"Die Gesellschaftsordnung braucht neuen Sauerstoff"

"Die Gesellschaftsordnung braucht neuen Sauerstoff"
Rezepte von Altbundespräsident Heinz Fischer gegen Demokratiedefizite.

In vier Wochen soll endlich feststehen, wer neuer Bundespräsident wird. Am 4. Dezember ist Stichwahl Nummer 2 zwischen dem Grünen Alexander Van der Bellen und dem Blauen Norbert Hofer. Das Staatsoberhaut a. D., Heinz Fischer, appelliert einmal mehr an die Bürger, mitzustimmen, lässt erneut wissen, dass er für Van der Bellen votieren wird. Und: "Wie immer das Ergebnis sein wird: Ich werde es respektieren."

Er sagt das auf einer Bühne, jener des Theaters in der Wiener Josefstadt, die ihm bei einer Sonntag-Matinee geboten wird – um auf Basis seines neuen Buches ("Eine Wortmeldung") über den Zustand der Demokratie zu sprechen. Mit KURIER-Herausgeber Helmut Brandstätter und dem Historiker Philipp Blom. Moderiert von Puls4-Info-Chefin Corinna Milborn hören 600 Gäste zu.

Parteipolitik-Dominanz

Als eines der Motive, warum staatliche Institutionen in Zweifel gezogen werden, warum der Ruf nach einem "starken Mann" lauter wird, liegt für Fischer daran, "dass unsere Gesellschaftsordnung Abnützungserscheinungen aufweist. Die Gesellschaftsordnung braucht neue Gedanken, neuen Sauerstoff." Für Brandstätter wäre ein solcher auch weniger Parteieneinfluss. Noch immer seien viele Organisationen parteipolitisch dominiert: "SPÖ und ÖVP haben nicht einmal mehr gemeinsam eine absolute Mehrheit. Sie führen sich aber auf, als hätten sie diese noch." Das, verbunden mit Zukunftsangst, führe zu großem Frust.

Fischer Lösungsansätze: "Wir müssen Menschenrechte und Menschenwürde zum zentralen Thema machen." Etwa, was Flüchtlinge anlangt. Zudem sei "Sensibilität für Inakzeptanz des Nationalismus zu entwickeln". Und: Auf Chancengleichheit und Gerechtigkeit sei das Augenmerk zu richten: "Die Art, wie die Diskussion über die Mindestsicherung geführt wird, tut weh", befindet Fischer.

Einer Dame aus dem Publikum, die mehr Bürgermitsprache einfordert, sagt er mit Verweis auf das Brexit-Referendum in Großbritannien und auf Demagogie: "Die Qualität der Demokratie verbessert sich nicht, wenn wir Ja/Nein-Modelle verstärken. Willensbildung ist etwas Komplexes." Ein Mehr an Ja/Nein "würde uns tiefer in den Abgrund führen, aber nicht die Probleme lösen, die wir haben."

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