.

Am künftigen Umgang der SPÖ mit Kurz wird man ablesen können, was die Umfragen erbracht haben: Schont sie ihn, ist er gut. Attackiert sie ihn, ist er zu gut.

Der Reform-Kindergarten

Manchmal ist in sperrigen Sätzen Großes verborgen. So heißt es im aktualisierten Regierungsprogramm beim Kapitel Bildung: "Für die Schulautonomie werden auch die Bildungsbehörden modernisiert, welche in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Ministerium die punktgenaue und transparente Zuteilung der Mittelressourcen anhand objektiver und klarer Kriterien sichern.

Umsetzung: Ministerrat im April 2017, Start: 1. Jänner 2018."

Hinter diesem Satz steckt nicht mehr und nicht weniger, als dass das Jahrzehnte-Ärgernis der politischen Besetzung der Landesschulräte und die von den Ländern schleichende Unterwanderung der Schulbehörden mit Jahresende abgestellt werden soll.

Über die Landesschulräte hat der Rechnungshof in den letzten beiden Jahren ganze Konvolute von kritischen Berichten verfasst. Darin erfährt man, wie die Landesschulräte, die eigentlich eine Bundesbehörde sind, schleichend von den Ländern unterwandert wurden. Die Länder zahlen den dortigen Bundes-Beamten Zulagen und Vergütungen, obwohl der Bund bereits für alles aufkam. Sie stellen zusätzliche Landesbedienstete ein, aber wer was macht und wofür Geld bekommt, bleibt im Dunkeln. Die Präsidenten und Vizepräsidenten der Landesschulräte hält der Rechnungshof für "nicht zweckmäßig", deren Repräsentationsspesen, Dienstwagen und Funktionsgebühren von über 100.000 € im Jahr könne man ersatzlos einsparen. Im Landesschulrat Oberösterreich fand der Rechnungshof sogar Rechnungen für den Ankauf von Alkoholika und Dienstessen vor, bei denen sich der Präsident weigerte zu sagen, mit wem er essen war. Es habe sich um "vertrauliche Gespräche" gehandelt.

"All das geht auf Kosten des Bildungsbudgets", ärgert sich SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Grossmann.Sie ist Mitglied der Bildungsreformgruppe und meint mit Verweis auf das Arbeitsprogramm der Regierung, dass diese politischen Funktionäre im Landesschulrat ab 1. Jänner Geschichte sein sollten. Grossmann: "Es wird eine neue Bildungsbehörde geben, die der neuen Struktur der autonomen Schulen angepasst ist. Behördenleiter wird ein Bundesbeamter sein, die Mitarbeiter werden aus den derzeitigen Landesschulräten übernommen." Übergeordnete Instanz wird das Bildungsministerium.

Allerdings müssen da die Länder mitspielen, denn derzeit mischen sie im Pflichtschulbereich bis hinunter in die Kindergärten kräftig mit. Das Kompetenzwirrwarr wird an einem Beispiel besonders augenfällig: Die Regierung will ein verpflichtendes, zweites Gratis-Kindergartenjahr einführen. Die Träger der Kindergärten sind die Gemeinden. Das Geld kommt vom Finanzministerium, aber die Länder bestehen darauf, dass sie es an die Gemeinden verteilen. Für die Kindergärten zuständiges Ministerium ist das Familienministerium, für die Bildung das Unterrichtsministerium. So kommt es, dass über dem geplanten Bildungsplan für vierjährige Kinder gezählte vier Landeshauptleute, drei Ministerien sowie der Städte- und Gemeindebund brüten. Großmann: "Der Bund wird künftig den Kindergärten viel stärkere Vorgaben machen. Sie werden zur Bildungseinrichtung. Da wäre es am einfachsten, wenn sie künftig zum Bildungsministerium ressortieren und das Geld direkt an die Gemeinden geht."

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