Corinna Milborn: "Ich wähle weiß"

Interview mit der Journalistin und Moderatorin Corinna Milborn am 12.06.2017 in Wien.
Die Puls4-Moderatorin der heutigen Elefantenrunde über Verhaberung, Nervosität und Attacken durch Politiker.

KURIER: Kaum ein Abend vergeht, an dem kein Spitzenpolitiker aus dem Fernseher lacht. Aus der Sicht der Konsumentin: Ist das zu viel?

Corinna Milborn: Die Kritik, es gäbe zu viel TV-Information vor der Wahl, kommt nur von Politik-Insidern. Die meisten Menschen haben die letzten vier Jahre nicht jede Presseaussendung gelesen, nehmen ihr Wahlrecht aber sehr ernst. Sie informieren sich jetzt intensiv, wer sie am besten vertritt. Wir sehen an den Zuschauerzahlen, dass das gewünscht und notwendig ist, und sehen es als unsere Aufgabe, Information bestmöglich zu bieten. Ich halte dieses blasierte "das ist alles zu viel" angesichts des großen Interesses für etwas arrogant.

Wie wichtig ist Ihnen, dass Neues herauskommt?

Ich bin nicht auf der Jagd nach Dingen, die am nächsten Tag in einer Zeitung zitiert werden. Mein Anspruch ist, dass man sich ein Bild von den Kandidaten machen kann. Mein Publikum sind nicht Innenpolitik-Profis, sondern jene, die ganz normal vor dem Fernseher sitzen. Uns interessieren Fragen, die sich der Großteil der Bevölkerung stellt – etwa, wie es die nächsten fünf Jahre weitergehen soll.

In Deutschland sind Duelle rar gesät. Ich halte das in Deutschland für falsch. Politiker arbeiten für uns und werden von uns bezahlt – und meiner Meinung nach haben Sie die Pflicht, sich zu erklären. Wenn ein Politiker wie in Deutschland sagt, wir tun das nur einmal und die Medien sollen sich irgendwie danach richten, nimmt man Medien die Möglichkeit, Politiker aus verschiedenen Richtungen herauszufordern. Medienvielfalt ist einer der Grundpfeiler der Demokratie. Es reicht nicht, wenn einmal nachgefragt wird.

Auf die Gefahr hin, dass man oft dasselbe hört?

Vielleicht sagt ein Politiker zehn Mal das Gleiche, auch wenn ich das nicht empfehlen würde. Jedes Medium hat anderes Publikum.

War die Entscheidung, Peter Pilz auch dazuzunehmen, schwer zu fällen?

Es war einfach. Peter Pilz hat den Wahlkampf mit seinem Antreten sehr stark beeinflusst – und er hat Chancen, einzuziehen.

Wie viele Leute arbeiten an der Sendung?

Insgesamt arbeiten inklusive Technik und Regie rund hundert Leute an der Sendung. Der engere Kreis besteht aus rund 40 Leuten, die Redaktion letztlich aus zehn.

Sind Sie eigentlich noch nervös?

Nervös bin ich nicht, zittrige Hände habe ich keine. Ich bin angespannt, weil ich eine möglichst gute Sendung machen möchte.

Wovor fürchtet man sich als Moderatorin?

Wir sind technisch wie inhaltlich top vorbereitet. Wenn jetzt also noch was Unerwartetes passiert, ist es gut. Ich selbst bin ja im Hintergrund. Es ist nicht meine Show, ich soll nicht im Vordergrund stehen.

Unlängst rückte ORF-Moderator Tarek Leitner aufgrund seines Verhältnisses zum Kanzler in den Vordergrund. Muss man das aushalten?

Es kann einem passieren, und man kann trotzdem professionell arbeiten, wie Tarek Leitner gezeigt hat. Natürlich ist es besser, nicht selbst zum Thema zu werden. Ich selbst achte darauf, hier in diesem kleinen Land Distanz zu Politikern zu wahren.

Vor einem Jahr schoss sich die FPÖ nach einem Hofer-Interview auf Sie ein – wie geht es einem da?

Es ist schon sehr unangenehm, wenn so eine massive Angriffswelle läuft. Aber im Endeffekt muss man nur wissen, ob man seinen Job gut gemacht hat. In diesem Fall hab ich meiner Meinung nach keinen Fehler gemacht – wenn das jemandem nicht passt, gehört es zum Job dazu, das auszuhalten.

Aber Sie lassen sich davon nicht beeinflussen?

Nein. Hätte ich eine Woche später wieder ein Interview mit Norbert Hofer gemacht, ich hätte es genau gleich angelegt.

Wissen Sie schon, wen Sie wählen?

Ich wähle weiß.

Warum?

So muss ich mich nicht darauf konzentrieren, selbst eine Entscheidung zu treffen. Ich kann stattdessen meine Kraft darauf verwenden, dass die Zuschauer ein möglichst gutes Bild von den Kandidaten bekommen. Das ist aber etwas Persönliches – wer nicht weiß wählt, kann auch seriösen Journalismus machen.

Der ORF hat mit "Nationalraten" ein Format, das spielerischer ist als jene in den Privatsendern. Wieso wagen Sie da nicht mehr?

Es stimmt, unser Format ist rein auf die Debatte ausgelegt. Ich finde aber, bei dieser Wahl geht es um extrem viel. Das ist keine Wahl, bei der wir sagen können: Lassen wir sie ein bisserl spielen und schauen wir dann mal. Bei dieser Wahl hat das keinen Platz, finde ich.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?

Wir sind zufrieden. Es ist als Privatsender nicht selbstverständlich, da so viel reinzustecken. Und wir sehen am Zuschauerinteresse, dass es gut ist. Corinna Milborn wird am KURIER-Tag der offenen Tür (28.9.) zum Thema "Wahlmanipulation durch soziale Medien" mitdiskutieren.

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