Der seltsame Herr Seledec

ORF-Journalist Walter Seledec
Der frühere ORF-Chefredakteur muss auch im U-Ausschuss Auskunft geben.

Der General war in Sorge um die Armee, er fürchtete um den Ruf seines Berufsstandes.

Konnte es sein, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender wie der ORF eine Dokumentation über Österreichs Generäle in der Wehrmacht plant, und diese spannende Aufgabe ausgerechnet einem früheren Mitarbeiter überlässt, der ein deutsch-nationales, anti-semitisches und vereinzelt sogar den Nationalsozialismus behübschendes Blatt herausgibt?

War von so jemandem die nötige Objektivität zu erwarten?

Nein, befand Hubertus Trauttenberg Mitte Jänner 2017.

Und so setzte der frühere Adjutant von Bundespräsident Thomas Klestil einen Brief auf, in dem er keinen Geringeren als ORF-Boss Alexander Wrabetz höchstselbst davor warnte, dem Miliz-Offizier, früheren ORF-Chefredakteur und nunmehrigen Herausgeber der rechtsrechten Zur Zeit, Walter Seledec, eine Wehrmachtsdoku zu überantworten.

Die "Gefahr" ist mittlerweile gebannt – nachdem profil von dem Doku-Auftrag berichtete, entstand gehöriger Druck, und die ORF-Führung erklärte Mittwochabend, dass Seledec den Auftrag nun nicht bekomme.Ausgestanden ist die Sache damit freilich längst nicht. Weder für den Waffensammler Seledec (er hat sich mit dem Kauf von 100 Schusswaffen einst in die Kritik manövriert), noch für den ORF. Denn wie der Fraktionsführer der Grünen, Peter Pilz, bestätigt, wird sich Seledec wohl vor dem parlamentarischen Eurofighter-Untersuchungsausschuss erklären müssen. "Natürlich muss man ihn dazu befragen, ob und was er mit dem Geld von EADS zu schaffen hatte. Das passt ganz gut zum zweiten Untersuchungsthema, also den Zahlungsflüssen", sagt Pilz zum KURIER.

Gemeint ist jene Million Euro, die Waffen-Lobbyist Erhard Steininger seinem Auftraggeber, dem Eurofighter-Produzenten EADS, für die "Öffentlichkeitsarbeit ORF" in Rechnung gestellt hat, und bei der EADS selbst nie ganz klar war, wofür sie der Lobbyist eigentlich verwendet hat.

Als de facto sicher gilt, dass der im ORF pensionierte Seledec in seiner früheren Leitungsfunktion darüber schwadronierte, was man redaktionell unternehmen könnte, damit die ORF-Zuseher in der Vorabendschiene "Willkommen Österreich" ein möglichst positives Bild von den Eurofightern und der Luftverteidigung bekommen.

Ein gewaltiger Vorwurf

Kurzum: Seledec entwarf als ORF-Mitarbeiter offenbar einen Plan, wie EADS den ORF für sich nutzen konnte – ein gewaltiger Vorwurf an einen Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Dem Vernehmen nach hatte bzw. hat der FPÖ-Bezirkspolitiker eine Sonderstellung im Sender, weil er Kraft seiner politischen Funktion als Querverbinder zu den Freiheitlichen bzw. zu deren Vertretern im ORF-Stiftungsrat galt, und damit – bis heute – deren Zustimmung zur ORF-Führung garantiert.

Ist dem so, oder wird Seledec’ Rolle einfach heillos überschätzt?

Der Einzige, der dazu erschöpfend Antwort geben könnte, ist der pensionierte ORF-Mann selbst.

Doch Seledec schweigt zu den teils schwerwiegenden Vorhalten beharrlich und reagiert weder auf eMails noch Anrufe.

Spätestens im U-Ausschuss wird sich das ändern. Hier muss er als Zeuge Rede und Antwort stehen. Und sei es, dass man ihn vorführt.

Kommentare