Kurz macht Druck bei Volksbegehren

Kurz macht Druck bei Volksbegehren
Es gibt unerwartete Schützenhilfe für den Oppositionswunsch: Plebiszitpflicht ab 250.000 Unterstützern.

Mit Pauken und Trompeten ist das Demokratiepaket der Regierung im Verfassungsausschuss Anfang dieser Woche durchgefallen. Zu einer automatischen Volksabstimmung bei erfolgreichen Volksbegehren konnte sich die Regierung nicht durchringen, eine abgespeckte Version wollte die Opposition nicht.

Kurz macht Druck bei Volksbegehren
APA12648080 - 08052013 - WIEN - ÖSTERREICH: Die Verfassungssprecher Herbert Scheibner (m./BZÖ), Harald Stefan (r./FPÖ) und Daniela Musiol (Die Grünen) am Mittwoch, 08. Mai 2013, anl. der PK "Gemeinsamer Vorschlag zur Demokratiereform" im Parlament in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Daher legten FPÖ, Grüne und BZÖ am Mittwoch einen gemeinsamen Kompromissvorschlag vor: Gibt es keine verbindliche Volksabstimmung, soll es zumindest Volksbefragungen geben. Diese wären zwar rechtlich unverbindlich, aber politisch schwergewichtig. Als Hürde schwebt der Opposition eine Unterstützung von 250.000 Menschen vor.

Überraschende Schützenhilfe erhält die Opposition von der ÖVP: JVP-Chef Sebastian Kurz – der schon seit geraumer Zeit auf mehr Demokratie pocht – begrüßt im KURIER-Gespräch den Vorschlag: „Ich bin dafür, dass die Regierungsparteien den Vorschlag der Opposition unterstützen. Das Demokratiepaket soll endlich kommen.“

Der Plan der Opposition entspreche in weiten Teilen jenem der Jungen Volkspartei. Und Kurz wählt deftige Worte: „Es ist peinlich, wenn alle sechs Parteien im Parlament für mehr direkte Demokratie sind und sich nicht einigen können. Das versteht kein Mensch.“ Gelinge keine Einigung, ist das für Kurz der „ultimative Beweis, dass die Politik in einem hilflosen Zustand ist“.

Zeitdruck

Kurz macht auch Druck beim Zeitplan. „Ein großer Schritt Richtung mehr Demokratie sollte uns noch vor der Wahl gelingen.“ Mit der Hürde von 250.000 Menschen (rund vier Prozent der Wahlberechtigten) könne er leben. Gleichzeitig pocht er erneut auf die Unterstützung von Volksbegehren via Internet. „Mein Appell an alle: Etwas großzügiger in Detailfragen sein, um rasch zu einer Lösung zu kommen.“

Applaus für den Oppositionsvorstoß gab es auch von VP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Er sieht einen „Schritt in die richtige Richtung“. Er habe schon vor drei Wochen ähnlich argumentiert, die SPÖ habe aber abgelehnt. Deren Klubobmann Josef Cap meinte in einer Aussendung, der Kompromissvorschlag werfe „neue Fragen auf“: Weiter offen sei etwa die Frage, ob die Mehrheit über Rechte der Minderheit – etwa ein Recht auf Asyl – abstimmen darf.

Bei einer VOLKSBEFRAGUNG erkundet die Politik die Haltung der Bürger zu Gesetzen, wenn es um eine "Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung" geht, wie es in der Verfassung heißt. Initiieren können eine Volksbefragung die Bundesregierung oder der Nationalrat. Abstimmungsberechtigt sind die Wahlberechtigten analog zur Nationalratswahl. Der Ausgang einer solchen Befragung ist indes für den Gesetzgeber nicht bindend. Und: Auf Bundesebene ist all das bisher graue Theorie, denn eine österreichweite Volksbefragung hat noch nie stattgefunden. Auf Länderebene gab es bisher ca. 20, gerne eingesetzt wird das Instrument auch auf regionaler- oder Gemeindeebene.

Kurz macht Druck bei Volksbegehren
Mit einemVOLKSBEGEHRENkönnen Bürger, Gruppierungen oder Parteien in Österreich ihren Wunsch zu einem Gesetz deponieren. Um ein Volksbegehren einleiten zu können, braucht es die Unterschriften von einem Promille der Gesamtbevölkerung, das sind rund 8030. Das Ergebnis ist nicht für den Gesetzgeber bindend. Bei Erreichen von mehr als 100.000 Unterschriften bzw. einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder muss das Volksbegehren allerdings im Nationalrat behandelt werden. Von den bisher 35 Volksbegehren haben diese Grenze nur zwei nicht erreicht (Raus aus Euratom, 2011, sowie Pro Motorrad, 1995).

Bindend ist das Ergebnis einer VOLKSABSTIMMUNG - diese kann aber nicht vom Volk initiiert werden. Eine solche verbindliche Entscheidungsfindung kann nur unter bestimmten Voraussetzungen stattfinden: über einfache Bundesgesetzte, wenn der Nationalrat es beschließt oder die Mehrheit der Abgeordneten es verlangt; über Verfassungsänderungen, wenn ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates es verlangt. Jedenfalls stattfinden muss eine Volksabstimmung im Fall einer sogenannten Gesamtänderung der Bundesverfassung (d.h. einer Verfassungsänderung, durch die eines der leitenden Prinzipien der Bundesverfassung im Kern berührt wird). Eine Volksabstimmung gab es bisher zwei Mal: 1978 zum AKW Zwentendorf (es wurde abgelehnt) und 1994 zum EU-Beitritt (ihm wurde zugestimmt).

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