CETA-Gegner jubeln, Kern schweigt
1,36 Millionen Österreicher haben sich 1982 gegen den Bau des Wiener Konferenzzentrums ausgesprochen. Gebaut wurde es trotzdem.
Weniger als halb so viele sind jetzt gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP sowie das Dienstleistungsabkommen TiSA. Das Volksgehren landet mit 562.552 Unterschriften auf Rang 11 in der Bestenliste, und die Initiatoren glauben: Das ist ein starkes Signal aus der Zivilgesellschaft, die Politik kann es nicht ignorieren.
Vorerst sieht es so aus: Auf KURIER-Anfrage will sich Kanzler Christian Kern nicht dazu äußern. Er hatte die vorläufige Anwendung ja im Oktober unterschrieben, blieb aber skeptisch in puncto Schiedsgerichte. Für ihn springt SPÖ-Geschäftsführer Georg Niedermühlbichler in die Presche: "Ohne Einschreiten des Kanzlers wäre es gar nicht zu einer Ratifizierung in den nationalen Parlamenten gekommen." Kern hatte im Sommer, ebenso wie die deutsche Regierungsspitze, dagegen protestiert, dass die EU alleine entscheiden wollte. Legendär dazu der Kommentar von EU-Präsident Jean-Claude Juncker: "Hören Sie mit dem österreichischen Klamauk auf."
Im SPÖ-Klub betont man, dass es im Rahmen der Ratifizierung ohnehin eine parlamentarische Debatte geben wird – dazu hätte man kein Volksbegehren gebraucht.
SPÖler in EU gegen Ceta
Für jene Teile, die alleine die EU betreffen, wird am 15. Februar im Plenum des EU-Parlaments in Straßburg abgestimmt. Dazu wird der kanadische Premierminister Justin Trudeau erwartet. Kanzler Kern ist zwei Tage vorher mit dem neuen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen in Brüssel. Ein Treffen zwischen Trudeau und Kern ist nicht geplant. Ist schon alles gesagt?
Ja, glauben auch die EU-Parlamentarier. Selbst die schärfsten CETA-Kritiker im EU-Parlament gehen davon aus, dass es für das Abkommen eine Mehrheit geben werde. Liberale, die Europäische Volkspartei und Teile der Sozialdemokraten sind für das Freihandelsabkommen mit Kanada. Das Ergebnis des CETA-Volksbegehren in Österreich wird als "nationale Willensäußerung" bezeichnet – auf die Abstimmung habe das keinen Einfluss.
Erfreut über den Ausgang des Volksbegehrens zeigte sich die grüne Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek. Mehr als eine halbe Millionen Unterschriften von Menschen quer durch alle politischen Parteien und sozialen Schichten – das müsste ein Denkanstoß für die EU sein, die Anliegen der Menschen nicht zu negieren.
Für Irritationen sorgt die Spaltung der SPÖ in dieser Frage. Wie berichtet, sind fünf SPÖ-Abgeordnete strikt gegen CETA und kündigen an, am 15. Februar in Straßburg mit "Nein" zu votieren. Für sie sei die Sache dann aber erledigt. Alles weitere müsse auf nationaler Ebene behandelt werden.
FPÖ will Volksbefragung
Und so geht es in Österreich weiter: Das Volksbegehren muss jetzt in einem Ausschuss behandelt werden. Die Initiatoren fordern, CETA abzulehnen und den Vertrag neu aufzumachen, TTIP und die laufenden Verhandlungen zu TiSA zu beenden. Der Ausschuss kann mit seinem Bericht eine Empfehlung abgeben (ablehnen oder annehmen?) – muss er aber nicht. Die Nationalratsabgeordneten stimmen dann darüber ab.
Die Grünen bringen schon am Mittwoch eine dringliche Anfrage zum Umgang mit dem Volksbegehren ein. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kündigt einen Antrag für eine Volksabstimmung an.
Kommentare