Mensdorff-Prozess: Kronzeuge sagt aus

APA10695374 - 18122012 - WIEN - ÖSTERREICH: Alfons Mensdorff-Pouilly am Dienstag, 18. Dezember 2012, vor Beginn des zweiten Prozesstages im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts. Die Staatsanwaltschaft wirft Mensdorff-Pouilly u.a. Geldwäsche im Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften vor. APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT
Am Dienstag geht der Prozess gegen Alfons Mensdorff-Pouilly weiter - ohne BAE-Zeugen, aber mit dem Kronzeugen.

Alfons Mensdorff-Pouilly kann aufatmen - ein klein wenig zumindest: Sämtliche Zeugen aus dem Umfeld des Rüstungskonzerns BAE, die Richter Stefan Apostol als Zeugen geladen hat, haben ihm inzwischen eine Absage erteilt und werden nicht im Wiener Straflandesgericht erscheinen. Einige von ihnen haben ausdrücklich deponiert, grundsätzlich zu keiner Aussage bereit zu sein. Eine gesetzliche Grundlage, ihre Aussage zu erzwingen, gibt es nicht.

Demenstsprechend wird es im Prozess auch nur mehr drei Verhandlungstage geben - wenig Zeit für die Staatsanwaltschaft, dem Lobbyisten nachzuweisen, dass er vom britischen Rüstungskonzern BAE Systems über ein verschachteltes Firmen-Netzwerk 12,6 Mio. Euro übernommen haben soll, um bei Beschaffungsvorgängen in Mittel- und Osteuropa mithilfe der Millionen Einfluss auf die Auftragsvergaben zu nehmen.

Fünf Absagen

Dem Strafantrag von Staatsanwalt Michael Radasztics zufolge soll der "Graf" mit den drei BAE-Managern Hugh Dickenson, Richard Evans und Michael Turner sowie "weiteren Personen des Managements" eine kriminelle Organisation gebildet und BAE-Gelder zu Korruptionszwecken verschoben haben, was Mensdorff-Pouilly vor Gericht vehement bestritten hat.

Neben Dickenson, Evans und Turner werden auch die als Zeugen vorgesehenen Julian Scopes, der BAE-Geschäftsführer für Osteuropa, sowie Julia Aldridge, Mensdorffs Kontaktperson bei BAE Systems, für das Wiener Gericht nicht zur Verfügung stehen. Richter Apostol hat infolge dessen den Prozessfahrplan gerafft und wird am Dienstag sowie am 16. Jänner die noch verbliebenen Zeugen vernehmen. Sollten Staatsanwalt und Verteidiger keine zusätzlichen Beweisanträge stellen, sind für den 17. Jänner Verlesungen, die Schlussvorträge und die Urteilsverkündung vorgesehen.

"Kronzeuge" sagt aus

Der "Kronzeuge" der Anklage steht jedoch zur Verfügung - und soll am Dienstag ab 11.30 Uhr per Videokonferenz befragt werden: Der Finanz- und Steuerberater Mark Cliff hatte sich als Vermögensverwalter des mittlerweile verstorbenen Timothy Landon betätigt, der Mensdorff-Pouilly bei BAE Systems eingeführt und als dessen Mentor fungiert hatte. Cliff hatte gegenüber dem britischen Serious Fraud Office (SFO) ausführlich von dubiosen Machenschaften bei BAE Systems berichtet. Die Ermittlungen in Großbritannien wurden jedoch eingestellt, nachdem sich BAE im Jahr 2010 zu Bußzahlungen von umgerechnet 326 Mio. Euro bereit erklärt hatte. Mit diesem Schritt wurden auch sämtliche anhängigen Untersuchungen gegen den Konzern in den USA ruhend gestellt.

Eine Vereinbarung, die Cliff mit dem SFO geschlossen hatte, sieht jedoch dessen Kooperation mit ausländischen Strafverfolgungsbehörden vor, weshalb das Wiener Gericht zumindest seine Befragung vornehmen kann. Fraglich bleibt allerdings, wie umfassend die Antworten von Cliff ausfallen werden und ob bzw. in welchem Umfang er den Standpunkt der Anklagebehörde stützen wird.

Mensdorff hatte bereits 1992 einen Berater-Vertrag mit dem größten europäischen Rüstungskonzern Europas abgeschlossen, wobei ihm der Ehemann einer seiner Cousinen, Timothy Landon, die Rutsche zu der lukrativen Geschäftsverbindung legte. Landon - ein ehemaliger Geheimagent, der unter dem Beinamen "Weißer Sultan" in den 1970-er Jahren im Arabischen Raum operiert hatte und federführend an einem Staatsstreich in Oman beteiligt gewesen sein soll - entwickelte sich zum Mentor Mensdorffs: Der von BAE Systems anfangs belächelte Graf stieg mithilfe des Millionärs zu einer wesentlichen Stütze für die Briten auf, wobei ihm der Umstand, dass er 1994 die damalige ÖVP-Umwelt- und spätere Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat ehelichte, für Aufbau und Pflege politischer Kontakte und eines weitverzweigten Netzwerkes dienlich gewesen sein dürfte.

Im Rahmen seiner Lobbyisten-Tätigkeit sollte Mensdorff zunächst dafür sorgen, dass bei der Anschaffung von Abfangjägern in Tschechien, Ungarn und Österreich jeweils der von BAE Systems und dem schwedischen Saab-Konzern vermarktete JAS 39 Gripen ausgewählt wurde. Als den Briten aber klar wurde, dass der Konzern mit dem Eurofighter mehr verdienen würde, den BAE-Systems ebenfalls im Angebot hatte, wurde Mensdorff "gebeten, beiseitezutreten und im Prinzip den Eurofighter gewinnen zu lassen", wie ein ranghoher BAE-Manager später der britischen Antikorruptionsbehörde Serious Fraud Office (SFO) berichtete, der nun auch im Wiener Verfahren als Zeuge auftreten soll.

In diesem geht es um insgesamt 12,6 Mio. Euro, die Mensdorff laut Anklage zwischen 2000 bis 2008 unter Zwischenschaltung von Briefkastenfirmen von BAE Systems erhalten und zum Zwecke der Bestechung eingesetzt hat, wobei laut Strafantrag die Geldflüsse mit Scheinverträgen getarnt wurden.

Eine dieser Gesellschaften war etwa die Valurex International SA mit Sitz in Panama, über die Mensdorff jahrelang Berichte an BAE lieferte, um nach außen hin seine Berater-Tätigkeit zu legitimieren. Die Berichte sollen jedoch inhaltsleer und jedenfalls nicht das Geld Wert gewesen sein, das der Graf dafür an Honoraren kassierte. Verfasst haben soll sie der pensionierte Chef der österreichischen Luftwaffe, Josef Bernecker, der im Ruhestand in Mensdorffs Wiener Büro einen Schreibtisch hatte.

Bis zu fünf Jahre Haft

Die Probleme, die sich für Staatsanwalt Radasztics in dem Verfahren ergeben könnten, in dem es für Mensdorff um bis zu fünf Jahre Haft geht: Einerseits dürfte BAE Systems kaum an einer Aufklärung der inkriminierten Vorgänge interessiert sein, zumal der Konzern im Jahr 2010 gegen die Übernahme von Bußzahlungen von umgerechnet 326 Mio. Euro die Einstellung sämtlicher gegen ihn anhängiger Verfahren in Großbritannien und den USA erwirkt hat. Davon profitierte auch Mensdorff-Pouilly, der zu diesem Zeitpunkt in London in U-Haft saß und - nachdem auch die Ermittlungen in England gegen ihn fallen gelassen wurden - im Nachhinein von der britischen Justiz eine Haftentschädigung von 430.000 Euro zugesprochen bekam.

Außerdem sind einige Zeugen, die bei wahrheitsgemäßen Angaben die Darstellung der Wiener Anklagebehörde womöglich stützen hätten können, nicht mehr greifbar: Landon ist bereits 2007 an Lungenkrebs gestorben, Bernecker am Heiligen Abend des Vorjahrs.

Die Rolle des Kurt D.

Bleibt abzuwarten, ob ausgerechnet der Mitangeklagte im Mensdorff-Prozess gegen seinen Bekannten aus gemeinsamen Schultagen aussagen wird: Kurt D. (61) soll als formaler Geschäftsführer der auf den British Virgin Islands etablierten Brodmann Business SA regelmäßig BAE-Gelder im Auftrag Mensdorffs weiterverteilt bzw. verschoben haben. Mindestens 1,6 Mio. Euro soll D. in bar behoben haben. Wofür die Beträge verwendet wurden, konnte laut Staatsanwaltschaft "nicht aufgeklärt werden".

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