Claus Raidl lobt Christoph Leitl für Kammerreform

Claus Raidl, Christoph Leitl: Lob mit Seltenheitswert
Politik von innen: Kammerreform beschlussreif / Streit um Stipendien / EU-Antwort auf Kanzlerbrief

Nationalbank-Präsident Claus Raidl ist bekannt für seine offenen, kritischen Wortmeldungen. Insbesondere wenn es ums Einmahnen von Strukturreformen im österreichischen Dickicht aus Föderalismus und Kammern geht, nimmt sich der frühere Spitzenmanager kein Blatt vor dem Mund.

Umso bemerkenswerter, dass Raidl ausgerechnet einem Kammerpräsidenten Lob ausspricht. "Die Vorgangsweise von Christoph Leitl in der Wirtschaftskammer ist genau der richtige Hebel, um eine Reform durchzusetzen", sagt Raidl. Man müsse die Beiträge senken, damit durch eine Budgetkürzung Reformdruck entstehe. Es sei wichtig, dass Leitl "die sich maßlos selbstüberschätzenden Landeskammern bändigt" und "den Faktor 10 in Angriff nimmt".

Tatsächlich hat Leitl die Wogen in der Kammer geglättet und bringt seine Reform ohne große Retuschen durch. Sie wird diese Woche am Donnerstag im Wirtschaftsparlament beschlossen.

Die Reform sieht vor, dass die WKÖ die Beiträge für ihre Mitglieder ab 2019 um 134 Millionen im Jahr senkt. Diese 134 Millionen werden durch Reformen eingespart. Von dem Volumen sollen dann 34 Millionen in neue Leistungen fließen, um 100 Millionen bleibt die Kammer strukturell abgeschlankt.

Der aktuelle Reformschritt in der Wirtschaftskammer besteht aus einer Digitalisierungsoffensive. Dadurch wird es möglich, den "Faktor 10", also alles in neun Bundesländern plus in der Bundesorganisation extra zu erledigen, zu verringern. So sollen sich einzelne Landeskammern auf ein bestimmtes Thema spezialisieren, und dieses Programm dann allen anderen Kammern zur Verfügung stellen. Auch im Back-Office-Bereich soll vieles digitalisiert und nur mehr ein Mal für alle gemacht werden.

Stipendienreform nicht mehr vor Ostern

Im Ministerrat sind heute keine großen Reformpakete zu erwarten. Laut Kanzleramt steht ein Bericht über die Umsetzung des Lehrlingspakets auf der Tagesordnung sowie zwei Millionen Hilfsgelder im Rahmen des Auslandskatastrophenfonds. Je eine Million geht in den Irak beziehungsweise nach Syrien.
Über eine Reform des Stipendienwesens haben sich SPÖ und ÖVP erneut nicht einigen können. Bereits letzte Woche konnte das Thema nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Gestritten wird ums Geld.
ÖVP-Lesart: Die berühmte Sechserrunde – Kanzler Christian Kern, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, die beiden Regierungskoordinatoren Thomas Drozda und Harald Mahrer sowie das Finanzverhandler-Duo Hans-Jörg Schelling und Andreas Schieder – hätte sich im Zuge der Aktualisierung des Regierungsprogramms darauf geeinigt, dass das Budget für die Stipendien von derzeit 200 Millionen auf 225 Millionen steigt. Doch die SPÖ habe im Nachhinein die Forderung erhoben, statt 25 Millionen 80 bis 100 Millionen drauf zu legen.
SPÖ-Lesart: Es sei nie ein Betrag fixiert worden.
Fest steht: Der Konflikt konnte bisher nicht gelöst werden. Die Reform wird auf nach Ostern verschoben.
Allen Konflikten zum Trotzen treten Kern und Mitterlehner heute im Pressefoyer gemeinsam auf, um eine positive Zwischenbilanz seit der Aktualisierung des Regierungsprogramms zu ziehen. Sie wollen die positiven Signale vom Arbeitsmarkt als Ermunterung interpretieren, dass die Regierung noch mehr für Wirtschaft und Beschäftigung tut.

EU-Antwortbrief an Kern in Vorbereitung

Der Brief von Kanzler Christian Kern an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, wonach Österreich aus der Flüchtlingsaufteilung in Europa vorerst ausgenommen sein will, sorgt für Betriebsamkeit zwischen Wien und Brüssel.

Laut Auskunft der EU-Kommission am Montag in Brüssel bereitet Juncker eine Antwort „auf gleichem Level“ (soll heißen: auch einen Brief) vor. Wann der Brief abgeschickt wird, weiß die Kommission noch nicht.
Wie der KURIER erfuhr, könnte es vor dem Brief noch ein Treffen zwischen Kern und Juncker geben. Auf der Tagung der Europäischen Volkspartei (EVP) in Malta letzte Woche wurde kolportiert, Juncker habe Kern vom Briefschreiben abhalten wollen, um zu vermeiden, dass die EU-Kommission dem österreichischen Kanzler eine offizielle, briefliche Absage erteilen muss. Kern habe dennoch den Brief geschrieben. Das Kanzleramt bestätigt diesen angeblichen „Wink“ Junckers nicht.
Inhaltlich zeichnet sich eine Abfuhr für das Kanzler-Anliegen ab. Am Montag lautete die Stellungnahme der EU-Kommission, „alle Mitgliedsstaaten müssen sich an Vereinbartes halten und ihre politische, moralische und rechtliche Pflicht erfüllen.“
Das ist im übrigen genau jene Wortwahl, die auch der EU-Kommissar für Migration, Dimitris Avramopoulos, auf dem EVP-Kongress in Malta verwendete. Avramopoulos machte kein Hehl daraus, dass Österreich sich an das Relocation-Programm halten müsse.
Demnach hat sich Österreich verpflichtet, bis September 2017 1953 Flüchtlinge aufzunehmen, bis jetzt haben wir keinen einzigen genommen. Der Streit entzündete sich, als Innenminister Wolfgang Sobotka Italien zusagte, 50 minderjährige Flüchtlinge zu nehmen. Die SPÖ legte sich quer, der Kanzler schrieb besagten Brief.

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