Der Lange Arm der Parteien: Politik-Bastion Schule

Der Lange Arm der Parteien: Politik-Bastion Schule
Wer herrscht über die 5732 Schulen in Österreich? Und worin besteht die Macht?

Die Zeiten, als man nur mit Parteibuch Lehrer werden konnte, sind zwar vorbei. Doch wer im Schulsystem Karriere machen will, der braucht immer noch den Rückhalt einer Partei, meist von der schwarzen FCG oder der roten FSG. Zwar hat man versucht, mittels Objektivierungsverfahren zu verhindern, dass die Parteipolitik wichtiger ist als Sachkompetenz. Doch offenbar finden Landesschulräte immer Wege, wie sie ihre Wunschkandidaten durchdrücken.

Warum der Griff auf die Schulen so wichtig ist, hat historische Ursachen, weiß Verfassungsrechtler Heinz Mayer: "Anfangs waren das ideologische Gründe. In der Monarchie und in der 1. Republik war die Idee: Wer in der Schule bestimmt, bestimmt die Gesellschaft. Die Länder hatten Angst vor dem roten Wien, das ein ,gottloses Schulwesen‘ in Österreich realisieren könnte. Heraus kam schon damals ein Kompromiss – der Grund für die komplizierte Kompetenzverteilung, die bis heute gilt." Das Schulwesen wurde in Landes- und Bundeskompetenzen aufgeteilt und durch ein Verfassungsgesetz für alle Zeiten einzementiert.

Der Lange Arm der Parteien: Politik-Bastion Schule

Kompetenz ohne Macht

Die Landesschulräte (in Wien der Stadtschulrat) sind zwar Bundesbehörden, aber von Ländern und Landeshauptmann dominiert. Das Bildungsministerium könnte zwar eine Weisung an die "Bundesbehörde" Landesschulrat und den Landeshauptmann erteilen – tatsächlich ist das noch nie vorgekommen. Denn dass die Bildungsministerin etwa dem nö. Landeshauptmann eine Weisung erteilt, ist ausgeschlossen. Mayer: "Rote und Schwarze geben sich innerhalb des Systems aber immer Rückendeckung. Die größten Schweinereien eines Schwarzen werden vom roten Minister gedeckt und umgekehrt."

Es geht vor allem um Posten: In Österreich gibt es derzeit 5732 Schulen und fast ebenso viele Direktoren und Abteilungsleiter. In 55.461 Klassenzimmern und in neun Landesschulräten sowie im Bildungsministerium sind 118.222 Lehrer beschäftigt. Budget der Bildungsministerin nur für die Gehälter: 7,2 Milliarden Euro jährlich.

Mayer: "Eine große Rolle spielt die Lehrergewerkschaft, die Interesse hat, dass nur die eigenen Leute an Direktorenposten kommen." So verwundert es kaum, dass die Gewerkschaft noch heute einen hohen Organisationsgrad hat – rund 60 Prozent. Ein Blick auf die Wahlergebnisse der letzten Lehrer-Personalvertretungswahlen (siehe Grafik) zeigt die parteipolitische Machtverteilung in Österreich. Die ÖVP ist besonders in den Bundesländern Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich stark, die SPÖ in Kärnten und dem Burgenland. Ein Kuriosum ist Wien, wo die Christgewerkschafter Nummer 1 sind, die SPÖ aber das Sagen hat. Hoffnung macht Vorarlberg, wo unabhängige Gewerkschafter die jahrzehntelange Dominanz der Christgewerkschafter beenden konnten.

Dem Direktor kommt im Schulsystem eine entscheidende Rolle zu, meint Susanne Schmid vom Bundeselternverband und warnt: "Es ist eine Illusion zu erwarten, dass im Schulbetrieb irgendetwas besser wird, solange die Parteizugehörigkeit alleine zählt." Ihr Vorschlag: "Schüler, Eltern und Lehrer sollten mitentscheiden."

Die Mauscheleien im Machtapparat Schulverwaltung haben viele Methoden. Ans Licht bringen sie die unzähligen Gerichtsverfahren, bei denen besser Qualifizierte das Nachsehen hatten und klagen. Doch viele Lehrer machen sich die Mühe erst gar nicht. Sie akzeptieren es, wenn man ihnen sagt, dass eine Bewerbung zwecklos sei.

Eine besondere Masche haben die Burgenländer perfektioniert, um rote Direktionen zu schaffen: Lehrer werden mit Leiterposten betraut – teilweise über Jahre, ohne dass die Stelle ausgeschrieben wird. Derzeit zählt man an 20 berufsbildenden Schulen zehn "Betrauungen" – in Stoob oder Pinkafeld, wo seit 2013 ein Abteilungsvorstand interimistisch bestellt ist. Im Bildungsministerium findet man nichts dabei. Auf KURIER-Anfrage heißt es, dass dies ein "Standardvorgehen ist. Wenn eine Stelle frei wird, bemüht man sich, innerhalb von sechs Monaten auszuschreiben." Da Verfahren manchmal länger dauern, könne es passieren, dass ein Provisorium dauerhaft werde.

Das Burgenland ist kein Einzelfall. Im VP-regierten Salzburg wird ebenso versucht zu tricksen, wie der grüne Bildungssprecher Harald Walser weiß. Ein Beispiel: In Hallein bekam jetzt ein Kläger schwarz auf weiß, dass er der bessere Kandidat gewesen wäre. Und die FPÖ ist nicht besser: Als die Blauen in Kärnten regierten, stießen sie unliebsame Konkurrenten aus dem Rennen, indem Bewerbungsunterlagen teilweise "verloren gingen".

KURIER: Warum beharren die Bundesländer so sehr auf ihre Macht im Bildungssystem – und worin besteht die?
Hannes Androsch: Die Macht besteht in der Kraft zu blockieren. Sie ist aber nicht groß genug, um etwas zu bewegen. Das ist der Hauptgrund für den Stillstand und die Lähmung, die wir in so vielen Bereichen haben. Die Folge ist, dass wir sehr viel Geld ausgeben, und maximal mittelmäßige Ergebnisse bekommen.

Dabei zahlt der Bund jährlich rund 7,2 Milliarden Euro nur an Lehrergehältern.

Das ist aber vor allem ein Durchlaufposten an die Bundesländer. Selber hat der Bund keine Kontrolle darüber.

Worin besteht konkret die Macht im Schulbereich?

Die Landesparteien, die ja um ein Vielfaches mehr über Steuergeld in Form der Parteienfinanzierung verfügen als die Bundespartei, haben damit mehr Einfluss und spielen den auch genüsslich aus. Das ist die Wurzel des Übels. Die verfolgen dann ihre persönlichen Interessen – die Bundesregierung, wie die letzte Personalrochade einmal mehr gezeigt hat, ist selbst bei der Regierungsumbildung Zuseher von der Personalpolitik einer Landespartei.

Und die Gewerkschaften und die Personalvertretungen?

Die verteidigen die Privilegien, von der Arbeits- bis zur Urlaubszeit. Die haben einen großen Einfluss, dem sich kaum wer entziehen kann.

Tatsache ist, dass Tausende in den Schulen sitzen, die der Unterrichtssprache nicht folgen können.

Das Problem beginnt aber früher. Wenn man schon mit einem schweren Defizit eingeschult wird, dann ist das Dilemma schon in der Volksschule da. Und heraus kommt, dass so viele am Ende der Schulpflicht nicht rechnen, schreiben, lesen können. Das sind die Sozialhilfeempfänger von morgen.

Warum ist die Bildung für Sie persönlich ein so großes Anliegen?

Das ist mein sozialdemokratisches Verständnis von Chancengleichheit, die nur aus der Bildung heraus möglich wird. Je ungünstiger der familiäre Hintergrund, umso wichtiger ist etwa die Ganztagsschule. Aber genau so wichtig ist der ökonomische Aspekt: Wir werden die Zukunft nur gewinnen können, wenn wir über qualifizierte Mitarbeiter verfügen. Und das setzt die beste Bildung voraus.

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