Chefdiplomatin Karin Kneissl krempelt das Außenministerium um

Für die Ressortchefin zählt Qualität statt Parteizugehörigkeit.

Die einen sprechen von zunehmenden Spannungen im Außenamt, sogar von einem "Kulturschock" ist die Rede. Andere loben den neuen Ton, die Atmosphäre und die Kompetenz von Außenministerin Karin Kneissl. Die Einschätzung wechselt je nach parteipolitischer Orientierung. Die schwarzen Arbeitnehmer (ÖAAB) sind stark im Haus, aber auch Parteilose, wie die Gruppe "Ballhausplatz", fühlen sich im Aufwind. Seit Anfang 1987, als Alois Mock das Außenamt übernahm, gab es bis Türkis-Blau ausschließlich ÖVP-Ressortchefs.

Mit dem Einzug der parteifreien Ministerin auf einem FPÖ-Ticket ist die "Diplomaten-Hochburg" im Umbruch. Kneissl strukturiert das Amt neu, die EU-Agenden sind ins Bundeskanzleramt gewandert. Sie setzt auf den asiatischen Raum, besonders auf China, aber auch Russland.

Unabhängig von ÖAAB und der Fraktion Christlicher Gewerkschafter entscheidet sie über Personalangelegenheiten. "Der ÖAAB hat nicht mehr den direkten Draht ins Kabinett, den er noch unter Außenminister Sebastian Kurz hatte", sagt ein Diplomat. Zuletzt berief die Ministerin Margot Klestil-Löffler zur Russland-Beauftragten und gab Desirée Schweitzer die Sektion für Entwicklungszusammenarbeit. Die von der ÖVP favorisierte Kandidatin kam nicht zum Zug. Zu den Personalentscheidungen hat der schwarze Personalvertreter Adalbert Bicserdy "keine Meinung", betont er gegenüber dem KURIER. "Personalangelegenheiten sind vertraulich". Aber es gebe "immer Diskussionen über Personalentscheidungen, unter jeder Führung". Wichtig sei ihm, dass "Bestimmungen eingehalten werden".

Ein Spitzendiplomat formuliert es so: "Das Machtgefälle im Haus hat sich verändert. Die Prozesse sind offener und transparenter geworden." Bei Bestellungen gehe es mehr um Qualifikation und weniger um parteipolitische Zugehörigkeit. Ob das stimmt, wird man bald sehen. Nach dem Wechsel von Botschafter Martin Eichtinger von London in die NÖ-Landesregierung ist sein Posten vakant. Abgelaufen ist bereits die Ausschreibung für Paris. Gerüchten zufolge gilt Generalsekretär Michael Linhart als Favorit. Frankreich-Botschafter Walter Grahammer geht in Pension.

Neu besetzt werden auch etliche Botschaften in der EU (z. B. Sofia, Stockholm, Bratislava) und in Südosteuropa (Sarajevo). Die Bestellung sollte noch vor Übernahme der EU-Präsidentschaft am 1. Juli erfolgen.

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