Die Schulreform im Praxistest

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) bei der Präsentation der Ergebnisse der Bildungsreform
Was sich für Eltern, Schüler und Lehrer ändert – und woran der Regierungsplan noch scheitern kann.

"Mögen hätt’ ich schon wollen, aber dürfen hab’ ich mich nicht getraut", fasst der Grüne Bildungssprecher Harald Walser die am Dienstag präsentierte Bildungsreform aus seiner Sicht zusammen. Dabei wurde diese von der Regierung als "größte Schulreform seit Jahrzehnten" angekündigt.

Was die Neuerungen für den Schulalltag für Lehrer, Schüler und Eltern bedeuten könnten, hat der KURIER zusammengefasst.

  • Können schlechte Lehrer bald gekündigt werden?

Nein. Das wären wesentliche Eingriffe in das Dienstrecht, die nicht vorgesehen sind. Nur bei neuen Lehrern soll der Schulleiter über eine Vertragsverlängerung entscheiden können.

  • Die Lehrpläne sollen flexibler gestaltet werden – was heißt das in der Praxis?

Das hängt vom Standort, dem Leitbild des Direktors und dem Engagement seines Teams ab. Der Schulleiter kann zwar gewisse Schwerpunkte setzen und den Schulalltag neu gestalten, er muss aber schauen, dass sein Standort bei Testungen ordentliche Ergebnisse liefert.

  • Kommt jetzt die Gesamtschule?

Nein. Das Gymnasium bleibt erhalten. Zwar soll es Modellregionen geben, in denen es weder AHS noch NMS-Unterstufen geben wird. Doch Eltern können weiter in private Schulen und andere Regionen ausweichen. Den Grünen reicht die Ankündigung, nur 15 Prozent aller Standorte eines Bundeslandes zu solchen Modellregionen zu verschmelzen, nicht. Die Regierung braucht aber die Stimmen der Grünen für diese Reform. Verärgert sind alle Schulpartner, dass sie bei der Entscheidung, wo eine Modellregion entsteht, nicht einbezogen werden müssen. In Vorarlberg, wo alle Parteien für eine Gesamtschule gestimmt haben, ist Landesrätin Bernadette Mennel "sehr enttäuscht" über die Vorschläge zur Gesamtschule. "Da hätte ich mir mehr Mut gewünscht."

  • Können Eltern künftig mitentscheiden, welche Lehrer kommen oder gehen?

Das ist nicht vorgesehen. Weder Schüler noch Lehrer bekommen ein Mitspracherecht – auch nicht bei der Bestellung von Direktoren.

  • Ab wann wird meine Schule von 7 Uhr bis 18 Uhr geöffnet haben?

Sobald die Reform in Kraft tritt, soll eine Schule über die Öffnungszeiten selbst bestimmen können. Eine einfache Mehrheit der Schulpartner (Lehrer, Eltern, Oberstufen-Schüler) würde ausreichen. Lehrer-Gewerkschafter Paul Kimberger warnt aber davor, die Mitbestimmung auszuhebeln.

  • Wenn mein Kind den ganzen Tag in der Schule ist, wird es dann noch Hausübungen geben?

Theoretisch nein, praktisch ja. Denn bereits jetzt zeigt sich, dass an vielen Ganztagsschulen die Eltern zu Hause dafür sorgen müssen, dass die Kinder nachholen, was in der Schule am Nachmittag nicht gemacht wurde.

  • Die Schulwahl soll noch wichtiger werden. Wie kann man feststellen, welche Schule eine gute ist?

Das Problem ist die Transparenz der Bildungsergebnisse wie z. B. Bildungsstandards oder die Zentralmatura. Den Landesregierungen und dem Bund sind die Ergebnisse der einzelnen Standorte bekannt, sie veröffentlichen diese aber nicht.

  • Der Direktor soll fünf Prozent der Lehrerdienstposten auch in Hilfspersonal umwandeln können. Was heißt das?

Psychologen, Sozialarbeiter, aber auch Handwerker, die mit den Kindern arbeiten, sollen eingestellt werden können. Eigentlich eine gute Sache. Experten fordern aber, dass diese Stellen nicht anstatt, sondern zusätzlich zu den Lehrern geschaffen werden. Vonseiten der Lehrer wird es da sicher viel Widerstand geben.

  • Wie sollen Schulen, die Probleme haben, besser werden?

In den Niederlanden,in Schweden oder Kanada erhalten Schulen mit hohem Migrantenanteil deutlich mehr Ressourcen. In Österreich ist das wieder nicht vorgesehen. Das Problem war, dass ländliche Regionen befürchten, dass Geld von ihnen in Richtung Ballungszentren abgezogen wird.

  • Wird die IT-Ausstattung an den Schulen jetzt verbessert, wird es überall Internet geben?

Nein. Es wird zwar angestrebt, dass bis 2020 "ultraschnelles Breitbandinternet" verfügbar werden soll. Aber für diese "große Bildungsreform" wird es vom Finanzminister keinen zusätzlichen Cent geben.

  • Laut Rechnungshof versickert zu viel Geld in der Verwaltung, wird das durch die Reform jetzt verbessert?

Sechs Millionen Euro – bei einem Jahresbudget von acht Milliarden (also 0,08 Prozent) – sollen durch den Wegfall von Gremien und Vize-Landesschulratspräsidenten eingespart werden. Die Antwort ist also: Nein. Das System wird ein bisschen transparenter, wenn der Bund sehen kann, wie viele Landeslehrer tatsächlich unterrichten oder woanders arbeiten. Das konnte der Bund noch nie.

  • Der Kindergarten in einem Ort sperrt schon zu Mittag zu, während er in Wien ganztägig geöffnet ist. Wird das jetzt besser werden?

Nein. Das bleibt weiterhin Sache der Kommunen bzw. Bundesländer.

  • Muss mein Kind mit vier Jahren jedenfalls in den Kindergarten gehen?

Nein. Nur wenn es Defizite hat – insbesondere beim deutsch Sprechen. Ab 3,5 Jahren soll es für jedes Kind einen Bildungskompass geben, ähnlich dem Mutter- Kind-Pass, wo Stärken und Schwächen dokumentiert werden.

  • Werden Kindergärtnerinnen künftig an Hochschulen ausgebildet?

Nein. Derzeit gibt es nicht einmal eine einzige ordentliche Professur für Frühkindpädagogik. Dabei ist die tertiäre Ausbildung der Elementarpädagogen international Standard.

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