Debatte um Asyl-Obergrenze: Doskozil warnt vor "Anhaltelagern"

Beim Gesetz zur Obergrenze liegen Sobotka und Doskozil auseinander.
SPÖ-Heereschef gegen Planspiele im ÖVP-Innenministerium.

Die Obergrenze wird zwar 2016 nicht überschritten, umstritten ist das Prozedere der Ausführung in der Koalition aber allemal. Am Montag einigte sich die Koalition auf ein neues Fremdenrechtspaket. Innenminister Wolfgang Sobotka kam aber mit einem Wunsch beim Koalitionspartner nicht durch: Die Obergrenze an zugelassenen Asylanträgen (2017 liegt der Grenzwert bei 35.000) in der Verfassung zu verankern. Die Notverordnung liegt zwar griffbereit fertig in der Lade. Das reicht Sobotka aber nicht.

Für den ÖVPler ist ein Verfassungsgesetz zur Obergrenze ein Must-have. Denn, so die Argumentationslinie des ÖVP-Ministers, "die Beamten können nur auf einer gesetzlichen Grundlage, aber nicht auf Grundlage einer Verordnung handeln. Deswegen müssen wir weiter verhandeln. "

"Zweites Traiskirchen"

Die SPÖ will das Gespräch zwar nicht verweigern, betont aber auch ihre Ablehnung gegenüber Sobotkas Plänen, weil das Gesetz auch aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht nicht hält.

SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil bewertet den Status quo zudem ganz anders. "In der Sonderverordnung ist das genaue Prozedere fixiert, wie beim Erreichen der Obergrenze vorzugehen ist. Dazu kommt eine Reihe an Maßnahmen, die wir setzen, damit wir die Obergrenze gar nicht erreichen."

Wo liegt wirklich die Krux in dieser diffizilen rechtlichen Frage? Die Debatte dreht sich darum, was passiert, wenn der 37.501 oder im kommenden Jahr der 35.001 Flüchtlinge in Österreich ankommt. Doskozil meint, dass laut Sonderverordnung (mit Ausnahme jener Flüchtlinge, die in Österreich Familienangehörige haben) Zurückweisung oder Zurückschiebungen stattfinden können.

Sobotka zweifelt offenbar, ob da die Nachbarländer mitspielen. Deswegen sucht der Innenminister nach einem Ausweg. "Um den 37.501sten Flüchtling anders zu behandeln als die ersten 37.500, braucht die Behörde eine gesetzliche Grundlage, um danach zu handeln ", so das Innenministerium.

Sobotka will, dass ab dem 37.501sten Flüchtling folgendes Prozedere: Die Flüchtlinge werden nach dem Modell auf den griechischen Inseln nahe der Grenze in Camps untergebracht, um auf ihr Asylverfahren zu warten. Doch die Wartezeit kann durchaus lange dauern, wenn die Obergrenze überschritten ist. Nämlich bis ins nächste Jahr. Hans Peter Doskozil: "Es hat für die Praxis einen anderen Hintergrund. In weiterer Folge wird, wenn mehr Menschen nach Österreich kommen, als die Obergrenze zulässt, die Unterbringung der Flüchtlinge in Anhaltelager legitimiert. Dafür bin ich nicht zu haben. Wir hätten dann ein zweites oder drittes Traiskirchen in Österreich. Ich glaube auch nicht, dass da einer der Landeshauptleute mitmachen wird."

In Traiskirchen haben die Flüchtlinge eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Für eine längere Abwesenheit vom Flüchtlingslager braucht man eine Genehmigung.

"Versprechen halten"

Setzt sich Sobotka mit seinem Plan durch, wäre der Weg frei, dass sich im Jahr 2017 zusätzlich zu den 35.000 Flüchtlingen, die laut Obergrenze zum Asylverfahren zugelassen werden, Zigtausende Asylsuchende in Österreich aufhalten können, um auf das Verfahren zu warten.

Das Innenministerium zur Kritik Doskozils: "Unser Lösungsvorschlag ist eine Differenzierung zwischen den Flüchtlingen. Mütter mit Kindern oder Schwangere dürfen hier warten, bis ihr Verfahren im nächsten Jahren eröffnet wird. Die Männer sollen idealerweise in Camps im Ausland auf das Asylverfahren warten."

Experten halten das aufgrund der bisherigen mit Nachbarländern wie Ungarn für illusorisch. Für SPÖ-Heeresminister Doskozil bleibt eines jedenfalls fix: "Wir haben der Bevölkerung versprochen, die Obergrenze einzuhalten, und stehen dazu."

Hintergrund: Begriff "Anhaltelager" ist historisch belastet

Der Begriff „Anhaltelager“ stammt aus der Zeit des austrofaschistischen Ständestaats. In den Lagern wurden politische Gegner (Nationalsozialisten, Sozialisten) interniert. Nach einer Verordnung betreffend die „Verhaltung sicherheitsgefährlicher Personen zum Aufenthalte in einem bestimmten Orte oder Gebiete“ des damaligen Vizekanzlers Emil Fey vom 23. September 1933 konnten Personen ohne Gerichtsverfahren inhaftiert werden.

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