Der Tabubrecher als Eisbrecher zur FPÖ

Niessl und Tschürtz: „Ehrlich und respektvoll“ sei die Zusammenarbeit
Hans Niessl.Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann und sein blauer Vize sehen Koalition als Erfolg.

Hans Niessl nimmt Maß an ganz Großen: Bruno Kreisky sei 1970 "mit Unterstützung der Freiheitlichen Bundeskanzler geworden – war das kein Tabubruch?"

Der Landeshauptmann sieht sich nach dem ersten Jahr der rot-blauen Koalition im Burgenland nicht als Irrläufer der Sozialdemokratie, sondern in deren glorreichster Traditionslinie. Jedenfalls hat Niessl mit der Angelobung der rot-blauen Landesregierung am 9. Juli 2015 für eine Zäsur gesorgt, an deren Überbrückung nicht zuletzt auch Ex-Kanzler Werner Faymann gescheitert ist.

Sündenfall

In der Bundes-SPÖ köchelt seit dem pannonischen Sündenfall ein Richtungsstreit zwischen Befürwortern und Gegnern einer Öffnung zur FPÖ, die seit Franz Vranitzky in den 1980er-Jahren auf dem roten Index stand. Würde Niessl Rot-Blau auch im Bund befürworten, fragt ihn der KURIER? "Ich bin für sinnvolle Gespräche und dagegen, jemanden auszugrenzen", sagt der 65-Jährige, der den Vize-Bundesparteivorsitz vor wenigen Tagen an seinen Vertrauten, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, abgegeben hat. Man könne die Steiermark und den Rechnungshof "verschenken", zielt der rote Grande darauf, dass da wie dort ÖVP-Kandidaten zum Zug gekommen sind. Aber: "Das ist dumm, denn wir haben nichts zu verschenken." Deshalb "braucht man immer eine Option", gibt Niessl seiner Bundespartei Nachhilfe in politischer Strategie.

Rot-blaues Zeugnis

Das Burgenland, so viel wird deutlich, könne als kleine Welt herhalten, in der die große ihre Probe hält: Rot-Blau funktioniere klaglos, wurden Niessl und sein blauer Vize Hans Tschürtz am Dienstag nicht müde zu betonen. Vom höchsten Wirtschaftswachstum bis zur Reform der Landesverwaltung nichts als Erfolge, die ÖVP sei nur mehr "destruktiv". Niessl: "Also, wo ist das Negative?" Nun ja, bei einem Herzstück von Rot-Blau, "mehr Beschäftigung für Burgenländer", ist man nicht recht vom Fleck gekommen. Der Anteil ausländischer Beschäftigter lag im Mai 2016 bei 23,5 Prozent, ein Jahr davor bei 22,8 Prozent. Auch die Einschränkung der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit ist bisher Wunsch geblieben. Niessl will "weiterkämpfen" – und verlangt eine Reform der EU. Ein Öxit sei kein Thema, versichern Niessl und Tschürtz. Zum Schluss ein Schuss James Bond: "Sag niemals nie", antwortet Niessl auf die Frage, ob seine Lust, 2020 noch einmal zu kandidieren, durch Rot-Blau gestiegen sei.

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