Der Staat als Kuschelpädagoge

Martin Kocher, Institut für Höhere Studien (IHS)
Positive Anreize sollen Vorschriften und Strafen ersetzen.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat sich in seiner Wirtschafts-Rede am Freitag als Fan von Nudging (to nudge = schubsen) geoutet.

Nudging bedeutet, durch positive Anreize das Verhalten von Menschen zu beeinflussen. Ein Nudging-Projekt läuft an der Universität Wien. Sie schickt den Bummelstudenten Briefe, in denen sie sie darauf aufmerksam macht, um wie viel das erwartbare Lebenseinkommen eines fertigen Akademikers höher liegt als das eines Studienabbrechers. Oder um wie viel höher die Chancen sind, einen Job zu bekommen. Mit solchen Briefen will die Uni Wien die Zahl der Studienabbrecher verringern.

Mitterlehner sagte in seiner Rede, er wolle diese Art der Verhaltensbeeinflussung auf die gesamte Verwaltung anwenden: "Die Gegenwart sind Vorschriften und Sanktionen. Nudging wird die Zukunft sein."

Das Institut für Höhere Studien (IHS) baut gerade ein Kompetenzzentrum für Nudging auf. Der neue IHS-Chef Martin Kocher, ein Verhaltensökonom, ist darauf spezialisiert. Kocher sagt, man wird nicht überall Vorschriften und Strafen durch Methoden zur Verhaltensänderung ersetzen können, aber es wird geprüft, wo es möglich ist und wo eine Kombination aus beidem sinnvoll ist.

Ein Bereich für Nudging ist die Finanzverwaltung. Kocher: "Man kann die Ehrlichkeit in Steuererklärungen erhöhen, indem die Steuerzahler am Beginn der Steuererklärung unterschreiben müssen, dass alle Angaben korrekt sind und nicht wie derzeit, wenn sie schon alles ausgefüllt haben."

Steuerbar sei Verhalten auch durch bestimmte Informationen. Kocher: "Wenn die Leute glauben, dass 60 bis 80 Prozent der Bevölkerung Steuern hinterziehen, tun sie es auch. Wenn man sie aufmerksam macht, dass 80 Prozent der Leute pünktlich und korrekt ihre Steuern zahlen, wird dies zur sozialen Norm."

Dass der Staat zur "Kuschelpädagogik" greift, statt zu strafen, hält Kocher für sinnvoll: "Weiche Methoden wirken oft besser als harte Strafen, denn in der Regel liegen die Verhaltensänderungen im Interesse des Einzelnen oder zumindest der Gesellschaft."

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